Vans

Test VW ID.Buzz Pro: Der offizielle Bulli einer besseren Welt

Ein Transformations-Transporter erster Güte ist der elektrische T1-Wiedergänger. Die tolle Optik befördert aber auch zeitgemäße Technik, sodass die Argumente für den T7 Multivan ausgehen – so lässig, leise und leicht und durchaus effizient lässt sich der E-Bulli bewegen. Im Jahr 2023 gilt: Wenn schon Bus, dann Buzz.

test vw id.buzz pro: der offizielle bulli einer besseren welt

(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Der E-Bulli ist nicht nur ein tolles Elektroauto. Der Bulli ist auch ein Botschafter. Und eine ambulante Kontaktbörse: Staunende Blicke waren einem jedenfalls sicher, beim Absolvieren unserer Testrunde. “Ist das der neue Elektro-Bus? Darf ich ein Foto machen? Muss ich gleich mal meinem Sohn schicken”, bat uns eine Verkäuferin vor unserer Foto-Location im Münchner Norden. Leider geschah die Testrunde inklusive mittlerweile fast obligatorischem Stau wegen Vollsperrung auf der A9 bei Pfaffenhofen, der einem zwar den Autobahnschnitt ziemlich versaute, dann aber wenigstens anerkennende Kommentare der Schüler auf der Umgehungsstrecke eintrug: “Wow, WAAAAAS ist denn DAAAAAS?!”, raunte ein Junge seinem Kumpel zu. Und trifft damit den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Als sei ein Raumschiff gelandet. Und in der Tat: Wie von einem anderen Stern surrt der Buzz mit seinem spacigen Langsamfahrgeräusch daher – und macht das bisher eher dröge Design der VW-Elektroautos mit ihren etwas traurigen “Triefaugen” sofort vergessen.

Was auch für Interieur der “Pro” genannten Kombiversion gilt, das fröhlich aufgepeppt wurde und geschickt übertüncht, dass es sich großteils um Hartplastik, immerhin vielfach recycelt und mit hohem Nachhaltigkeitsanspruch handelt. “Das schaut ja toll aus”, meint auch unsere Verkäuferin bei der spontanen Sitzprobe. Handy gezückt und dem Sohnemann geschickt. Man nimmt Platz auf bequemen Sitzen aus einem Mix an Recyklaten und synthetischem Leder, der Innenraum ist jedenfalls “tierlederfrei”, obwohl sich speziell das Lenkrad aus synthetischem Material wirklich anfühlt wie Leder. Geschickt gemacht, in jedem Fall. Platz gibt es auch in Hülle und Fülle, was man bei 4,71 Länge und stattlichen 1,98 Meter Breite bei 1,95 Meter Höhe aber auch erwarten darf. Man fläzt also lässig auf der 2/3 zu 1/3 gesplitteten Rückbank, die Lehnen sind in der Neigung noch verstellbar, die Bänke verschiebbar auf einer Schiene, was aber ziemlich unnötig ist.

Relativ hoher Ladeboden

Denn: Hinter den Sitzen entsteht bedingt durch den Heckantrieb des MEB-Konzernbaukastens eine kleine Podestsituation für den Kofferraum. Wobei die ingenieusen Ingenieure aus dieser Not eine Tugend machten, indem sie über vier Schrauben simpel, aber wirksam im Boden fixiert, einen “bühnenboden”-artigen Aufbau namens “Bettplatte” in den mit 62 Zentimeter ohnehin recht hoch liegenden Kofferraum einzogen. Der schafft dann eine ebene, 1,95 Meter lange und 1,23 Meter breite Lade- und Liegefläche bei geklappten Sitzen, die immerhin noch 90 Zentimeter Scheitelmaß lässt. Mit den Schubladen und dem äußerst robusten, im hinteren Bereich klappbarem Boden ist die Schaffung der “preußischen Hochebene” immerhin “gehobene Bastelkunst”. So entsteht jedenfalls ein kleines Campingmobil, ganz im Geist des Urahnen wird der E-Bulli zum Allzweckwagen. Entfernt man die Platte und ihr klappbares Alugestell mittels der vier Schrauben, bleibt eine gewaltige 1.121-Liter-Ladehöhle, die locker ein Fahrrad aufrecht schluckt. Das deutet darauf hin: Für 4,71 Meter Außenlänge ist die Innenlänge bestens, die ultrakurze Bulli-Schnauze hat also einen handfesten Vorteil.

