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Jahrhundertwerk​: 100 Jahre BMW Motorrad, Teil zwei

1959 konnte ein Kleinaktionär verhindern, dass BMW an Mercedes verkauft wurde. Neues Geld ermöglichte erfolgreiche Autos und dem Motorradbau eine zweite Blüte.

jahrhundertwerk​: 100 jahre bmw motorrad, teil zwei

Die R 90 S, BMWs Top-Modell von 1974, erreichte 200 km/h und gilt heute als Meilenstein.

(Bild: BMW)

1959 ging es BMW finanziell sehr schlecht und wäre fast auf der Hauptversammlung am 9. Dezember an Mercedes verkauft worden. Doch ein mutiger Kleinaktionär und ein Anwalt fochten die tatsächlich fehlerhafte Bilanz an und konnten den Verkauf an den Konkurrenten aus Stuttgart buchstäblich in letzter Minute verhindern. Danach übernahm der Industrielle Herbert Quandt 60 Prozent der Aktien und sorgte dafür, dass BMW selbstständig blieb. Dadurch waren wieder genügend Mittel liquide, um das Automodell 1500 zu entwickeln.

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Rettung durch neue Klasse

Der Wagen wurde ein großer Verkaufserfolg, was wiederum in den 60er Jahren auch der Motorradsparte zugute kam: Die bestehenden Modelle konnten optimiert werden. BMW setzte weiter auf den Sport und gewann 1960 mit der R 69 S sowohl eine Goldmedaille bei den International Sixdays in Österreich, als auch das 24-Stunden-Rennen Bol d’Or in Frankreich. Mit 175 km/h Höchstgeschwindigkeit durfte sich die R 69 S als das schnellste deutsche Serienmotorrad bezeichnen. Um den Verkauf auf dem wichtigen US-Markt anzukurbeln, bewarb BMW seine Motorräder mit Zuverlässigkeit: Der Amerikaner Danny Liska fuhr auf einer R 60 von Alaska nach Feuerland und legte dabei 150.000 km in sechs Monaten zurück. Lange ruhte er sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern fuhr danach auch noch 65.000 km vom Nordkap in Norwegen bis zum Kap der Guten Hoffnung in Südafrika.

Dennoch blieb der Motorradverkauf bei BMW weiter rückläufig und so verschwand 1966 mit der R 27 der letzte Einzylinder aus dem Programm, die R 50/2 lief zwei Jahre später aus. BMWs galten inzwischen nicht mehr nur als konservativ sondern geradezu als veraltet angesichts der günstigen und leistungsstarken japanischen Modelle. Der Technische Direktor von BMW, Helmut Werner Bönisch, erteilte daher Hans-Günther von der Marwitz den Auftrag, eine neue Baureihe zu entwickeln. Der Boxer wurde von Grund auf neu konstruiert, ebenso wie das Chassis. Es gab drei Hubraumgrößen: 498, 599 und 745 cm3. Besonderen Wert legte von der Marwitz auf ein verbessertes Handling, denn die Vorgängerinnen standen zurecht im Ruf, schwerfällig zu sein. Es kam ein neuer Doppelschleifenrahmen samt angeschraubtem Hilfsrahmen zum Einsatz mit einem niedrigeren Lenkkopf als an der R 69. Die neuen /5-Boxer waren wesentlich agiler als die Vorgängerinnen, aber weil auch sie gegen die sportlichen Maschinen aus Japan nicht ankamen, sollten sie möglichst viel Komfort auf Touren bieten, ergo erhielten sie eine gut gepolsterte Sitzbank, einen 24-Liter-Tank und sogar einen E-Starter serienmäßig. Besonders die R 75/5 mit 50 PS eroberte sich einen exzellenten Ruf.

Boxer aus Berlin

Für die Produktion der /5-Modelle wurde das Werkzeugmaschinenwerk in Berlin-Spandau ausgesucht und seit September 1969 kamen bis heute alle BMW-Boxer-Motorräder von dort. Die neuen Modelle wurden rasch erfolgreich, 1971 wurden 18.898 Exemplare der /5-Baureihe in einem Jahr verkauft, so viele Motorräder wie seit 1955 nicht mehr. Auch wenn japanische Maschinen inzwischen die Rennstrecken dominierten, bewies die R 75/5 durchaus sportliches Talent. Darauf abgestimmt nahmen sie unter anderem an der TT Isle of Man teil, wo Hans-Otto Butenuth 1971 einen beachtlichen vierten Platz belegte, Helmut Dähne wiederholte die Platzierung mit der R 75/5 in den nächsten beiden Jahren. Da war Eberhard von Kuenheim bereits Vorstandsvorsitzender, der die BWM AG zu einem der weltweit führenden Hersteller ausbaute. Bis zu seinem Renteneintritt 1993 sollte er den Umsatz um das 18-fache steigern.

