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Mercedes G 580 mit EQ-Technologie

Mercedes elektrisiert die G-Klasse und nennt das Ergebnis nicht EQG, sondern "G 580 mit EQ-Technologie". Der Elektro-Saurier kann einiges besser als der Verbrenner!


Von wegen Dinosaurier! Zwar wirkt der Mercedes-Außenposten in Graz wie der Jurassic Park der PS-Branche. Schließlich bauen sie hier ein Auto, das sich in fast einem halben Jahrhundert zumindest dem Wesen nach kaum verändert hat und vielen als Saurier unter den SUV gilt.Doch nur weil die G-Klasse noch immer fast genauso aussieht wie beim Debüt vor 45 Jahren (und über 500.000 Exemplaren) und weil sie den Vierkant als “stronger than time” rühmen, ist die Baureihe nicht immun gegen den Zeitgeist. Deshalb ist sie vom hartgesottenen Armee-Arbeiter längst zum Lifestyle-Objekt und zum meistverkauften Modell in der AMG-Palette geworden.Und jetzt proben sie in Graz gar vollends die Quadratur des Kreises – oder in diesem Fall wohl besser: die Kreisatur des Quadrats – und machen die G-Klasse auch noch zum Elektroauto. Als “G 580 mit EQ-Technologie”, so der offizielle Name, weil sich die G-Klasse selbst über die Nomenklatur von EQE und EQS hinwegsetzen kann, will der Methusalem im Mercedes-Programm für Schätzpreise knapp unter 200.000 Euro vom Herbst 2024 an beweisen, dass auch Saurier mit dem Strom gehen können und nicht zum Aussterben verdammt sind.mercedes g 580 mit eq-technologie

Egal ob Batterie oder Benzintank – eine G-Klasse wäre keine G-Klasse, wenn die Kunden dabei Kompromisse machen müssten.

Bild: Mercedes-Benz Group AGUnd egal ob Batterie oder Benzintank – eine G-Klasse wäre keine G-Klasse, wenn die Kunden dabei Kompromisse machen müssten, erhöht Baureihenchef Emmerich Schiller die Spannung und verspricht: Auch mit Akku-Antrieb werde der Geländewagen genauso gut fahren wie mit einem Achtzylinder. “Oder vielleicht sogar besser.”Dafür hat sich Schiller einmal mehr über die Familienplanung aus Stuttgart hinweggesetzt. Ja, das kürzlich für alle Modellvarianten vorgestellte Interieur mit den großen, integrierten Bildschirmen und dem neuesten Stand von MBUX riecht nach Großserie, und die Batterien mit stattlichen 116 kWh Kapazität stammen aus dem EQS – selbst wenn sie hier wegen kurzen Radstands halbiert und im Doppelpack installiert wurden wie bei einem Sandwich.

Mercedes G 580: Jedem Rad wurde ein Motor spendiert

Doch anders als die übrigen EQ-Modelle nutzt der elektrische G nicht einfach eine bestehende Skateboard-Plattform. Stattdessen bekommt er eine maßgeschneiderte Elektro-Architektur, die im unverzichtbaren Leiterrahmen integriert ist. Weil eine G-Klasse ohne Sperren keine G-Klasse ist, haben die Ingenieure dieses Konzept in die E-Zeit übertragen und jedem Rad einen eigenen, individuell zu steuernden Motor spendiert und dafür – eine weitere Unumgänglichkeit beim G – eine neue Starrachse ins Heck geschraubt.mercedes g 580 mit eq-technologie

Der G 580 mit EQ-Technologie kommt auf 460 Kilometer Normreichweite.

