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KI macht Pirelli-Reifen für E-Autos noch smarter

Das Elektroauto fordert auch die Reifenindustrie. Pirelli meistert sie mit neuen Konstruktionen, Sensorik – und dem sprechenden „Cyber Tyre“.

Der Druck, unter dem Reifenhersteller wie Pirelli derzeit stehen, ist kaum kleiner als jener für die Autoindustrie selbst. Denn die neuen Pneus müssen längst nicht nur den Endkunden gefallen, sondern insbesondere auch den Autoherstellern selbst. Denn diese legen lange vor Marktstart neuer Fahrzeuge den Anforderungskatalog für die Reifen fest. Dabei geht es längst nicht allein um die deutlich höheren Fahrzeuggewichte der elektrifizierten Modelle, sondern auch immer strengere Nachhaltigkeitsvorgaben. Zudem werden ähnlich wie bei anderen Komponenten die Produktzyklen der Reifen bei steigendem Entwicklungsaufwand und entsprechenden Kosten immer größer. Und dann sind da noch die Verbrennerfahrzeuge, die wohl noch ein, zwei Jahrzehnte auf dem Markt sein werden und zumindest im Nachrüstgeschäft noch bedient werden müssen.

Damit sich ein Reifenhersteller wie Pirelli in der ersten Liga halten kann und entsprechende Premiumansprüche seiner höchst unterschiedlichen Kunden erfüllen kann, kommt einer möglichst effizienten Entwicklung eine immer größer werdende Bedeutung zu. Dafür investiert der norditalienische Hersteller massiv in Bereiche wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Rund 5,5 Prozent seiner Einnahmen aus dem Verkauf des schwarzen Gummimaterials steckt Pirelli aktuell in die Bereiche Forschung und Entwicklung – einen Großteil davon in den Bereich Digitalisierung: Der Reifen der Zukunft rollt nicht nur leise ab und widerstandsarm, sondern ist auch mit dem Fahrzeug voll vernetzt.

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Projekt „Cyber Tyre“ Pirelli und Bosch haben eine Entwicklungs-Kooperation geschlossen, um softwarebasierte Lösungen für intelligente Reifen mit integrierten Sensoren zu entwickeln. Sowohl das Bremsverhalten wie auch die Fahrdynamik könnten davon profitieren.

Pirelli hat dazu kürzlich eine Kooperation mit der Bosch-Gruppe geschlossen: Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung softwarebasierter Lösungen und Fahrfunktionen durch die in den Reifen integrierte Sensoren. Bislang messen diese nur den Reifendruck – in Zukunft liefern sie auch Daten für das elektronische Stabilisierungsprogramm. In einem ersten gemeinsamen Projekt mit dem italienischen Hypercar-Hersteller Pagani hat Bosch bereits eine spezielle ESP-Applikation entwickelt. Im nächsten Schritt sollen aber vor allem Elektroautos von dem neuen vollvernetzten „Cyber Tyre“ profitieren.

KI hilft bei der Reifenentwicklung für E-Autos

„Elektroautos unterscheiden sich stark von herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und erfordern daher spezielle Reifen. Die Anzahl der Homologationen, die wir von großen Herstellern erhalten haben, bestätigt die Richtigkeit unseres Weges, der darin besteht, Technologien anzubieten, die an Fahrzeuge, Reifen und Jahreszeiten angepasst werden können“, erläutert Piero Misani, Chief Technical Officer von Pirelli. „Modernste Entwicklungswerkzeuge wie Virtualisierung und künstliche Intelligenz ermöglichen es uns, Produkte zu entwickeln, die den technischen und leistungsbezogenen Anforderungen von Elektrofahrzeugen immer besser entsprechen.“

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Eine Frage der Akustik Bei Elektroautos sind die Reifen die größte Lärmquelle. Da kein Verbrennungsmotor die Laufgeräusche übertönt, sind die Abrollgeräusche gut vernehmbar. Pirelli versucht hier mit Gummimischungen und speziellen Laufprofilen gegenzusteuern, ohne die Fahrsicherheit und das Bremsverhalten zu verschlechtern. Fotos: Pirelli

Bei der Entwicklung von neuen Autos ist ein Reifenhersteller wie Pirelli vom Start weg mit im Boot. Er arbeitet eng mit den Fahrzeugentwicklern zusammen. Bei einem hochperformanten Elektroauto wie dem Porsche Taycan war Pirelli sogar elementar in die Entwicklung eingebunden. Große Bereiche der Entwicklungen fanden zunächst virtuell statt, ehe es mit den Rädern ins Labor und hinterher auf die Straße ging. Eingeführt wurde die sogenannte Elect-Technologie von Pirelli in der ersten Generation des P Zero für den rein elektrischen Taycan, der andere Erfordernisse hatte als beispielsweise der Panamera als Plug-in Hybrid. Nicht unüblich in der Autoindustrie: danach wurde die validierte Technik in andere Produktfamilien integriert.

Mehr Reichweite und weniger Verschleiß

Dank ihres geringen Rollwiderstands können Reifen mit Elect-Technologie eine zusätzliche Reichweite von bis zu 50 Kilometern pro Batterieladung bieten. Darüber hinaus bieten die Reifen dank innovativer Mischungen mehr Grip, um das hohe Drehmoment von Elektromotoren zu bewältigen. Und obendrein verstärkte Strukturen, um das erhöhte Gewicht der Elektroautos sicher tragen zu können. Beides sorgt dafür, den Reifenverschleiß um bis zu 20 Prozent zu reduzieren: Die Antriebe der Elektroautos verfügen über ein hohes Drehmoment, das beim Ampelstart gerne schon einmal zu durchdrehenden Reifen führen kann.

ki macht pirelli-reifen für e-autos noch smarter

Spricht mit dem Auto Mit Bluetooth-Technik kommunizieren die Sensoren in den smarten Pirelli-Reifen mit dem Auto. Die Daten, die sie liefern, geben dem Bordcomputer wichtige Informationen über Fahrverhalten und Straßenzustand.

Doch es sind nicht allein die Fahrleistungen und das Verhalten beim Bremsen, Regen und in schnell gefahrenen Kurven, die direkten Einfluss auf die Entwicklungen haben. Viele Hersteller machen klare Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit. Besonders eng ist zum Beispiel die Zusammenarbeit von Pirelli auch mit den Marken der BMW Group, wobei besonders großer Wert auf Nachhaltigkeit und einen möglichst geringen CO2-Abdruck gelegt wird. Hierzu wurden jüngst mit künstlicher Intelligenz und maximaler Digitalisierung Öko-Reifen entwickelt, die seit Sommer für die Fahrzeuge der Siebener Baureihe verfügbar sind. Nach dem Aushängeschild der Bayern wird der kommende BMW iX3 ab Herbst das zweite Modell sein, dass die besonders nachhaltigen Reifen auf die Straße bringt.

(Mit Ergänzungen von Franz Rother)

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