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Stern(Motor)-Stunden an der Solitude - Runde 15 für das Glemseck 101

Runde 15 des Glemseck 101 fand am bekannten Platz zu Leonberg am ersten Septemberwochenende statt. MOTORRAD war dabei.

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Stern(Motor)-Stunden an der Solitude – Runde 15 für das Glemseck 101

Die Erde hat gebebt, die Luft geflimmert und der Himmel zwischendurch ein bisschen geweint: Am vergangenen Wochenende stieg in Leonberg die 15. Auflage von Glemseck 101. Viele Fans hatten dem Event drei Jahre lang entgegengefiebert: Die Veranstaltungen 2020 und 2021 waren ja wegen der Corona-Schutzmaßnahmen ausgefallen. Da hatte sich nun so manches Umbauprojekt aufgestaut, harrten verwegenste Custombikes auf ihre Roll-out-Premiere. Und so war Deutschlands, ja vermutlich Europas größtes marken- und typenoffenes Motorradtreffen bunt, abgefahren und vielfältig wie eh und je.

Egal, ob Kreidler Flory 3-Gang-Mofa, Honda Dax mit Beiwagen oder Boss Hoss mit V8-Motor aus einem Chevrolet – hier trafen sich alle. Mehr motorische Vielfalt auf zwei und drei Rädern ist schlicht nicht denkbar. Galt bei den Ausstellern ebenso wie bei den rund 30.000 Besuchern – gezählt über das gesamte Wochenende. Sehen und gesehen werden lautete das Motto wieder an DEM Szene-Treff bundesweit. Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ist das schon auch gewesen. Ja und? Natürlich will man oder frau seine Suzuki Katana im Original-Zustand, seine bildschöne Ducati 1098 S Tricolore oder Honda CB 900 F2 eben auch mal einem größeren Publikum präsentieren.

Sternstunde mit Sternmotor

An Verrücktheiten herrschte jetzt wahrlich kein Mangel. Die Schweizer Mofa-Schmiede Siggnature restauriert und tunt erfolgreich die bei den Eidgenossen sehr beliebten Mofas. Gelebte Nostalgie eben. Doch sie können auch Custom-Mofas der Extraklasse. Ein absolutes Highlight am Glemseck war ihr Moped mit einem 7-Zylinder-Sternmotor. Der bringt es mit rund 23 Kubikzentimeterchen pro Zylinder auf gerade mal 160 Kubik und 10 PS bei 6.000 Umdrehungen. 600 Arbeitsstunden waren notwendig, um den Sternmotor – er war für Modellflugzeuge gedacht – als Antrieb für ein Zweirad zu adaptieren. Wahnsinn auf Rädern.

Elektrisch Rennen fahren

Und so stiegen vor den Toren Stuttgarts diverse blaue Zweitakt-Wölkchen in den am Freitag noch strahlend blauen Himmel. Sogar einen eigenen Sprint in der Mofa-Klasse gab es. Mit solch einem Schnapsglas an Hubraum ziehen sich 200 Meter bei stehendem Start … diese Sprints im K.O-System gehören zur DNA, untrennbar zum Spirit der Veranstaltung. Mann gegen Mann – und selten auch mal Frau gegen Mann. Neu in 2022 gab es eine eigene Klasse für krasseste Elektro-Bikes. Gewonnen hat den schließlich eine serienmäßige Energica.

Premiummarken mit Historie

Viele große Hersteller sind über die Jahre auf den Zug Glemseck 101 aufgesprungen: Honda zeigte eine Sonderschau zu Modellgeschichte der Monkey und Super Cub, Royal Enfield brachte wilde Umbauten rund um ihre sehr erfolgreichen Singles und Twins mit. BMW hatte gar eine ganze Riege renommierter Customizer am Start, die zeigten, wie verwegen die von Haus aus ja eher barocke R 18 aussehen kann. Diese Horde krasser Boxer auf Botox hat untereinander einen eigenen Sprint über die Achtelmeile ausgetragen.

Custombikes zum Sprinten

Sehr ernst nahm das Who is who der deutschen Tunerzunft die Sprints in diversen Klassen: Ulf Penner und Don Performance etwa, die Louis-Schraubercrew oder Stefan Bronold Junior wie Senior von Radical Guzzi. Da herrschte an spektakulären Hinguckern kein Mangel. Kawasaki Deutschland rollte eine auf 300 PS erstarkte Z H2 an den Start. Renn-Amazone Caro Fitus hatte auf dieser wahnsinnigen “Trackinator” vom Start weg bis ins Ziel mit heftigem “Wheelspin”, einem durchdrehenden Hinterrad zu kämpfen. Zuviel Power um zu gewinnen war das. Das sei “der längste schwarze Strich, den unsere Achtelmeile je auf den Asphalt eingebrannt bekommen hat,” sagte Steven Flier vom Orga-Team dazu. Racer Thilo Günther, er fuhr hier mal die mörderstarke Harley von Andreas Taphorn, stellte klar, dass solche Sprints vor der eigens für das Wochenende aufgebauten Tribüne nicht bloß Show sind: “Wenn ich an der Startlinie stehe und das Visier runterklappe, geht es hier nicht mehr bloß um Spaß.” Hier geht es schon auch ums Gewinnen, ums Podest, um Ruhm und Ehre. Am Samstagnachmittag mussten die Sprints wegen sintflutartigen Regens abgebrochen werden (sie wurden alle nachgeholt), die Besucher flüchteten in die Zelte. Motto: Eng ist gemütlich. Bei Benzingesprächen und guter Mucke ließ es sich aushalten, war die Stimmung ausgelassen. Und dabei absolut relaxed und friedlich – eine Art Markenzeichen des Glemseck 101. Dass sich kleine Sturzbäche durch den einen oder anderen Stand schlängelten? Egal!

Wenig internationaler Flair

Auffällig: Der internationale Stellenwert von Glemseck 101 scheint schon mal größer gewesen zu sein. Die eine oder andere Tuning-Schmiede aus Südeuropa fehlte 2022. Auch Weltklasse-Fahrer und Ex-Weltmeister, die es in den Vorjahren nach Leonberg geschafft hatten, waren 2022 Fehlanzeige. Freddie Spencer, Guy Martin, Carl Fogarty, Conor Cummins waren heuer nicht zugegen. Dafür aber Besucher aus ganz Deutschland und vielen Nachbarländern. Und diesmal waren auch diverse Gruppen christlicher Motorradfahrer mit von der Partie, Biker-Kapelle inklusive.

Tut das Not?

Der Wettbewerb Mofa-Weitwurf, ja wirklich, wirkte für den Geist von Glemseck 101 etwas deplatziert, die gesamte Veranstaltung ein wenig kommerzieller als sonst. Aber irgendwo muss die Kohle für das “umsonst-und-draußen”-Event ja hereinkommen, die Logistik (Bühne) bezahlt werden. Danke übrigens an die vielen tollen Bands und das gesamte Organisationsteam, dass die der Motorrad-Szene erneut diese fantastische Plattform des Austausches boten.

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