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Jahrhundertwerk​: 100 Jahre BMW Motorrad, Teil vier

Nach fliegenden Ziegeln, zwei-, vier- und sechszylindrigen Quermotoren in diversen Bikes erweist sich am Ende der gute, alte Boxer am weitaus erfolgreichsten.

jahrhundertwerk​: 100 jahre bmw motorrad, teil vier

BMW baute im Laufe der Jahre verschiedenste Ableitungen von seinem 1000er Sportbike. Auch als Naked Bike S 1000 R war sie beliebt.

(Bild: BMW)

Erst 2004 baute BMW einen Motor mit mehr als einem Zylinder “richtig herum” – also quer zur Fahrtrichtung ein. Die Ära der “fliegenden Ziegelsteine”, wie die längs eingebauten Vierzylinder scherzhaft genannt wurden, ging damit zu Ende. Das neue Modell mit Kettenantrieb war die K 1200 S. Ihr 1157 cm3 großer Vierzylinder war neu konstruiert und entwickelte 167 PS. Er war im Interesse eines niedrigen Schwerpunkts um 55 Grad nach vorne gekippt. Am Vorderrad kam eine neue Duolever-Aufhängung zum Einsatz. Die K 1200 S war das erste Serienmotorrad der Welt mit elektronisch einstellbarer Fahrwerksabstimmung. BMW beging nicht den Fehler, sie als reines Sportbike zu bewerben, sondern ordnete die fünf Zentner schwere K 1200 S als Sporttourer ein. Dazu gesellte sich das Naked Bike K 1200 R, das technisch weitestgehend identisch war, später folgte noch der Tourer K 1200 LT. Die neue K-Baureihe überzeugte viele Käufer, erst recht, als der Hubraum 2009 in der K 1300 S, K 1300 R und K 1300 GT auf 1293 cm3 und die Leistung auf 175 PS erhöht wurden.

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Zweizylinder-Lückenfüller …

Weil BMW in der Mittelklasse keine modernen Modelle im Programm hatte, füllte ab 2006 die F 800 S und F 800 ST die Lücke. Ihr Zweizylinderreihenmotor mit 798 cm3 brachte es auf 85 PS und sorgte für ansehnliche Fahrleistungen, zumal die S nur 204 kg und auch die mit einer etwas größeren Verkleidung versehenen ST lediglich fünf Kilogramm mehr wog. Der Paralleltwin mit 360 Grad Kurbelwellenversatz bekam in der Mitte der Kurbelwelle ein Gewichtspleuel gegen Vibrationen, der Hinterradantrieb einen Zahnriemen, was den Wartungsaufwand senkte. Ihr Erfolg war überschaubar, doch das sollte sich 2008 mit dem Erscheinen der Enduros F 800 GS und F 650 GS ändern.

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Im Zuge der Retro-Welle präsentierte BMW 2014 die R nineT, die Stilelemente der R 51 zitierte. Obwohl der 1170-cm3-Boxer mit 110 PS weniger Leistung als die anderen R-Modelle (125 PS) bot, war das erste Baujahr sofort ausverkauft. Das Design der R nineT konzentrierte sich auf das Wesentliche, zeigte viele Kurven, Drahtspeichenräder und einen nostalgischen Rundscheinwerfer. Auffallend war der Verzicht auf das Telelever zugunsten der Upside-down-Gabel des Superbikes S 1000 RR. BMW bot gegen Aufpreis reichlich Möglichkeiten zur Individualisierung.

Die Modellbezeichnungen waren etwas irreführend, weil beide denselben Hubraum von 798 cm3 hatten, aber die F 650 GS durch eine zahmere Nockenwelle statt 85 PS nur 71 PS lieferte. Beide erfreuten sich umgehend großer Beliebtheit, weil sie mit 207 kg bzw. 199 kg relativ leicht und von der Leistung klar besser als das aus der Produktion genommene Einzylindermodell F 650 GS waren, zudem kosteten sie erheblich weniger als die R 1200 GS. Ein Jahr später legte BMW mit der F 800 R nach. Das Naked Bike basierte auf der S, verzichtete aber auf eine Verkleidung und hatte Ketten- statt Zahnriemenantrieb, die Motorleistung stieg auf 87 PS. Genau wie die F 800 GS hatte die R asymmetrische Doppelscheinwerfer. Nicht zuletzt dank des Stuntfahrers Chris Pfeiffer, der auf der F 800 R einen Weltmeistertitel holte, erfreute sie sich großer Beliebtheit.

