- Vielversprechende technische Daten
- Sitz und Platz
- Innere Werte
- Durstige Fahrmaschine
- Prospektwerte vs Realität
- Enttäuschender Verbrauch nicht nur auf der Normrunde
- Reichweite für den Preis inakzeptabel
- Was uns gefällt
- Was uns nicht gefällt
- Fazit
- Die Eckwerte:
Nach langer Ankündigungsphase ist der „Stromer vom Daimler“ nun endlich bei den Händlern angekommen – wenn auch in homöopathischen Dosen. Anfragen zur Lieferzeit werden von den Händlern unterschiedlich beantwortet mit Zeiträumen zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Immerhin hatte unsere Mercedes-Niederlassung einen EQC-Testwagen zugelassen und innerhalb einer Woche stand dann tatsächlich der Termin, an dem wir mit dem großen Elektro-SUV Bekanntschaft machen konnten. Das Wetter war herbstlich, trocken und mit zwei bis sechs Grad Aussentemperatur ideal, um realistische Verbrauchswerte und damit Reichweitenangaben ermitteln zu können.
Vielversprechende technische Daten
Die technischen Daten klingen in dieser Beziehung ja durchaus vielversprechend. Zwei Elektromotoren, je einer für die Vorder- und die Hinterachse, liefern 300 kW, mit einer 80 kWh großen Batterie beträgt die Prospekt-Reichweite laut NEFZ satte 450 Kilometer. Der Prospekt nennt dementsprechend einen Verbrauch von 19,7 – 20,8 kWh/100 Km.
Frohen Mutes enterten wir also nach einer kurzen Einweisung durch den sehr freundlichen Niederlassungs-Mitarbeiter den Fahrersitz und aktivierten die Systeme – starten kann man den Druck auf den runden Knopf nicht nennen! Wir hatten besprochen, dass wir den Wagen mit voller Batterie übernehmen und waren daher überrascht ziemlich überrascht, als uns das sehr übersichtliche Display hinter dem Lenkrad mit einer Restreichweite von lediglich 267 Kilometern begrüsste. Eine Nachfrage bei dem Mercedes-Berater ergab, dass der Wagen tatsächlich „vollgetankt“ und die gezeigte Reichweite nur deshalb so niedrig sei, weil der Computer für die Reichweitenberechnung ja auch den Fahrstil der letzten Tester heranziehen würde, und die hätten wohl ordentlich „Gas“ gegeben haben…
Nun gut, vergessen wir das Thema erst einmal und widmen uns den ersten Eindrücken des EQC.
Der Einsteig durch die großen Türen ist problemlos, man sitzt hervorragend, Sitze und Lenkrad sind so verstellbar, das man immer eine gute Sitzposition findet. Der Blick nach vorne und zur Seite ist tadellos, der nach hinten durch die Seitenlinie und das kleine Heckfenster nicht – die Rückfahrkamera ist ein unverzichtbares Hilfsmittel für sicheres Einparken!
Sitz und Platz
Das Platzangebot vorne ist mehr als ausreichend und auch die Rückbank ist für Menschen jenseits der 1,75 Meter Größe langstreckentauglich und sehr komfortabel.
Das Kofferraumvolumen wird mit 500 Litern angegeben, bei umgeklappten Rücksitzen passen bis zu 1.460 Liter Gepäck in das Heck. Wer nun denkt: „Klasse, dann kann ich im vorderen „Frunk“ noch meine Aktentasche unterbringen, wird nach Öffnen der riesigen Frontklappe bitter enttäuscht: dort befindet sich unter einer Plastikabdeckung … ein Motorraum, der mit Kabeln, Schläuchen und Aggregaten vollgestopft ist wie einst ein V8 in einem Kleinwagen! Offenbar konnten sich die Mercedes-Entwickler trotz E-Antrieb noch nicht vom klassischen Fahraufbau mit „Motor vorn“ trennen – das können die Mitbewerber besser!
