Die italienische Autoindustrie hat viel von ihrem Glanz verloren – doch die Marke Lamborghini zieht immer noch. Seongjoon Cho / Bloomberg
Italiens Autoindustrie geht es schlecht. Künftige Modelle der zum französisch dominierten Stellantis-Konzern gehörenden Marken Fiat, Alfa Romeo und Lancia werden in Polen, Marokko, Spanien oder Serbien gebaut – nicht in Italien. Das Werk in Turin Grugliasco wurde Ende 2023 geschlossen, und die Produktion in der legendären Fabrik Mirafiori sank im ersten Quartal auf nur noch 12 000 Autos.
Nur Ferrari und Lamborghini sind erfolgreich
Seit vielen Jahren sinkt die Autoproduktion in Italien. Ausser den italienischen Stellantis-Marken fertigen nur die (sehr erfolgreichen) Nischenanbieter Ferrari und die Audi-Tochter Lamborghini im Land. Viele Lieferanten beliefern vor allem die italienischen Stellantis-Werke. Auch ihre Produktion geht deshalb zurück.
Es gibt positive Beispiele wie den Reifenhersteller Pirelli und den Bremsenproduzenten Brembo. Diese Vorzeigeunternehmen setzen auf Qualität, Innovationen und die Oberklasse. Sie sind exportstark und zählen Hersteller auf der ganzen Welt zu ihren Kunden.
Doch viele der 2167 Unternehmen mit 166 000 Beschäftigten, die zumeist in Norditalien sitzen, sind klein und stark auf den Verbrennermotor fixiert. Der Brembo-Verwaltungsratspräsident Matteo Tiraboschi glaubt, dass etliche von ihnen den Wandel nicht schaffen werden. Er warnt davor, auf einen Aufschub bei der Transformation der Branche zu hoffen.
Angesichts der ungenügenden Produktivität in den italienischen Werken drohte der Stellantis-Chef Carlos Tavares sogar schon mit dem Ende auch der Werke in Turin Mirafiori und im süditalienischen Pomigliano.
Tavares beklagt, dass Rom zwar wiederholt Kaufanreize für Elektroautos angekündigt habe, aber die Umsetzung zu lang dauere. «So verpassen wir die Chance, mehr Elektroautos in Italien zu produzieren.» Ministerpräsidentin Meloni reagiert trotzig: Sie forderte eine Beteiligung Roms an Stellantis. Und Rom versucht, das Aus für den Verbrennermotor in Europa 2035 möglichst hinauszuzögern.
Exporte nach Deutschland ausgebaut
Der Brembo-Manager Tiraboschi kritisiert, dass «eine echte Industriepolitik mit Investitionen in strategische Sektoren» fehle. «Es mangelt vor allem an Ladesäulen. Die Regierung muss beim Aufbau einer Infrastruktur helfen», findet er.
In einer gemeinsamen Studie von Arbeitgebern und Gewerkschaften heisst es, man müsse Zusammenschlüsse fördern und die Unternehmen professionalisieren. Die Branche habe grosses Potenzial, leide aber darunter, zu klein und fragmentiert zu sein.
Federico Magno, Geschäftsführer bei der Managementberatung Porsche Consulting, ist durchaus zuversichtlich, dass dies gelingt. «Es geht darum, die Stärken wie Kostenvorteile, Flexibilität und Schnelligkeit der italienischen Zulieferer zu bewahren und gleichzeitig die Chancen von Automatisierung, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz zu nutzen, um Teil der Wertschöpfungskette zu werden.»
Seiner Ansicht nach bieten sich auch Partnerschaften mit Unternehmen aus anderen Sektoren sowie eine engere Zusammenarbeit mit Top-Universitäten in Italien und im Ausland an. In der «Bildung von Konsortien zum Aufbau neuer Technologien» sieht er grosse Potenziale. «Nicht neue Subventionen, sondern erweiterte und beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten wie vor acht Jahren unter der Regierung Renzi schaffen die Voraussetzungen für Investitionen.»
Der Berater Magno ruft die Autozulieferer dazu auf, ihr Management zu professionalisieren, etwa durch die Hereinnahme von Private-Equity-Investoren. «Die Integration italienischer Firmen in die deutsche Wertschöpfungskette ist von entscheidender Bedeutung. Viele Zulieferer in Italien haben erkannt, wie wichtig es ist, schon in der Phase der Produktentwicklung der deutschen Produzenten dabei zu sein. Wer das versteht, kann da andocken und auch künftig Teil des Produktionsnetzwerkes sein.»
Immerhin, erste Erfolgszeichen gibt es. Gemäss den neuesten Zahlen der Deutsch-Italienischen Handelskammer hat die italienische Automobilbranche ihre Ausfuhren nach Deutschland 2023 gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent auf 10 Milliarden Euro gesteigert.