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Dunkles Kapitel: Die "Hochzeit im Himmel" von Mercedes und Chrysler

Dunkles Kapitel: Die “Hochzeit im Himmel” von Mercedes und Chrysler

Alles lief zunächst nach Plan. Mercedes hatte Anfang Mai nach Apulien geladen, um die europäischen Fachmedien in der Umgebung von Lecce erstmals das neue CLK-Cabriolet fahren zu lassen. Frühsommerliche Temperaturen und leere Küstenstraßen lieferten die erhofften Bedingungen, um das zwischen C- und E-Klasse positionierte Modell ins rechte Licht rücken zu können.

Für den Abend waren die technische Präsentation und ein Dinner im exklusiven Rahmen des barocken Theaters von Lecce vorgesehen.

Erste Irritationen kamen auf, als verkündet wurde, dass der Abend diesmal ohne Beteiligung eines Vorstandes und des sonst so umtriebigen Mercedes-PR-Chefs sattfinden werde. Die Herren seien in Stuttgart unabkömmlich, näheres dazu werde man bei der Pressekonferenz erfahren.

Dort wurde dann in gedrechselten Worten wiedergegeben, was knapp zuvor an diesem Tag Daimler Vorstandsvorsitzender Jürgen Schrempp und Chrysler-CEO Bob Eaton bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in London der staunenden Weltöffentlichkeit verkündet hatten. Die beiden Unternehmen würden sich unter dem Namen DaimlerChrysler zusammenschließen. Und zwar nicht etwa durch eine Übernahme des einen durch das andere. Vielmehr sei es eine „Fusion unter Gleichen“ (Merger of Equals), wie es Bob Eaton formulierte. Und Jürgen Schrempp sprach gar von einer „Hochzeit im Himmel“.

Die Stimmung unter den Mercedes-Mitarbeitern im prächtigen Barockbau in Lecce war nach der Verkündigung dieses gleichermaßen unerwarteten wie weitreichenden Deals zunächst von beredter Sprachlosigkeit dominiert. Die PR-Truppe war zuvor noch mit ersten Worthülsen aus Stuttgart versorgt worden, mit denen man die zu erwartende Fragenlawine der Fachjournalisten in halbwegs geregelte Bahnen zu lenken versuchte.

Je später und informeller der Abend wurde, desto stärker zeigte sich vor allem bei den anwesenden Technikern und Fahrzeugentwicklern eine solide untermauerte Skepsis über die möglichen praktischen Folgen des Deals der Konzernlenker. Als stolzer Ingenieur, der „beim Daimler schafft“, hatte man von den Modellen sämtlicher US-Marken keine gute Meinung. Wie das funktionieren würde, in Hinkunft die Ansprüche zweier so unterschiedlicher Produkt-Philosophien unter einen Hut bringen zu müssen, konnte sich keiner der Anwesenden so richtig vorstellen.

Wie die kurze Geschichte von DaimlerChrysler gezeigt hat, sind die Praktiker mit ihrem ersten Bauchgefühl nicht ganz so falsch gelegen.

Dass DaimlerChrysler nur 9 Jahre später unter Hinterlassung von substanziellen Kollateralschäden für Mercedes und Chrysler wieder aufgelöst werden musste hatte aber neben den kulturellen Unterschieden der beiden Ingenieur-Welten noch andere Gründe. Der gravierendste davon war wohl ein Geburtsfehler, der den Daimler-Lenkern zu spät aufgefallen war.

Chrysler-Boss Bob Eaton hatte den traditionell drittgrößten der US-Hersteller in den 90er-Jahren zum profitabelsten Autobauer gemacht. Mit mutigem Design und kreativem Marketing pushte er die Marken Chrysler, Jeep und Dodge nach oben. Dabei wurde die technische Weiterentwicklung zugunsten der Rendite sträflich (oder bewusst?) so sehr vernachlässigt, dass die Daimler-Leute nach dem Merger praktisch leere Produktpipelines vorfanden. Somit standen Dieter Zetsche und Wolfgang Bernhard als von Stuttgart entsandte Chrysler-Retter von Beginn an praktisch auf verlorenem Posten.

Notlösungen wie die Verwendung der ausrangierten Plattform des Mercedes SLK für den Chrysler Crossfire sind automobilhistorische Zeugen des wirtschaftlichen Desasters von DaimlerChrysler.

So zeigt sich 25 Jahre nach der Hochzeit im Himmel, dass die größte Leistung der beiden Kuppler Jürgen Schrempp und Bob Eaton wohl nur in einem Punkt bestand hat. Dass sie die Verhandlungen über den „Merger of Equals“, die von Jänner bis Mai gedauert hatten, vor den eigenen Leuten so geheim halten konnten, dass an jenem 7. Mai 1998 auch die Mercedes-Truppe in Lecce vollkommen überrumpelt wirkte.

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