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Hinreißend, aber nur selten mitreißend - Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4

Das Cuore Sportivo, der Motor als sportliches Herz, gehört zu Alfa Romeo wie Emotionen der besonderen Art. Im Kompakt-SUV Tonale debütiert nun der erste Stecker-Hybrid der Marke – mit Allradantrieb und 280 PS Systemleistung. Klingt nicht schlecht. Und wie fährt sich das Top-Modell der neuesten Alfa-Baureihe?

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Hinreißend, aber nur selten mitreißend – Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4

Mit 130 oder 150 PS aus einem 1,5-Liter-Turbo dosierte der neue Alfa-SUV Tonale die Motorleistung bisher eher sparsam. Erschwerend kommt hinzu, dass selbst der starke Mild-Hybrid auf ersten Kennenlernfahrten in Sachen Leistungsentfaltung keinen sonderlich harmonischen Eindruck machte.

Doch nun krönt der erste Stecker-Hybrid der Marke die Tonale-Baureihe. Die ist technisch eng verwandt mit dem Jeep Compass, was das fließende, nicht aggressive Design im Stil des Hauses aber komplett kaschiert. Hinreißender als der – Stichwort innere Werte – in Sachen Assistenz und Konnektivität gut ausgestattete Tonale mit den optionalen 20-Zöllern sieht kein SUV der Klasse um 4,50 Meter aus.

Elektrisch bis 135 km/h und 80 Kilometer weit

Hauptsächlich kommen die versprochenen 280 System-PS von einem 1,3-Liter-Vierzylinder-Turbo vorn, der es wie im Jeep Compass 4xe Trailhawk auf 180 PS und 250 Newtonmeter bringt. Alfa Romeo gestattet ihm, nach dem Kaltstart ein dumpfes Brabbeln aus den zwei dicken Endrohren, als habe er mindestens zwei Liter Hubraum – Emozioni, capisci? Ähnlich bassig ist er auch zu hören, wenn er im hybridischen Betrieb bei niedriger Drehzahl kurzzeitig mithilft, die Fuhre in Schwung zu halten oder leicht zu beschleunigen. Zusätzliche Power steuert ein gegenüber dem Compass auf 90 kW (122 PS) erstarkter Elektromotor mit 250 Newtonmetern an der Hinterachse bei. Der Top-Tonale ist also ein Allradler, was ihm den traditionsreichen Namenszusatz Q4 einträgt. Zwischen Verbrenner und Hinterachse, da, wo beim 4×4 normalerweise in der Mitte der Bodengruppe die Kardanwelle verläuft, sitzt beim Stecker-Tonale wie beim Jeep der Hochvolt-Akku. Er fasst 15,5 kWh (statt 11,4 beim Jeep), ist mit 125 Kilogramm 20 Kilo leichter als der des US-Kollegen.

Den Füllstand des Akkus kann der Fahrer per Tastendruck einfrieren, um zum Beispiel volle Reichweite für die lokal emissionsfreie Fahrt in rigiden Umweltzonen zu haben. Oder er kann den Akku während der Fahrt laden, wozu vorn ein 33 kW starker Elektromotor zuständig ist. Die rein elektrische Reichweite soll laut WLTP über 60 Kilometern betragen, für den Stadtverkehr verspricht Alfa über 80 Kilometer. Leise und ausreichend flott beschleunigt der Tonale im rein elektrischen Fahr-Modus A auf bis zu 135 km/h, bei Kickdown-Befehlen schaltet sich der Verbrenner helfend zu (was nicht immer ohne leichtes Ruckeln geschieht). An der Steckdose lädt der Tonale mit 3,7 oder 7,4 kW über den eigenen Bordlader. Das ist der bei Plug-in-Hybriden übliche Ladestrom, der eine Vollladung in 2,5 oder fünf Stunden ermöglichen soll.

Schöner Drehschalter für drei Fahr-Modi

Die drei Fahr-Modi wählt der Fahrer am schön gearbeiteten Drehregler in der Mittelkonsole. Hier lässt sich per Knopfdruck auch die Kennlinie der (nicht bei jeder Ausstattung serienmäßigen) Verstell-Stoßdämpfer wählen. Den Modus N wie Natural empfiehlt Alfa Romeo für alle Tage. Er wirkt sehr, wirklich ausgesprochen Effizienz-fokussiert, denn er lässt den Top-Tonale eher behäbig auf Gasbefehle reagieren und die Sechsgang-Wandlerautomatik früh hoch- und spät zurückschalten. Alfa-like und nach 280 PS fühlt sich der Tonale so nicht, dem Verbrauch tut diese Programmierung aber sicherlich gut.

Leben in die Bude kommt beim Switch auf Dynamic. Nun reißt sich der Tonale erkennbar zusammen und besinnt sich auf seine Abstammung. Ja, ein kleines Turboloch ist hin und wieder spürbar, doch die Elektro-Power kaschiert das ganz manierlich. Bei mittleren Drehzahlen steht der kleine Verbrenner richtig stämmig im Saft, ebnet auch grimmige Steigungen ein, hängt wach am Gas und zeigt im Weiteren fröhliche Drehfreude. Da sind sie, die Alfa-Momente, die für viele Alfisti wichtiger sind als das Vorhandensein aller versprochenen Pferde.