Die Flexibilität ist eher mäßig – das Bettpodest aber clever

Ausbauen kann man das aber Gestühl leider nicht, sonst bliebe mittig eine “Welle” im Boden. Hier soll dem Vernehmen nach der Abstand gewahrt werden zum T7 Multivan, der hier deutlich mehr Flexibilität bietet. Wer mehr Platzbedarf hat, der kann auf die L2-Variante des ID.Buzz Pro warten, die dann über eine ausbaubare dritte Reihe mit eher spartanischem und für Kinder gedachten Doppelsitz und dann sieben Sitzplätze verfügt – und bei geklappten Sitzen über 2.469 Liter Maximalvolumen statt 2.123 Liter beim Standard sowie eine 19 Zentimeter breitere Schiebetür. Dann geht allerdings die “Stadttauglichkeit” völlig flöten, weil die Länge von noch vertretbaren 4,71 auf 4,96 Meter wächst, genauso lang wie ein T7 Multivan. Letztlich ist das lässlicher Luxus – und die Standardversion bietet mehr als genug Raum, wie gesagt mit Einschränkungen bei der Flexibilität. Lieber gönnt man sich die elegant ausklappbare Anhängekupplung und kuppelt bei Bedarf einen Fahrradträger oder einen Anhänger bis 1.000 Kilo Gewicht an. Apropos Gewicht: Das stämmige Format lässt dann bei der offziellen Wiegung gerade einmal 420 Kilo Zuladung übrig … Das ist die Kehrseite der “schönen neuen Elektrowelt”, mit den schweren Akkus wird “aufgespeckt”.

Der kurze Buzz reicht völlig

Wir würden sagen: In der (relativen) Kürze liegt beim ID.Buzz die Würze – und die Alleinstellung gegenüber dem T7. Wobei das halt noch ein Verbrenner ist, mit Diesel und maximal einem altbackenen Plug-in-Hybrid … Wer zeitgemäß und emissionsfrei unterwegs sein will – und die Blicke der Jugend auf sich lenken will, kommt am ID.Buzz nicht vorbei. Denn der T7 wirkt dagegen weniger stilistisch, als vor allem technologisch wie ein, sorry, “alter Hut”.

Der Style passt also schon mal, aber auch die Fahreigenschaften sind so spaßig wie die Optik. Mit dem 150 kW Heckmotor zoomt sich der gewogen satte 2,6 Tonnen schwere Elektrowagen in zehn Sekunden auf 100 km/h. Die 310 Nm Drehmoment bringt der E-Bulli so trocken und ansatzlos auf den Boden, dass es eine wahre Freude ist. Kein Wunder, wie ein Blick auf die üppigen Reifenformate ergibt: Schließlich werden die 21-Zoll-Alu-Räder von 255er-Pneus hinten und 235er-Hankook Ventus-Evo-Reifen vorn umschlossen, die einen vor etwaigen Reparaturen grausen lassen. Aber: Wer braucht da den 210 kW-Motor der L2-Version, die im Zweifel Preis und Verbrauch treiben, sodass von den avisierten Mehrkilometern dank etwas größerem 85-kWh-Akku statt der 77 kWh der Basis kaum realiter kaum etwas übrig bleiben dürfte, auch wenn erstmals eine Wärmepumpe beim Energiesparen hilft. Laut WLTP sollen es 474 zu 422 beim “Basis-Bulli” sein. Und der kostet ja ohnehin schon 54.270 Euro, wie wir der darob nicht minder staunenden Verkäuferin zu bedenken geben …