Innere Werte
Der Blick des Fahrers fällt auf das auch von den aktuellen Verbrenner-Benzen bekannte LED-Display im Superbreit-Format, hinter dem Lenkrand bieten zwei darauf platzierte „Rundinstrumente“ alle wichtigen Informationen zu Geschwindigkeit, Verbrauch, Reichweite und vielem mehr.
Der rechte Part des Touchscreens ist für das Navi und alle sonstigen Funktionen vom Radio über Verbrauchsstatistiken bis hin zu allen Systemeinstellungen reserviert. Ergänzt wird das Display durch eine darunter liegende Schalterreihe für die Steuerung der Klimaanlage. Ganz selbst erklärend ist das alles nicht, aber das gilt im Grunde für die Bedienkonzepte fast aller modernen Fahrzeuge – das Versprechen von weniger Knöpfen und damit weniger Verwirrung durch Touchscreens bleibt unerfüllt. Immerhin ist die umfangreiche Bedienungsanleitung für den EQC auf dem Display mit einem Fingerdruck aufrufbar! Und wer mag, kann die Fahrzeugfunktionen auch über Sprachsteuerung bedienen.
Die direkt hinter dem Lenkrad sitzenden Paddles sind für die Rekuperation verantwortlich – rechts wird stärker gebremst und damit Energie gewonnen, links kann bis zum „segeln“ die Rekuperation zurück genommen werden.
Etwas ratlos liess uns das Design der Lüftungsklappen zurück, das sich auch nicht dadurch entschuldigen läßt, es würde der Designlinie anderer Benz-Modelle folgen. Aber das ist ja eine reine Geschmackssache und soll deshalb unser Urteil nicht trüben!
Durstige Fahrmaschine
Anders als der Audi e-tron schiebt der knapp 2,5 Tonnen schwere Allradler in schnellen Kurven weniger über die Vorderachse. Die Bremsen zeigen sich standfest und gut dosierbar – wenn man sie denn benötigt: Dank der vielen Fahrassistenzsysteme vom Abbiege- und Spurhalteassistent bis hin zum Abstandsassistenten mit Geschwindigkeitsanpassung an den Vordermann kann man auch bei starkem Verkehr oder bei Stop-and-go entspannt bleiben, der Wagen bremst bei Bedarf bis zum Stillstand herunter.
Man kann den EQC ganz kommod bewegen, aber auch sportliche Naturen kommen bei dem hervorragenden Fahrwerk und dem spontanen Antritt beim „Gas“ geben voll auf ihre Kosten. Das hohe Drehmoment – die Motoren liefern mit 760 Nm gut zehn Prozent mehr Drehmoment als der ebenfalls 300 kW starke Audi e-tron an die Räder – macht Überholvorgänge zu einem Kinderspiel. Und trotz der 650 Kilogramm schweren Batterie bringt der EQC etwa 70 Kilogramm weniger Gewicht auf die Waage als der Audi. Zum Vergleich: die 75 kWh große Batterie des Tesla Modell 3 wiegt lediglich 478 kg und der ganze Tesla unter zwei Tonnen. Sowohl der EQC als auch der Audi sind verglichen mit der US-Ware also Schwergewichte, die zudem sowohl in der Topspeed wie der Reichweite weit hinter dem Tesla zurück bleiben.
Prospektwerte vs Realität
Beim EQC wird der Vorwärtsdrang bei 180 km/h abgeregelt, beim Audi sind 200 km/h machbar. Der Tesla läuft je nach Modell zwischen 210 und 266 Stundenkilometer schnell, wenn es denn sein soll und kann.
Vor allem die Sache mit der Reichweite ist ein Ärgernis: Die in der Realität erreichbaren Werte weichen erheblich von den Prospektwerten ab, egal wie korrekt die nach WLTP oder NEFZ auch ermittelt werden. Die von Mercedes genannten Verbrauchswerte von 20,8 bis 19,7 kWh/100 km konnten wir während unserer 233 Kilometer langen Testfahrt nicht einmal rollend bergab erreichen, auch bei konstanten 80 bis 100 km/h auf der Landstraße zeigte uns das Display Werte um die 30 kWh/100 km an.