… und Nischenmodelle …

Mit den G 650-Modellen versuchte BMW 2007 Nischen zu besetzen. Die G 650 Xchallenge sollte für den Geländesport herhalten, die G 650 Xmoto eine Supermoto darstellen und die Xcountry eine Art Scrambler. Der überarbeitete 650er-Einzylinder aus der F 650 GS leistete jetzt 53 PS und wurde bei Loncin in China gefertigt. Es stellte sich jedoch rasch heraus, dass die Xchallenge und die Xmoto für ihr jeweiliges Einsatzgebiet zu schwer waren und ihr Fahrwerk sich den Anforderungen nicht gewachsen zeigte. Auch die Xcountry fand nicht sonderlich viele Käufer, sodass den drei Modellen eine nur kurze Bauzeit beschert war. Dafür kam es 2011 zu einer überraschenden Neuauflage der F 650 GS, die jetzt aber unter der Bezeichnung G 650 GS verkauft wurde, um Verwechslungen mit der Zweizylinder-Maschine F 650 GS zu vermeiden. Vor allem der US-Markt hatte weiter nach der beliebten Einzylinder-Enduro von BMW verlangt. Das Design der G 650 GS wurde zwar leicht überarbeitet und die Höchstleistung musste wegen strengeren EU-Vorschriften auf 48 PS zurückgenommen werden, aber sie verkaufte sich ungeahnt gut.

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… Vierzylinder-Superbikes …

Das Jahr 2009 sollte für BMW einen tiefgreifenden Imagewandel bringen. Das Werk präsentierte mit der S 1000 RR sein erstes Vierzylinder-Superbike und nahm an der WM teil. Die Serienmaschine kam ein Jahr später auf den Markt und düpierte die gestandene japanische Superbike-Konkurrenz auf Anhieb. Der 999-cm3-Reihenvierzylinder war unter Mithilfe ehemaliger BMW-Formel-1-Ingenieure entwickelt worden und leistete satte 193 PS. Bei nur 204 kg Leergewicht erwies sich das Sportmotorrad mit einem Brückenrahmen aus Aluminium als sehr gut ausbalanciert. Nachdem die S 1000 RR (Test) zahlreiche Vergleichstests gewonnen hatte, griffen in den folgenden Jahren immer mehr Sportfahrer zur BMW. Die S 1000 RR wurde kontinuierlich weiterentwickelt und bekam 2019 eine variable Einlassventil-Steuerung, die nicht nur die Höchstleistung auf 207 PS brachte, sondern auch den Drehmomentverlauf verbesserte.

Der brillante Reihenvierzylindermotor fand 2009 noch weitere Verwendung: In dem Naked Bike S 1000 R wurde zwar die Höchstleistung auf 160 PS zugunsten eines höheren Drehmoments zurückgenommen, aber es reichte immer noch, dass das unverkleidete Motorrad sehr schnell unterwegs war. Die S 1000 R erfreute sich rasch großen Zuspruchs und verkaufte sich blendend. Ähnliches galt für den 2015 erschienenen Sporttourer S 1000 XR. Er übernahm den Motor aus der R, hatte jedoch längere Federwege und ermöglichte durch einen hohen Lenker eine aufrechte Sitzposition. Mit der Verkleidung und dem großen Windschild entpuppte sich die S 1000 XR als pfeilschnelle und dennoch komfortable Reisemaschine.

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… und Sechszylinder-Tourer

Reihensechszylindermotoren hatten sich in Autos von BMW seit 1933 einen exzellenten Ruf erarbeitet. 2011 folgte die K 1600 mit einem Sechszylinder, der auf dem Vierzylindermotor der K 1300 basierte. Die K 1600 GT und K 1600 GTL sollten im Tourersegment neue Maßstäbe setzen. Die sechs Zylinder des 1649-cm3-Motors lagen um 55 Grad nach vorne geneigt. Mit 160 PS und 175 Nm Drehmoment bot die K 1600 GT, trotz 332 kg Gewichts, souveräne Fahrleistungen und einen seidenweichen Motorlauf. Ihre Serienausstattung und Zubehörliste ließen keine Wünsche offen, eine größere Verbreitung verhinderte nur ihr erwartungsgemäß hoher Preis.