Spitze bei 206 km/h abgeregelt

Gefühlt sind sie das nicht ganz, auch im sportiven D-Modus nicht. Doch Anfang nächsten Jahres werden unsere Messungen ja zeigen, ob die versprochene Beschleunigung von 6,2 Sekunden auf 100 km/h tatsächlich übertrieben ist. Dass der Tonale die versprochene Spitze erreicht, bezweifeln wir dagegen keine Sekunde: Die ist nämlich bei 206 km/h gedrosselt und liegt damit sogar um sechs km/h unter den Werksangaben für den 160 PS-Tonale. Nicht nur in der Wolle gefärbte Alfisti hätten sich wohl mehr erwartet. Schließlich darf der Opel Grandland Plug-in-Hybrid4 aus demselben Konzern 235 km/h laufen – da geht es doch irgendwie an die Markenehre, oder? Doch für sie gibt es einen Lichtstreif am Horizont – dazu mehr am Ende des Textes.

Die Agilität der Fronttriebler-Brüder erreicht der mit gut 1,9 Tonnen Leergewicht etwas adipöse Allrad-Plug-in wohl eher nicht. Auf kurvigen Straßen zeigt er sich unabhängig davon aber als kurvenfreudiger Kumpel, der spontan auf Lenkbewegungen reagiert und sich frühes Untersteuern verkneift. Hilfreich ist da sicher die nahezu ausgewogene Gewichtsverteilung von 53% zu 47% (Vorder-/Hinterachse). Wie bei den Fronttrieblern ist die Lenkung aber betont leichtgängig ausgelegt für minimale Bedienkräfte im Stadtverkehr und spart dafür an Feedback.

Geschmackvolle Einrichtung

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Plug-in-Hybrid sich in vielen Belangen nicht von den übrigen Tonale unterscheidet. So ist die Bedienung, bei der wir richtige Tasten für die Klimatisierung und die Lautstärkeregelung der Soundanlage loben wollen, unverändert. Der Touchscreen in Armaturenbrettmitte ist nicht zu groß geraten und verfügt über Direktwahl-Tastfelder am oberen Rand – etwas fummelig sind die schon. Auch dürfte er gern etwas zuverlässiger auf den ersten Druck reagieren; an seiner Auflösung gibt es allerdings nichts zu meckern. Das Platzangebot vorn ist rundum gut, hinten gibt es für betont groß gewachsene Mitfahrer allerdings etwas zu wenig Kopffreiheit. Wegen des Allradantriebs schrumpfte der Tank gegenüber den Standard-Modellen aber auf 42,5 Liter (die noch immer für über 600 Kilometer Gesamtreichweite reichen sollen), und der Kofferraum verlor 115 Liter und fasst nur noch 385 Liter. Die Variabilität entspricht mit asymmetrisch geteilten Rücksitzlehnen samt Durchreiche gutem Durchschnitt. Ein ebener Ladeboden entsteht beim Klappen allerdings nicht.

Beim Preis sieht Alfa keinen Grund zu Bescheidenheit. Mit 51.000 Euro geht es mit der Edizione Speciale zum Verkaufsstart los, für den TI, das günstigere der Serienmodelle, berechnet Alfa Romeo 52.900 Euro. Der gefahrene Veloce, das sportlich orientierte Spitzenmodell mit schönen Sportsitzen, startet bei 54.500 Euro.

Fünf Jahre Garantie – und ein Quadrifoglio?

Dass Alfa Romeo Vertrauen in die doch komplexe Technik seines ersten Plug-in-Hybrids hat, zeigen fünf Jahre Garantie – die übrigen Tonale kommen mit vier Jahren. War noch was? Ach ja, die weiter oben schon angesprochene Sache mit der Leistung. Mit 280 System-PS spielt der Tonale Plug-in-Hybrid ja nicht gerade an der Spitze seines Segmentes, wie es etwa der größere SUV Stelvio Quadrifoglio mit 510 PS tut. Kann das so bleiben? Soll das so bleiben? Alfa-Offizielle antworten auf entsprechende Fragen ausweichend, aber dennoch verheißungsvoll. Den Tonale gebe es für bestimmte Märkte auch mit dem Zweiliter-Turbo, der im Stelvio und in der Giulia 200 oder 280 PS leistet. Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt mit an die 400 System-PS in einem denkbaren Quadrifoglio Plug-in-Hybrid.

Beschlossen ist dagegen schon, dass 2024 ein Alfa Romeo SUV unterhalb des Tonale kommen soll, das nicht nur mild hybridisiert ist, sondern als erster Alfa Romeo auch rein elektrisch fahren wird. 2027 dann will Alfa Romeo eine reine Elektro-Marke sein und keinen Neuwagen mit Verbrenner mehr verkaufen. Der Tonale hat also nur rund fünf Jahre, um sich in die Herzen der Fans zu fahren und Kunden von anderen Marken abzuwerben.

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