Chrysler

Das Chrysler Atlantic Concept hatte einen Reihen-Achtzylinder

Die 1995er Studie war schräg und wundervoll, schaffte es aber nie in die Serie.

das chrysler atlantic concept hatte einen reihen-achtzylinder

Name: Chrysler Atlantic
Debüt: Detroit Auto Show 1995
Motor: 4.0-Liter-Reihen-Achtzylinder
Leistung: 360 PS
Antriebsart: Hinterradantrieb

In den 1990er war die Chrysler Corporation das reinste Design-Powerhaus. Dodge Intrepid, Eagle Vision, Chrysler Concorde und LHS – alle bekamen Auszeichnungen für ihr aggressives Cab-Forward-Design. Gleiches galt für die geräumigen, aus heutiger Sicht wohl nicht mehr ganz so schicken Dodge und Plymouth Neon (in Deutschland als Chrysler Neon angeboten). Aber das Unternehmen erlangte auch durch seine abgefahrenen Show Cars mehr und mehr Bekanntheit. Das bekannteste aus dieser Zeit ist vermutlich der Chrysler Atlantic.

Die Studie debütierte auf der Detroit Auto Show 1995 und verzückte das Publikum mit seinem Retro-Styling und den kraftvollen Proportionen. Tom Tremont, einer der Designer des Atlantic, sagte 1995 in einer Episode von Top Gear, dass die Idee dazu 1993 entstand.

Der damalige Präsident des Unternehmens Bob Lutz und Design-Chef Tom Gale waren gerade von der Frankfurter IAA und dem Concours d’Elegance in Paris zurückgekehrt. Die sprichwörtliche Skizze auf der Serviette, die Lutz beim Heimflug angefertigt hatte wurde zum “Freifahrtschein für die Designer, ihre aufgestauten Emotionen hinsichtlich dieser romantischen Periode des Autodesigns rauszulassen”, sagte Tremont.

Handgemachte Kurven

Das finale Design kam von Bob Hubbach, der auch das Dodge Viper GTS Concept gezeichnet hat. Es zeigt deutlich diese Romantik und ein dramatisches Flair. Einflüsse kommen vom Bugatti Type 57SC Atlantic (der ganz offensichtlich auch den Namen inspirierte), dem 1947er Delahaye Saoutchik sowie dem 1937er Talbot-Lago T150SS “Teardrop”.

Die Räder in 21 Zoll vorne und 22 Zoll hinten sind absolut gewaltig für diese Ära. Ihr Scheiben-Design erinnert an den Bugatti Type 41 Royale. 

Eine scharfe Linie über Armaturenbrett und die gestreckte Mittelkonsole hinweg verbindet das Innere mit dem Außendesign. Uhr und Temperaturanzeige sind analog. Zusammen mit der Ausstattung in Beige und dunkelrot ergibt sich ein anspruchsvoller Art-Moderne-Look. Das Interieur sieht selbst nach nahezu 30 Jahren noch relativ modern aus, was definitiv nicht von vielen Showcars aus den 90ern behauptet werden kann.  

Er lief und fuhr sogar

Anders als viele heutige Studien, die außer einem winzigen E-Motor für die Fahrt auf und von der Bühne nicht viel in sich haben, war der Chrysler Atlantic tatsächlich auch zum Fahren gebaut worden. Basis des Autos ist eine modifizierte Dodge-Viper-Plattform. Unter der langen Haube sitzt tatsächlich ein 4,0-Liter-Reihenachtzylinder. Er besteht aus zwei 2,0-Liter-Vierzylinder-Motoren aus dem kompakten Dodge Neon, die quasi nacheinander zusammengesteckt wurden. 

Die acht Zylinder in Reihe sind eine weitere Reminiszenz an den Luxus der 1930er-Jahre. Die Leistung von 360 PS kann sich – gerade für damalige Verhältnisse – durchaus sehen lassen. 

Die Kraftübertragung erfolgt via 4-Gang-Automatik im Transaxle-Layout. Das Getriebe wurde vom Chrysler LHS übernommen, aber nach hinten gesetzt. Mit einer robusten Torque Tube, die durch den Mitteltunnel vom Motor zum Getriebe führte. Das gleiche Antriebslayout sollte später der Plymouth Prowler nutzen, allerdings mit dem 3,5-Liter-V6 des LHS. 

Für den Verkauf war der Atlantic nie wirklich vorgesehen. Obwohl die Ingenieure sicherstellten, dass der gewaltige V10-Motor aus der Viper reinpassen würde. Zudem war die Stahl-Karosserie – ganz im Vorkriegs-Stil handgemacht von Gaffoglio family Metalcrafters in Kalifornien – wohl deutlich seriennäher als diverse Fiberglas-Karossen anderer Showcars.

Chrysler lud sogar einige Autojournalisten ein, den Atlantic zu fahren. Wenn auch bei eher überschaubaren Geschwindigkeiten auf abgesperrten Straßen. Ein Test erschien sogar in Autocar, in der Ausgabe vom 19. April 1995. Zudem fuhr Chris Berry den Wagen für die bereits erwähnte Folge von Top Gear. Der Moderator schätzte, dass eine Serienversion des Atlantic gut und gerne 100.000 US-Dollar kosten würde. Das wäre dann nahezu der doppelte Preis einer Dodge Viper RT/10 zu dieser Zeit gewesen. 

Wo ist er jetzt?

Der Atlantic ist Teil der historischen Fahrzeugsammlung von Stellantis und wird gelegentlich auf Automessen ausgestellt. Kürzlich tauchte er beim Lime Rock Concours 2023 auf und wurde von einem Reddit-Nutzer entdeckt, der die mechanischen Komponenten des Chrysler inspizieren und hören konnte, wie sein Reihenachtzylinder ansprang und das Auto losfuhr.

Obwohl es für Chrysler großartig gewesen wäre, einen ultraluxuriösen Zweitürer im Programm zu haben, der es mit dem Mercedes-Benz S 500 Coupé oder einem Aston Martin DB7 hätte aufnehmen können, wären seine Chancen auf ein langfristiges Überleben wohl eher gering gewesen. Gott sei Dank taucht er immer noch hier und da auf, bereit, die Zuschauer heute genauso zu beeindrucken wie vor fast 29 Jahren.

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