Bilderstrecke 100 Jahre BMW Motorrad 2 erster Teil (6 Bilder)

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BMWs galten Ende der 1960er Jahre als veraltet, deshalb wurde die /5-Baureihe entwickelt. Der Boxermotor wurde von Grund auf überarbeitet, ebenso wie das Chassis. Es gab sie ab 1969 in drei Hubraumgrößen: 498, 599 und 745 cm3 (Foto: R 60/5).

1974 kam ein neues Top-Modell, das heute als Meilenstein gilt: die R 90 S. Mit 898 cm3 und 67 PS lag sie auf Augenhöhe mit den japanischen Big Bikes. Kein Geringerer als Vertriebsleiter Bob Lutz, der später bei Ford und Chrysler Vorstandsvorsitzer werden sollte, hatte auf ein Sportmotorrad gedrängt, um BMW neu zu positionieren. Das Design der R 90 S stammte von Hans A. Muth und er kam auf die Idee, ihr als ersten Serienmotorrad von BMW eine lenkerfeste Cockpitverkleidung aufzusetzen. Zudem erhielt sie ein Fünfganggetriebe und zwei Bremsscheiben am Vorderrad. Die Serienmaschine erreichte dank Verkleidung 200 km/h, was der R 90 S ein enormes Renommee sicherte. Zwar war sie mit 8510 Mark teurer als die im Jahr zuvor erschienene Kawasaki 900 Z1 mit 79 PS, aber dennoch verkaufte sich das neue Flaggschiff von BMW blendend, eignete es sich doch für Sport und Touren gleichermaßen. Dass der Boxer immer noch für Siege gut war, bewiesen Dähne und Butenuth 1976 bei der Serien-TT auf der Isle of Man und Reg Pridmore gewann die AMA Superbike Championship auf einer 102 PS starken R 90 S.

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Zu dem Zeitpunkt hatte BMW bereits eine noch eindrucksvollere Nachfolgerin entwickelt und präsentierte im August 1976 der staunenden Öffentlichkeit die R 100 RS. Nicht nur, dass sie über 980 cm3 und 70 PS verfügte, sie besaß als erstes Serienmotorrad eine Vollverkleidung. Für ihr Design zeichnete sich erneut Hans A. Muth verantwortlich. Weil die R 90 S bei Höchstgeschwindigkeit zum Pendeln neigte, war die im Windkanal von Designer Sergio Pininfarina in Italien entwickelte Verkleidung der R 100 RS am Rahmen befestigt worden. Dank der ausgefeilten Aerodynamik entwickelte die R 100 RS 17,4 Prozent mehr Abtrieb an der Front, was ihr einen stabilen Geradeauslauf bescherte. Dass sie in der Endgeschwindigkeit mit 190 km/h langsamer als die unverkleidete R 100/7 war, lag an der kürzeren Hinterachsübersetzung. Ebenfalls neu in der Geschichte von BMW waren die Aluminiumgussfelgen an der R 100 RS, die es optional anstelle der Drahtspeichenfelgen gab.

Letzte Chance Neuentwicklung

Doch auch wenn die R 100 RS für Aufsehen sorgte und viel Anerkennung erhielt, konnte sie nicht verhindern, dass die Verkaufszahlen von BMW Motorrad Ende der 70er Jahre kontinuierlich sanken, 1979 produzierte die Marke 24.415 Motorräder. Aus Japan kamen einfach zu viele gute und deutlich günstigere Modelle, die Boxer-BMWs (das Programm umfasste die Modelle R 100 RS, R 100 S, R 100/7, R 80/7 und R 60/7) wurden nur noch von eingefleischten Fans gekauft. Die Bayern versuchten deshalb 1978 mit den beiden kleinen Modellen R 45 und R 65 gegenzusteuern, doch auch sie waren viel zu teuer, als dass sie ein Verkaufserfolg hätten werden können.

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