Gegen die Leistungsorgien: Mit 150 kW überaus flott unterwegs

Sogar im Eco-Modus geht es noch völlig ausreichend flott voran, zumal per Kickdown immer die maximale Leistung abgerufen werden kann. Wie linear, wie akkurat, wie leise der E-Bulli beschleunigt, das nötigt Respekt ab. Vor allem beim Fahren stellt der ID.Buzz den T7 oder gar den ohnehin bereits nicht mehr lieferbaren T6.1 weit in den Schatten. Die Straßenlage ist (auch dank der Monsterbereifung) satt, der mit 300 Kilo beladene 2,9-Tonner lässt auf der Landstraße sein Gewicht völlig vergessen, zischt mit sauberem Strich, gefühliger Lenkung und kaum spürbarer Seitenneigung über die Landstraße. Der Komfort ist dabei hoch, Schlaglöcher quittiert die bocksteife Karosse mit trockenem Ploppen, wie gekapselt gleitet man in dem bestens isolierten “Raumfahrzeug” aus Hannover dahin. Vor allem auf der Autobahn fällt die gute Dämmung auf, mit 120 km/h Marschgeschwindigkeit ist man komfortabel wie zügig unterwegs, ohne den Verbrauch über die Maßen zu treiben. Bei 145 km/h ist vernüftigerweise Schluss, ein Tempo, das wir nur deshalb einen kurzen Abschnitt lang bemühten, um die vorhergehende Zuckelfahrt im Stau ein wenig auszugleichen.

Rekuperation: Kein One-Pedal-Drive

Die einstufige Rekuperation im “B”-Modus geht von der Wirkung in Ordnung, erspart Überland und auf Fernstrecke meist die Betriebsbremse (vorne Scheibe, hinten Trommel), in der Stadt wäre aber echtes Einpedal-Fahren fein. So muss man aufpassen, immer rechtzeitig seinen Fuß auf die Bremse zu bringen. Nur im Stop-and-Go-Modus mit aktiviertem Abstandsassistenten macht der E-Bulli dann alles von allein. Außer Anfahren, dafür braucht’s einen Tip auf’s Pedal.

Verbrauch: In Relation zu Gewicht und Größe sparsam

In Summe stellt der E-Bulli durchaus gute Effizienz unter Beweis: Der Bordcomputer zeigt in der Stadt Werte von 16,8 kWh/100 km, überland begnügt sich die durch die Hügel fleißig rekuperierende Fuhre mit 17,7 kWh/100 km. Auf der Autobahn gibt es dann aber einen rechten Sprung auf dann 24,5 kWh, wenn man denn nach einem 120er-Schnitt strebt, sprich, wirklich “Strom gibt”. In Summe schlugen wir bei 21,5 kWh/100 km im Betrieb laut Computer an, inklusive Ladeverluste flossen plausible 24,5 kWh/100 km durch die Leitung. Wahlweise übrigens mit 170 kW in DC ziemlich flott, was ein weiterer Grund für den “normalen” 77-kWh-Akku ist. Keine halbe Stunde und man ist von fünf auf 80 Prozent wieder bei Kräften. Wobei uns über Nacht glatt mal 1,4 kWh abhanden kamen und wir unmittelbar vor dem Test noch mal kurz an die AC-Säule kabelten, um wirklich mit 100 Prozent loszufahren.

Ladeanschluss am Heck: Rangieren angesagt

Und warum die Ladebuchse allerdings am Heck beifahrerseits sitzt – und nicht etwa im vielleicht größten VW-Logo der Firmengeschichte, bleibt ein Geheimnis der Ingenieure. Unpraktisch ist es in jedem Fall, sofern man nicht wie bei Fastned üblich einen Seitenlader wie an der “Fossil-Tankstelle” erwischt. Die 350 Kilometer sind je nach Fahrstil also durchaus realistisch, wie wir bereits mit dem baugleichen Cargo-Modell erfuhren. Wer sich ranhält, kratzt an der 400er-Marke. Langstreckeneignung ist also durchaus gegeben, wenn man nicht zu den Kilometerfressern im Lande zählt.

