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Test Fiat 600e: Alles prima im „La Prima”?

Der Fiat 600e “La Prima” auf einen Blick*

  • Kompaktes E-Auto auf CMP-Basis
  • E-Antrieb mit 115 kW/156 PS und 260 Nm
  • WLTP-Reichweite bis zu 405 km
  • Design stand im Vordergrund
  • Nervöse Lenkung, gutes Fahrwerk
  • Grundpreis (RED) ab 32.990 Euro

*(Stromverbrauch kombiniert (WLTP): 15,2 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; CO2-Klasse: A)²

test fiat 600e: alles prima im „la prima”?

Solider Verbrauch, bei der Reichweite darf man aber keine Wunder erwarten

Henry Ford sagte einst: „Sie können einen Ford in jeder Farbe haben – Hauptsache er ist schwarz“. Bei Stellantis haben sie das Zitat des amerikanischen Automobilpioniers offenbar neu interpretiert. Dort lautet es seit einigen Jahren: „Sie können ein kompaktes Auto aus dem Stellantis-Verbund in allen Formen und Farben haben – Hauptsache es steht auf der CMP-Plattform“. Die Commun Modular Platform ist im Konzern zu einem elementaren Eckpfeiler des Erfolgs geworden und beherbergt technisch ähnlich aufgebaute Autos mit deutschen, französischen, amerikanischen aber auch italienischen Modellbezeichnungen. Unter anderem sitzt der hier getestete Fiat 600e auf ebendiesem CMP-Baukasten auf und ist damit eng verwandt unter anderem mit dem Jeep Avenger, aber auch mit dem in Kürze startenden Alfa Romeo Milano Junior.

Die grundlegenden Eckdaten dieser CMP-Produkts haften daher schon fest in einer Gehirnwindung des gemeinen Autobeschreibers an – bereit, in stets leicht abgewandelter Form abgerufen zu werden: Der 4,17 Meter lange Kompaktwagen im Gewandt eines SUV verfügt demnach über einen 115 kW/156 PS starken Elektromotor an der Vorderachse und wird gespeist durch eine netto 51 kWh große Lithium-Ionen-Batterie. Wunschvorstellung bei der Reichweite? Gemäß WLTP-Norm 405 Kilometer. An dieser Stelle will ich doch gleich mal einhaken. Denn bei einem Durchschnittsverbrauch gemäß Bordcomputer von knapp 18 kWh (mit hohem Autobahnanteil) auf 100 Kilometer erscheinen 280 bis 300 Kilometer, vollgeladen, doch deutlich realistischer. Abzüglich der üblichen 25 Prozent auf Langstrecken mit mehreren Ladestopps, bleibt eine effektive Autobahnreichweite von circa 210 Kilometer übrig. Da ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen: Wer den 600e maßgeblich im urbanen Umfeld nutzt, wird den Wagen wohl auch dauerhaft deutlich sparsamer bewegen können.

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Flottes Nachladen, nervöse Lenkung

Positiv zur Kenntnis genommen habe ich jedoch, dass die vom Hersteller angegebene DC-Ladeleistung von maximal 100 kW bis etwa 30 Prozent Akkustand gehalten wird. Danach und bis knapp 60 Prozent lädt der Fiat 600e immer noch mit gut 90 kW. Bis der Akku bei 80 Prozent angelangt ist, hat sich die Ladegeschwindigkeit derweil auf maximal 60 kW reduziert. Ladevorgänge von 10 auf 80 Prozent innert 30 Minuten sind, unter den richtigen Voraussetzungen, also durchaus machbar. Die Batterie selbst kann übrigens nicht vorkonditioniert werden, dafür verbaut Fiat serienmäßig eine effizienzfördernde Wärmepumpe.

Weiter geht es mit dem Fahreindruck. Und da hapert es besonders an der Lenkung. Man muss das Autofahren schon ziemlich egal finden, um an der Art, wie sich das Volant bedienen lässt, nichts auszusetzen zu haben. Aus der Mittellage heraus unpräzise, insgesamt sehr nervös sowie frei von Gewicht und Rückmeldung macht es keinen Unterschied in welchen Fahrmodus ich den Fiat 600e bewege – die Lenkung und ich finden bei diesem Auto nicht mehr zusammen. Dafür ist den Italienern etwas gelungen, an dem andere CMP-Produkte kranken: Das Stahlfahrwerk federt zwar straff, aber nicht unkomfortabel. Querfugen und herbe Löcher im Asphalt steckt der 600er deutlich besser weg als andere Stellantis-SUV. Das schwere und tief im Fahrzeugboden verbaute Batteriepack sorgt überdies dafür, dass der Wagen insgesamt satt auf der Fahrbahn liegt.