Bild: Mercedes-Benz Group AGUnd weil sich E-Motoren bei niedrigen Drehzahlen nicht so richtig wohlfühlen, hat Schillers Truppe ein Untersetzungs- oder in diesem Fall besser Übersetzungsgetriebe für niedrige Geschwindigkeiten eingebaut. So drehen die Motoren im Kriechgang höher, erhitzen sich langsamer und können zudem mehr rekuperieren. Kein Wunder also, dass sich die Berg- und Talfahrt am Fuß des legendären Hausbergs Schöckl kaum auf die Reichweite des Prototyps auswirkt und nach Stunden im Schmutz noch keine 20 Prozentpunkte des Akkustands fehlen.

G 580 mit EQ-Technologie soll 460 km Normreichweite schaffen

Auf 460 Kilometer Normreichweite kommt der G damit, verspricht Chefingenieur Fabian Schossau und hat dafür sogar – Sakrileg! – ein wenig am Design gefeilt. Allerdings dankenswerterweise so, dass man es fast nicht sieht. Denn abgesehen vom albernen LED-Grill, den man – Gott sei Dank – auch abbestellen kann, hat er nur ein wenig die Motorhaube angestellt, als hätte AMG die Finger in Spiel gehabt, und ein paar Schlitze in die Radläufe geschnitten, durch die sich die Luft ein wenig effizienter um die 22-Zöller legt.Das bringt zwar im Windkanal ein paar Punkte an der zweiten Stelle hinter dem Komma. Aber keine Sorge: Neben Autos wie dem EQS SUV mit einer ganz ähnlichen Normreichweite sieht die G-Klasse noch immer aus wie ein frischer Block Kernseife neben einem abgegriffenen Stück Hotelkosmetik.Und wenn man erlebt, mit welcher Urgewalt sich die gut und gerne drei Tonnen Stahl und Lithium-Ionen beim Kickdown dem Horizont entgegenschleudern, dann sollte AMG-Kunden Angst und Bange werden. Nicht umsonst summieren sich die Eckdaten der vier Motoren auf knapp 590 PS und beinahe 1200 Nm Drehmoment. Ganz ohne Spektakel stiehlt der G 580 dem G 63 deshalb die Schau, sprintet in deutlich unter fünf Sekunden auf Tempo 100 und hält beim Kickdown immerhin bis 180 Sachen mit. Und wer zumindest sein eigenes Wort noch verstehen will, der fährt in einer G-Klasse ohnehin nicht schneller.

Elektrische G-Klasse rollt im Creepmode durchs Abenteuer

Aber Zahlen vermögen ohnehin kaum auszudrücken, was man mit dem elektrischen G erleben kann. Erst recht nicht im Gelände. Denn vollkommen mühelos und wie von Zauberhand klettert der Koloss über Stock und Stein und wuchtet sich Steigungen hinauf, bei denen selbst Reinhold Messner die Puste ausgehen würde. Nur, um sich gleich danach – gebremst alleine von der Rekuperationsleistung der E-Maschinen – wieder Hänge hinunterzustürzen, an denen der König der Achttausender zu Seil und Haken greifen würde.mercedes g 580 mit eq-technologie

Die geometrischen Offroad-Eigenschaften sind nicht schlechter als bei jeder anderen G-Variante.