Enttäuschender Verbrauch nicht nur auf der Normrunde
Das bei Tempo 140 auf der Autobahn der Verbrauch bei etwa 35 kWh/100 km lag, war zu erwarten, doch auch bei gemütlichen 70 km/h pendelte der Verbrauch immer um die 30 kWh. Am Ende unserer Testfahrt auf der e-engine-Normrunde lag der Verbrauch mit 26,5 kWh/100 km bei einer Durchschnittsgeschwingkeit von 59 km/h deutlich über den Herstellerangaben. Die Gesamtverbrauch war allerdings mit 28,3 kWh noch höher – und das bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 53 km/h. Die tatsächliche Reichweite schrumpft damit auf gerade einmal 300 Kilometer.
Das ist für einen derart grossen und nicht nur für den Stadtverkehr konzipierten SUV zu wenig. Erschwerend kommt noch die eingeschränkte Stromaufnahme beim Laden hinzu: während der EQC an Gleichstrom-Tanken etwa von Ionity mit bis zu 110kW lädt, kann er an den häufiger anzutreffenden Wechselstromsäulen nicht einmal mit 11 kW tanken, denn das Ladegerät verkraftet nur 7,4 kW! Damit ist der Kurzurlaub vorbei, bevor der Wagen wieder Strom für die Rückfahrt hat! Unter diesem Gesichtspunkt möchten wir eigentlich gar nicht wissen, wie hoch die Reichweite bei Anhängerbetrieb ist – immerhin darf der EQC bis zu 1800 kg ziehen!
Reichweite für den Preis inakzeptabel
Um die Sache mit dem Verbrauch zu verifizieren, werden wir unsere Norm-Testrunde im Frühjahr noch einmal fahren, um zu überprüfen, ob der Verbrauch bei Temperaturen oberhalb von 15 Grad niedriger ist, als bei den derzeit herrschenden Herbsttemperaturen.
In der Basisausstattung kostet der EQC 71.281 €, das ist netto knapp unter 60.000 € und damit unterhalb der Fördergrenze, dieser Betrag kann also vom Kaufpreis noch abgezogen werden.
Die Sonderedition 1886 – die Zahl bezieht sich auf das Jahr, in dem Carl Benz ein „Fahrzeug mit Gasmotorenantrieb“ zum Patent anmeldete – erfreut durch eine umfangreiche Serienausstattung und erleichtert das Konto um knapp 85.000 € brutto.
Was uns gefällt
Geräumiger Innenraum, hervorragendes Fahrwerk, hochwertige Verarbeitung mit hochwertigen Materialien, ausreichend großer Kofferraum, gerade noch akzepabler Basispreis für diese Fahrzeugklasse.
Was uns nicht gefällt
Kein „Frunk“ unter der vorderen Haube, hoher Verbrauch, Reichweite nur mittelmäßig, lange Aufpreisliste
Fazit
Wir vergeben an den Mercedes EQC 3 von 5 möglichen Punkten. Bei einer höheren Reichweite hätten wir trotz fehlendem „Frunk“ und des hohen Preises (mit einigen sinnvollen aufpreispflichtigen Extras wie elektrisch absenkbaren Rückspiegeln (Spiegelpaket für 535,00 €), dem elektrischen Fahrersitz mit Memoryfunktion (833,00 €!!) oder der Sitzheizung (386,75) vier Punkte vergeben, doch so bleibt es bei einer guten Drei!
Die Eckwerte:
- Leistung: 408 PS
- Maximales Drehmoment: 760 Nm
- Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5,1 Sekunden
- Batteriekapazität: 80 kWh
- Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h (elektronisch abgeregelt)
- Reichweite (NEFZ): 445-471 km
- Preis: ab 71,281 €
- Laden (jeweils 100 km Reichweite) mit Haushaltssteckdose (2,3 kW): 10,44 h mit Wallbox (max. 7,4 kW): 2:29h AC-Ladestation: 2:29 h
DC-Ladestation (110 kW): 0:10
Fotos: Daimler, e-engine, Jörn Müller-Neuhaus, Bernd Maier-Leppla
Mercedes EQC: Energieverbrauch deftig höher als beim Benziner