- Eine stattliche Reiselimousine
- Weil wir gerade dabei sind
- Infotainment und Bedienung
- Interieur und Anmutung
- Die e-engine Normrunde
- Fun-Facts
- Fazit
BYD. Das chinesische Unternehmen ist der zweitgrößte Hersteller von reinen Elektrofahrzeugen hinter Tesla. Noch. Denn der Autohersteller nimmt gerade auch auf europäischen und nordamerikanischen Märkten Fahrt auf. Die bislang präsentierten Fahrzeuge sind allesamt äußerst ansehnlich und profitieren zudem von der Tatsache, dass BYD auch der weltweit zweigrößte Batteriehersteller ist. BYD steht für „Build Your Dream“ was man auch frei übersetzen könnte mit „Erfülle dir deinen Traum“. Preislich liegen die BYD-Stromer in China allesamt im konkurrenzfähigen Korridor. Der Han kostet dort umgerechnet 55.000 US-Dollar. Bei uns muss man mindestens 70.805 Euro anlegen. Was kriegt man dafür?
Eine stattliche Reiselimousine
Der BYD Han ist mit fast 5 Metern Länge eine stattliche Reiselimousine mit durchaus luxuriöser Ausstattung. Typisch für chinesische Großraum-Stromer ist der bequemste Platz im Fond. Das gilt auch für den Han, denn wer die Mittelarmauflage hinten herunterklappt, entdeckt ein Minidisplay mit dem so gut wie alles gesteuert werden kann. Klimanlage, Stellung des Beifahrervordersitzes, das Infotainment-System. Das Schiebedach kann genauso bedient werden, wie die Abdeckung des serienmäßigen Glasdachs. Und natürlich sind bei beiden hinteren Sitzen die Lehnen elektrisch einstellbar. Gigantischer Nachteil: Dafür gibt es keine umklappbaren Lehnen, der relativ kleine 410 Liter Kofferraum, der zu allem Überfluss auch noch eine ungünstige Ladeklappe hat, lässt sich also nicht erweitern.
Weil wir gerade dabei sind
Der Han hat aber noch ein paar weitere Nachteile. So gibts keinen Frunk, was man verschmerzen kann. Für einen guten Reisewagen – und das ist die Limousine zweifellos – sind die Ladeleistungen aber etwas mau. 120 kW bei DC und 7,4 kW AC. Wobei BYD versichert, dass man bei AC gegen Ende des Jahres auch dreiphasiges Laden anbieten werde. Mindestens 11 kW wären dann drin. Dafür gibt es eine V2L-Möglichkeit mit maximal 3,3 kW AC. Großer Vorteil ist andererseits die Verwendung einer Blade-LFP-Batterie. Denn die darf man gerne und oft auf 100% Laden und sie ist auch noch resilienter gegenüber Defekten. Die nutzbare Batteriekapazität liegt bei 85,4 kWh. Da kommt man schon rund 450-460 km weit, bevor man wieder die Ladesäule anfahren muss.
Infotainment und Bedienung
Das Betriebssystem ist von Google. An sich ist das eine gute Nachricht, denn die Kollegen bei Renault, Polestar und Volvo verwenden das auch. Die spezielle BYD-Konfiguration indessen ist in unseren Augen ein bißchen mißlungen, die Bedienung teilweise sehr verwirrend. Was wohl auch daher kommt, dass BYD hin und wieder Begrifflichkeiten benutzt, die man nicht sofort versteht. Rekuperation heißt hier „Energy feedback intensity“. Das findet man unter dem Punkt „New Energy“ unter dem Hauptpunkt „Vehicle“. Womit wir beim nächsten Minuspunkt sind. Zwar bietet das Google Betriebssystem allerlei Sprachen an, Deutsch ist hingegen (noch) nicht darunter. Da BYD OTA-Updates anbietet, sollte das bei einem der nächsten Updates der Vergangenheit angehören.