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Schön ja, aber nicht immer ganz wertig

Gleichermaßen satt schiebt die etwas über 1,5 Tonnen schwere Fuhre im Zweifel auch ins sichtbare Kurvenaus. Wer einen kurvengierigeren 600er haben will, muss noch bis zum Erscheinen des Abarth 600e (Fahrzeug steht noch nicht zum Verkauf) warten, oder die Tendenz zum Untersteuern akzeptieren. Der 156 PS starke Antrieb indes reicht für diese Art von Fahrzeug völlig aus. Er beschleunigt den Stromer in gut neun Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und ist gut für eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 150 km/h. Eben das, was man auf der Stadtautobahn maximal benötigt. Wünschenswert für den urbanen Verkehr wäre noch eine echte One-Pedal-Driving-Funktion. Zwar rekuperiert der 600er in der Fahrstufe “B” deutlicher, aber nicht so, dass man dauerhaft ohne mechanische Bremse auskommt.

Unabhängig von den Fahrqualitäten ist der Fiat 600e ein ziemlich adrettes Automobil geworden. Selbst die “Augenlieder” der LED-Scheinwerfer haben was für sich. Wer es nicht weiß, würde die enge Verwandtschaft zu Mokka, DS 3, Avenger, C3 und Co. wohl kaum sehen. Innen wurde der italienische Designanspruch mit anderen Mitteln fortgesetzt. Modern, aufs Wesentliche reduziert, aber leider nur mit einem Hauch von qualitativ wertigen Materialien versehen, ist das für ein Stadt- und Pendlerauto in der Preisklasse knapp unter 40.000 Euro schon etwas dürftig. Was man sich außerdem beim Kunstleder dachte, ist mir nicht ganz klar. Immerhin sparte sich Fiat die allumgreifende Werbeformulierung „vegan“. Aber auch so fühlt sich das Einsteigen ungut an. Mit dem Allerwertesten einfach „reinrutschen“ ist nicht möglich; zu innig ist die Verbindung zwischen Jeansstoff und Autositzbezug. Vernünftige Stoffsitze wären mir an dieser Stelle deutlich lieber – gibt es aber nur in der Ausstattungslinie „RED“ und nicht für den Top-Trimm „La Prima“.

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Leichte Bedienung, Hinterbänkler haben das Nachsehen

Vom Grundprinzip hätte der Fiat 600e auch ein brauchbares Infotainment-System zu bieten. Lange Reaktionszeiten und vollständige Abstürze verhinderten beim Testwagen aber ein prickelndes Nutzererlebnis. Dass die induktive Ladeschale unter der magnetisch-klappbaren Abdeckung der Mittelkonsole mein Apfeltelefon wiederholt nicht mit Strom versorgen wollte, passt da leider ins Bild. Dafür sind Apple CarPlay und Android Auto kabellos nutzbar und die serienmäßige Einzonen-Klimaanlage lässt sich überwiegend noch mit echten Schaltern bedienen.

Die Sitzposition vorne ist auch für Großgewachsene komfortabel bis luftig, wobei die Fußräume und die Fußablagestütze für den Fahrer doch eher für zierlichere Personen und kleinere Schuhgrößen als EU46 gedacht sind. In Reihe zwei endet dann erwartungsgemäß der Spaß für Erwachsene endgültig. Bei einer Wagenlänge von 4,17 Meter und einem Radstand von 2,56 Meter darf man kein Raumwunder erwarten und in Sachen Komfortoptionen gibt es einzig eine USB-C-Ladebuchse zu vermelden. Für Frischluft sorgen hinten lediglich die Seitenfenster, aber keine eigenen Luftausströmer. In den Kofferraum passen 360 Liter, bei umgelegter Rücksitzbank gehen auch bis zu 1.231 Liter hinter die Vordersitze. Einen Frunk gibt es übrigens nicht.

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Fazit

Der Fiat 600e richtet sich vor allem an eine designaffine Klientel, die mit dem Wagen selten längere Fahrten unternimmt. Zwar hält sich der Verbrauch in Grenzen und das Nachladen gelingt flott, die Batterie ist bauartbedingt aber nicht die größte. Das Fahrkapitel verhagelt dem italienischen Mini-SUV indes die zu leichtgängige, nervöse und rückmeldungslose Lenkung – die Kraftentfaltung des E-Antriebs und der Federungskomfort gehen aber in Ordnung. Der größte Knackpunkt ist jedoch der Preis: Für den Fiat 600e (RED) muss man mindestens 32.990 Euro aufwenden, die getestete Ausstattungslinie „La Prima“ kostet schon 38.990 Euro. Viel Geld für ein kleines Auto, dem es innen an Wertigkeit fehlt und das es mit gleicher Ausstattung für 10.000 Euro weniger auch als Mildhybrid zu kaufen gibt. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)

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