Bild: Mercedes-Benz Group AGJa, das alles kann die Verbrenner-G-Klasse auch. Aber wo die dafür weithin hörbar arbeiten muss, laut aufbrüllt und bisweilen bis in die Grundfesten ihres Leiterrahmens zu vibrieren beginnt, zelebriert der G 580 mit EQ-Technologie den Kraftakt ganz unaufgeregt und ohne Vorwarnung und nimmt dem Fahrer dabei auch noch das letzte bisschen Arbeit und Entscheidungsbedarf ab.Denn wer sich unsicher ist im Gelände, der aktiviert einfach den “Creepmode” und rollt wie mit einem Tempomat im Kriechgang durchs Abenteuer. Dass die Amerikaner das als “creepy” deuten, ist zwar nicht beabsichtigt, passt aber dafür umso besser. Denn es ist wahrlich “beängstigend”, was der elektrische G alles bewältigt.Trotzdem noch ein paar harte Fakten gefällig? Die geometrischen Offroad-Eigenschaften seien nicht schlechter als bei jeder anderen Variante, verspricht Jurassic-Park-Chef Schiller. Schließlich ist das G im Typenkürzel den Entwicklern eine heilige Verpflichtung. Deshalb hat die elektrische G-Klasse ähnliche Böschungs- und Rampenwinkel und kann sogar 15 Zentimeter tiefer waten, weil jetzt erst bei 850 Millimeter Wasserstand feuchte Füße zu befürchten sind.Und als Schiller beim Kiesgruben-Ballett mit aller Wucht auf einen riesigen Stein stürzt, verzieht der Chef keine Miene – obwohl die Batterien im Bauch stoßempfindlich sind und solche Aktionen bei den allermeisten anderen E-Autos buchstäblich brandgefährlich. Doch trägt die G-Klasse wie eine Schildkröte einen Panzer am Bauch, der aus bald vier Zentimeter dickem Karbon gebacken ist.Neben der Wattiefe gibt es noch eine Disziplin, in der die elektrische G-Klasse der normalen überlegen ist: Weil der Akku den Schwerpunkt senkt, kann sich der elektrifizierte Saurier noch zehn Grad weiter zur Seite lehnen, sagt Schiller, steuert längs über eine Rampe und geht auf Kuschelkurs. Bei bald 40 Grad garantieren jetzt nur noch die straffen Gurte eine sittliche Distanz und verhindern, dass der Sozius dem Fahrer auf den Schoss rutscht.

Mercedes G 580: Elektro-G wird zum Karussell

Und wenn man denkt, jetzt hat man alles erlebt, was man mit einem elektrischen Geländewagen erleben kann, dann hält Schiller noch einmal an, drückt dort, wo sonst die Sperren aktiviert werden, einen silbernen Taster, zieht an der Wippe am Lenkrad, startet den “G-Turn” und macht den G 580 zum Karussell für ganz große Kinder: Ohne Lenkeinschlag und nur mit der Kraft der gegenläufig drehenden Reifen macht die G-Klasse eine Panzerkehre und kreiselt auf der Stelle, während draußen der Schotter spritzt und eine Staubwolke aufsteigt.mercedes g 580 mit eq-technologie

“Neben Autos wie dem EQS SUV mit einer ganz ähnlichen Normreichweite sieht die G-Klasse noch immer aus wie ein frischer Block Kernseife neben einem abgegriffenen Stück Hotelkosmetik”, findet AUTO BILD-Autor Thomas Geiger.

Bild: Mercedes-Benz Group AGIm Alltag völlig sinnlos, aber spektakulär – und nicht nur für Instagram oder TikTok ein Fest, sondern auch für Conti & Co. Denn wer das nicht auf Sand oder Schnee macht, sondern auf der Straße, der brennt die größten Donuts auf den Asphalt und kann die fetten Schlappen für die 22-Zöller gleich im Abo ordern.Im Gelände besser als je zuvor und dabei noch leichter zu handhaben, politisch, nun ja, nicht mehr ganz so inkorrekt und mit Funktionen wie dem G-Turn der absolute Showstar auf dem Kiez und in der Kiesgrube: Zwar wird die G-Klasse mit Akku-Antrieb zum ultimativen E-SUV und hat das Zeug für die nächsten 500.000 Exemplare. Doch ist sie deshalb nicht notgedrungen nur ein weiteres Elektroauto in der Reihe von EQE und EQS.Schillers Team legt Wert darauf, dass der G ein G bleibt, und hat das bis in die Nomenklatur durchgesetzt. Wo selbst eine S-Klasse auf dem Weg in die Zukunft ihren Namen einbüßen und zum EQS werden musste, bleiben der G-Klasse Albernheiten wie “EQG” erspart – und am Heckdeckel steht einfach nur G 580.

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