Automesse in Penking: Noch ist das Autoland China in Feierlaune
Noch aber ist das Autoland China in Feierlaune. Die Elektromobilität wird vom Staat unverändert gefördert, die Zahl der Ladesäulen soll bis 2028 von 1,09 auf 1,47 Millionen wachsen, das Angebot an bezahlbaren Stromern nimmt stetig zu – das günstigste Modell im Format der japanischen Kei-Cars steht umgerechnet mit knapp 5000 Euro in der Liste. Vier der zehn im vergangenen Jahr meistverkauften E-Autos kosten unter 10.000 Euro, drei weitere weniger als 20.000 Euro. Weil an den Billigprodukten trotz niedriger Lohnkosten und günstiger Rohstoffe nicht genug zu verdienen ist, drängen die Chinesen mit Macht in die Mittel- und Oberklasse – oft mit neuen Marken ohne Historie und Image, aber dafür mit innovativer Technik und mutigen Konzepten wie dem über 1000 PS starken U6 Supercar von Yangwang (gehört zu BYD), dem fast sechs Meter langen und 650.000 Euro teuren Hongqi L5 (gehört zu FAW) oder dem 410 km/h schnellen MG EXE 181 Hypercar (gehört zu Saic).
Bei der Batterieentwicklung wollen die Chinesen ihren noch relativ knappen Vorsprung zügig ausbauen. In Peking zeigte Nio seinen neuen, 150 kW starken WeLion-Akku, dessen Energieinhalt von 360 Wh/kg Schlagzeilen schrieb – bis ein kaum bekanntes Start-up namens Talent New Energy mit der ersten Feststoffzelle auftrumpfte. Das Lithium-Metall-Kraftpaket will die Energiedichte auf 780 Wh/kg glatt verdoppelt haben und wirbt mit einer bis dato utopischen Reichweite von bis zu 2000 Kilometer.
Während YangWang sein Angebot zunächst in China um zwei Luxusmodelle (U7 als SUV und Limousine) im S-Klasse Segment erweitern will, startet BYD mit der Denza-Palette zeitnah auf breiter Front auch in Europa durch. In Genf stand bereits der schmucke D9 Maxivan, in Peking folgt jetzt mit dem Z9 GT ein sportlich-eleganter Shooting Brake, dessen Proportionen dem Porsche Taycan und Panamera Sport Turismo verblüffend ähnlich sehen. Insgesamt sind fünf Baureihen mit den Anfangsbuchstaben D, E, N, Z und A vorgesehen, wobei jedes Modell mit Ausnahme des N7 Mitteklasse-SUV auch als Plug-in Hybrid angeboten werden soll. Demnächst startklar ist wohl auch die zweite Generation der BYD Blade Batterie, die mit 190 Wh/kg zwar keine Effizienzrekorde, aber dafür deutliche Kostenvorteile in Aussicht stellt.
Fast alle neuen China-Autos glänzen mit Superlativen: noch mehr Reichweite, noch kürzere Ladezeiten, noch günstigere Preise. Doch das reicht den ehrgeizigen Asiaten nicht, denn Top-Funktionalität, hohe Leistung und immer größere Energiespeicher sind im Prinzip austauschbare Faktoren. Deshalb wollen sich die neuen Marken stärker durch emotionale Features und besondere Erlebnisse von den etablierten Anbietern unterscheiden – also durch Dinge, für die europäische Hersteller nur ungern Geld in die Hand nehmen. Der IM L6 kann deshalb nicht nur brav geradeaus oder um Ecken fahren, sondern sich auf Wunsch auch wie eine Krabbe diagonal vorwärtsbewegen und entsprechend schräg einparken. Nicht verrückt genug? Dann empfehlen wir eine Probefahrt im eingangs erwähnten YangWang U8 mit dem 13.000 Euro teuren Drohnenpaket.
Nur einen Bruchteil dieser Summe muss man für die allseits beliebte Karaoke-Funktion ausgeben, die im Stau die Wartezeit durch Mitsingen verkürzt. Ein besonderer Fall ist dagegen der von Great Wall für weibliche Kunden konzipierte Spezialsitz, der mit Hilfe verschiedener Massage- und Heizfunktionen die Regelschmerzen lindern soll. Nein, das ist kein Scherz, und es kommt sogar noch besser. Der Nio ET9 mit dem Clear Motion Aktivfahrwerk kann sich nämlich auf Knopfdruck im Winter den Schnee von der Karosserie schütteln, elegant über Stolperschwellen hinwegsteigen oder einfach nur schäfchenweich federn. Auch das ist typisch China, genauso wie die Avatare, die vor allem im Premium-Segment gut aufgelegt auf den Riesen-Bildschirmen hin- und her hüpfen, nie um einen Ratschlag verlegen, manchmal verbal oder grafisch leicht übergriffig, aber immer einen Software-Schritt voraus. Luxing yukuai – Gute Fahrt!