Und dazu passt auch das komplette Arsenal an Fahrerassistenzsystemen bis auf Level 2 des “Travel Assist”, die vor allem Überland und auf der Autobahn hilfreich sind und den Job am Lenkrad erleichtern. Recht präzise ist jedenfalls die aktive Spurassistenz, feinfühlig der Abstandstempomat und aufmerksam der Totwinkelwarner, vorausschauend der navigationsgestützte, intelligente Tempomat, der vor Kurven oder kommenden Ortsdurchfahrten schon mal das Tempo drosselt oder das gültige Limit übernimmt. Als übereifrig erweist sich Kollege Computer allerdings beim Rangieren und Parken.

Übereifrige Notbremse

Das klappt eigentlich, dank passabler Spiegel und nebenbei exzellentem Wendekreis dank großem Einschlagwinkel bestens. Doch die Elektronik nimmt eine Hecke schnell mal sehr früh als “robustes” Hindernis wahr, ebenso wie seitliche Gegenstände zu rigidem Bremseingriff animieren, obwohl man noch gut Platz hätte. Jedesmal muss man also den Gang mittels des etwas klobigen Knubbels am Lenkrad neu einlegen. Zudem “springt” der E-Bulli beim Rangieren und Anfahren ganz schön los – sodass zentimetergenaues Manövrieren etwas schwer fällt. Vielleicht lässt sich das mit einem der zahlreichen “Updates over the Air” noch weiter verbessern. Wie der E-Bulli vom elektronischen Rückgrat ohnehin fit sein soll bis Level 3 Plus.

Bis auf die Wischbedienung gute Ergonomie

Überhaupt lässt das viel gescholtene Infotainment noch Potenzial erkennen. Das System fährt nicht nur langsam hoch, es “pendelt” auch permanent zwischen “on” und “off”, wenn man schnell ein- und wieder aussteigt. Über die Wisch- und Weg-Bedienung der Klima- und Mediafunktionen ist schon hinreichend gelästert worden – und der Hersteller hat ja auch ein Einsehen – mit dem nächsten Update wird es bestimmt auch im Bulli die Rückkehr wichtiger Direktwahlfunktionen per Taste geben. Ansonsten kommt man aber gut klar, hat ausreichend Ablagen und gute Ergonomie, an den “spartanischen” Zentralscreen hat man sich mittlerweile gewöhnt. Und freut sich lieber über die exzellente Aussicht dank der “Samba-Bus”-mäßigen Rundumverglasung nebst der großzügigen Dreiecksfenster vorn.

VM-Fazit: Der Besser-Bulli

Und die Aussicht, selbst einen E-Bulli zu eignen? Bei 54.270 Euro Netto Startpreis hat der retromoderne Kommunikationsmagnet schon seinen Preis, auch wenn der sich um 4.500 Euro Umweltbonus reduzieren lässt und dann sogar leicht unterhalb eines T7 Multivan 2.0 TSI DSG-150 kW liegt. Aber der bläst ja mindestens 197 g/CO2 pro Kilometer aus fossilen Quellen in die Umwelt, sprich 8,7 l/100 km nach WLTP, wohlwollend gerechnet. Das geht 2023 besser und muss mit dem Erscheinen des ID.Buzz auf der Bildfläche schlicht nicht mehr sein. Und immerhin ist dann beim “offziellen Transporter einer besseren Welt” schon einiges mit an Bord, wie etwa die wichtigste Fahrerassistenz mit Front- und Spurassistent und Einparkhilfe oder Klimaanlage, die charakteristischen LED-Leuchten sowieso. Und natürlich ein erstklassiges Kommunikationsmodul mit eingebautem Lächelauslöser, wie gesagt. Wenn schon Bus, dann Buzz – und wie gut dem Buzz hell-efenbein steht, konnten wir zuletzt bei den Taxi-Experten vom Taxi-Werk in Hamburg sehen!

TOP STORIES

Top List in the World