Interieur und Anmutung
Die e-engine Normrunde
Die e-engine Normrunde haben wir nun ein wenig angepasst, nachdem in der Nähe der Redaktion ein Ladepark entstanden ist. Wir starten mit einer bestimmten Ladung (in unserem Fall knapp 80%) und fahren dann die Runde, um dann wieder auf die 80% aufzuladen. Das verzerrt unsere bisherigen Ergebnisse ein wenig, weil nun die Ladeverluste für die Normrunde mit eingerechnet werden. Auf den Autobahnabschnitten fahren wir, wenn es der Verkehr zulässt, Vollgas. Im Falle des Han sind das immerhin 186 km/h. Der neue Trip hat eine Länge von 92,4 Kilometern. Tatsächlich sind es aber inklusive der Entfernung Ladepark-Start 95,5 Kilometer. Die genauen topografischen Gegebenheiten lesen Sie bitte hier nach.
Auf dieser Strecke hat der Wagen inklusive Ladeverlusten 25,533 kWh nachgeladen. Auf 100 Kilometer umgelegt sind das 26,73 kWh. Die Umgebungstemperatur lag bei 18°C, die Straße war trocken. In den zukünftigen Tests werden wir das für andere Fahrzeuge überprüfen. In alter Währung wären es nachgerechnet 21,4 kWh gewesen, was ein sehr passabler Verbrauchswert ist – über 24% Ladeverluste zumindest am 50-kW-DC-Lader verhageln das Ergebnis jedoch. Damit kostet das gelegentliche Laden beispielsweise mit einer Shell-Karte ca. 21,20 € auf 100 km. (Schnellladen: 0,79 ct/kWh). Ein großer Diesel verbraucht auf der gleichen Strecke ungefähr 6,5 Liter. Da müsste beim Diesel in Zukunft der Liter 3,35 Euro kosten. Abgesehen von den Emissionen. Keine guten Aussichten. Ja, man könnte zu Hause laden an der Wallbox. Bei den derzeitigen 7,4 kW kein Spass. Das dauert nämlich ganz schön lange.
Fun-Facts
Fazit
Der BYD Han hat uns trotz der vielen kleinen Fehlerchen gut gefallen. Er ist eine leise und angenehme Reiselimousine, die 186 km/h Top-Speed, sollte man sie ausnützen, spürt man überhaupt nicht. Die Isolierung nach draussen ist dank der zweischichtigen Fenster exzellent. Die Dynaudio-Soundanlage hat echte Klasse und das Fahrwerk ist auf schlechten Straßen selbst im Sport-Modus noch komfortabel. Auf dem „Rüttelstück“ der Normrunde gibt der Han kaum Stuckergeräusche nach innen ab. Die Ladeverluste sind – zumindest an der 50-kW-Säule – zu hoch. Man müsste eine Testreihe starten, ob das die Norm, oder ein „Ausrutscher“ ist.
Ein Sportler ist der Wagen jedoch nicht, auch wenn er theoretisch in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt. Die Wankbewegungen bei sportlicher Kurvenfahrt halten sich in Grenzen. Trotzdem spürt man das Gewicht des Fahrzeugs vor allem in schnell aufeinanderfolgenden Kurven. Wenn man sich vor Augen führt, dass es eine Chauffeurslimousine ist, dann relativiert sich das wieder. Für den gedachten Einsatzbereich ist der Wagen bestens gewappnet. Der Verbrauch nach alter Währung geht ok, die hohen Ladeverluste (an einer 50 kW-Säule) machen das passable Ergebnis aber zunichte. Schade. Wir vergeben deshalb 3,5 Sterne.
BYD hat uns das Auto über das große schwäbische Autohaus Reisacher zur Verfügung gestellt. Vor allem für die gute Betreuung bei Reisacher möchten wir uns hiermit besonders bedanken. Wir übernahmen das Auto pünktlich, der Innenraum war vorgeheizt und der Ladestand bei 100%.
Fotos: e-engine.de/Bernd Maier-Leppla, BYD