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2017 löste BMW seine Mittelklasse-Enduro F 800 GS nach zehn Jahren Bauzeit durch die F 850 GS ab. Sie wirkte schon rein optisch moderner und ihr wassergekühlter, 895 cm3 großer Reihenzweizylinder leistete 95 PS. Allerdings war sie mit 229 kg Gewicht auch deutlich schwerer geraten und rückte preislich näher an die große Boxer-GS. Entsprechend schleppend verkaufte sich die F 850 GS, schon besser lief es für die günstigere F 750 GS. Drei Jahre später fand der Motor mit etwas mehr Hubraum (895 cm3) und Leistung (105 PS) seinen Weg in das Naked Bike F 900 R und den Sporttourer F 900 XR.

Im Zuge der Retro-Welle besann sich BMW auf seine Wurzeln und präsentierte 2014 die R nineT, die Stilelemente der R 51 zitierte. Obwohl der 1170-cm3-Boxer mit 110 PS weniger Leistung als die anderen R-Modelle (125 PS) bot, war das erste Baujahr sofort ausverkauft. Das Design der R nineT besann sich auf das Wesentliche, zeigte viele Kurven, Drahtspeichenräder und einen nostalgischen Rundscheinwerfer. Auffallend war der Verzicht auf die Telelever-Aufhängung zugunsten der Upside-down-Gabel des Superbikes S 1000 RR. BMW bot reichlich Möglichkeiten zur Individualisierung, was bei den Käufern genau ins Schwarze traf. Die R nineT gab es in den folgenden Jahren in vielen Variationen, vom Sportler mit Halbschalenverkleidungen bis hin zur Reinkarnation der R 80 G/S, und verkaufte sich blendend.

Die GS bleibt die stärkste Säule

2019 trat die R 1250 GS ein schweres Erbe an. Seit 1980 hatte BMW über 700.000 GS-Modelle verkauft und war damit die erfolgreichste Baureihe der Marke geworden. Optisch unterschied sich die R 1250 GS kaum von ihrer Vorgängerin, dafür hatte sich im Inneren viel getan: Der Motor verfügte jetzt neben etwas mehr Hubraum (1254 cm3) und eine variable Steuerung der Einlassventile, das sogenannte ShiftCam. Der Boxer brachte es nicht nur auf eine Höchstleistung von 136 PS, sondern auch über mehr Drehmoment über einen weiteren Drehzahlbereich. Die Lenkgeometrie wurde nur leicht überarbeitet und die umfassenden elektronischen Assistenzsysteme sorgten für noch mehr Sicherheit und Komfort. Auch die R 1250 GS setzte sich 2019 sofort wieder an die Spitze der meistverkauften Motorräder in Europa.

Ein Jahr später positionierte BMW sich in der Mittelklasse neu mit der F 900 R. Ihr Reihenzweizylinder war auf 895 cm3 gewachsen und leistete 105 PS. Rahmen und Fahrwerk basierten auf der im Vorjahr auf den Markt gekommenen Enduro F 850 GS und waren den Anforderungen angepasst worden. Mit 211 kg war sie im Vergleich zur Konkurrenz kein ausgesprochenes Leichtgewicht, aber bot sie mit umfangreicher Serienausstattung für unter 9000 Euro an, was viele Interessenten zum Kauf veranlasste. Ihr zur Seite stellte BMW den Sporttourer F 900 XR mit längeren Federwegen, größerem Tank und einer Halbschalenverkleidung, der allerdings deutlich teurer wurde.

2021 ging BMW wortwörtlich in die Vollen und präsentierte die R 18 mit dem größten Boxermotor in der Firmengeschichte: 1802 cm3 Hubraum. Der Koloss wog 345 kg, schob aber mit 158 Nm Drehmoment mächtig an. Der Cruiser zielte natürlich vor allem auf den amerikanischen Markt ab, sorgte aber weltweit für Aufsehen. Eine Reminiszenz an die R 5 von 1936 war die offen laufende Antriebswelle. BMW hüllte die R 18 ganz in Schwarz und Chrom, der tropfenförmige Tank, die Sitzkuhle und die langen Fischschwanz-Auspuffrohre sollten nostalgische Assoziationen wecken.

(fpi)

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