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Sind E-Mountainbikes sinnvoll, gefährlich oder beides?

sind e-mountainbikes sinnvoll, gefährlich oder beides?

one mountain biker cycling down steep pasture high up in mountains

Da haben sie vor kurzem ordentlich den Kopf geschüttelt und schön geschaut, die wackeren Wandersleut’, die ob Kals in Osttirol bergan stiegen, um einen ganz speziellen Blick auf den Großglockner zu ergattern. Das Schütteln und Schauen kam daher, dass ihnen die Mountainbikes bergauf nur so um die Ohren gezischt sind. Früher, ja früher hätte es das nicht gegeben, dachten sich die Leut’.

Heutzutage steht ja vieles und stehen viele ständig unter Strom. Doch anders als die E-Scooter in der Stadt, mit denen nicht wenige Unfälle passieren und die gerne auf Gehsteigen oder in Wiesen herumliegen, können E-Mountainbikes durchaus Sinn machen. Für Walter Höll, den Vater der Mountainbike-Downhill-Weltmeisterin Valentina Höll, der selbst Aficionado ist und bei Saalbach das Spielberghaus führt, steht das außer Frage. “Das E-Mountainbiken ist fast eine neue eigenständige Sportart. Und es schadet insgesamt nicht, wenn sich mehr Leute mehr bewegen.” Insgesamt nicht, da und dort freilich schon, das ist auch Höll völlig klar. “Es sitzen viele am Radl, die dringend einen Fahrtechnikkurs nötig hätten. Aber das war eigentlich schon immer so.”

Bikepro ist die Vereinigung österreichischer Radführer und für die Ausbildung von Mountainbike/E-Mountainbike-Guides, Bikepark-Coaches und Radtouren-Guides zuständig. Diese sind befähigt, im touristischen Bereich Touren zu organisieren und eine Gruppe “sicher und umweltbewusst zu führen”. Die Bikepro-Gründerin Greta Nowak, MTB-Instruktorin, Sportlehrerin und Sportwissenschafterin, kann bestätigen, dass auch im MTB-Bereich der Trend zur E-Mobilität stark zugenommen hat. Sie sieht die Entwicklung “mit gemischten Gefühlen”, aber grundsätzlich positiv. Einerseits biete E-Mobilität auch in den Bergen “viele tolle Möglichkeiten”, andererseits seien die Risiken nicht zu unterschätzen.

Vorteile und Nachteile

Nowak zählt Pluspunkte auf: “Ein E-Mountainbike kann unterschiedliche Leistungsniveaus einander angleichen. Unterschiedlich starke Biker und Bikerinnen können gemeinsam radeln. Und auch ein besser trainierter Sportler kann seinen Trainingspuls besser steuern.” Nachteile? “E-Mountainbikes bringen dich zwar an Plätze, die du sonst nicht erradeln könntest. Aber das heißt auch, dass du da wieder bergab musst – oft auf unbefestigten Wegen. Das überfordert viele hinsichtlich ihres sehr eingeschränkten fahrtechnischen Könnens – gleichzeitig werden diese notwendigen ‚Basic- und Safety-Skills‘ unterschätzt.”

Nowaks Bikepro-Kollege Günther Ficker, ebenfalls MTB-Trainer und Uni-Lehrbeauftragter sowie Reiseleiter von Radreisen, weiß von vielen schweren Unfällen aus jüngster Vergangenheit zu berichten. “Kondition und Koordination sind untrennbar miteinander verbunden. Auch Forststraßen können gefährlich werden. Jede Sportart erfordert für eine sichere und gesunde Ausübung eine entsprechende körperliche Vorbereitung. Dies gilt für alle Altersstufen. Je Mountainbike-orientierter eine Ausfahrt, umso wichtiger wird die Fahrtechnik. Ziel eines Techniktrainings ist das Schaffen von nötigen Leistungsvoraussetzungen.”

Im Rekordjahr 2021 wurden laut Injury Database, der Unfalldatenbank des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV), 9000 Menschen nach MTB-Unfällen im Spital behandelt. 16 kamen ums Leben, fünf von ihnen mit einem E-Bike. 2022 waren die Zahlen wieder rückläufig, 5900 MTB-Unfälle wurden gezählt, zwölf endeten tödlich. Nowak und Ficker sind oft in den Bergen unterwegs, haben viel gesehen, auch auf E-Mountainbikes. “Da gibt es schon einige”, sagt er, “die ein höheres Gewicht mitbringen.” Ein E-Mountainbike wiegt 20 bis 25 Kilogramm, also etwa doppelt so viel wie ein rein mit Körperkraft betriebenes Mountainbike. Deshalb sei, “dem höheren Systemgewicht entsprechend, eine vernünftige Bremsanlage wichtig. Oft werden der Bremsweg und der lose Untergrund unterschätzt. Gepaart mit schlechter Fahrtechnik steigt das Sturzrisiko.”

Eine Altersgruppe, die von schweren Unfällen besonders oft betroffen ist, sind die 65- bis 85-Jährigen. Die Bikepro-Fachleute sind darob nicht sehr überrascht, die Koordination lässt mangels regelmäßigen Trainings nach. Ficker begleitet Radreisen in ganz Europa, auch da ist der Altersschnitt stark gestiegen. “Früher hat man 70-Jährige, die auf dem Fahrrad eine Reise unternommen haben, als Ausnahmeerscheinung bewundert. Heute sind sie viele.” Und bei vielen, die landauf, landab bergauf und bergab unterwegs sind, steigen klarerweise auch die Unfallzahlen.

Training und Planung

Wie also lässt sich das Risiko eindämmen, wie ist man möglichst sicher unterwegs? Nowak: “Ein Fahrtechniktraining ist immer eine gute Idee und allen, die sich ein schwereres E-Bike anschaffen, ans Herz zu legen. Es ist wichtig, sich mit dem neuen Fahrverhalten eines E-Bikes vertraut zu machen und zu lernen, sich richtig einzuschätzen. Weiters sollten Routen möglichst genau geplant werden – auch damit der Akku ja nicht ausgeht. Denn ein E-Bike mit leerem Akku fährt sich besonders schwer.” Mountainbike-Greenhorns seien Touren mit Guides sehr zu empfehlen. “Ein ausgebildeter Guide”, sagt Ficker, “sieht sehr rasch, wem er fahrtechnisch was zutrauen kann.”

Umsätze und Quoten

2022 wurden mit Fahrradverkäufen insgesamt 1,39 Milliarden Euro umgesetzt. Im Vergleich zu 2021 ergab das ein Plus von 36 Prozent, es war vor allem auf E-Bike-Verkäufe zurückzuführen, die schon 74 Prozent des Umsatzes ausmachen, also gut eine Milliarde Euro. Jedes zweite in Österreich verkaufte Fahrrad ist E-angetrieben, E-Mountainbikes (105.400 Stück) sind den E-City- und E-Trekkingrädern (127.595), nun ja, auf den Fersen.

Die Helmtragequote auf E-Bikes liegt übrigens bei 62, auf herkömmlichen Fahrrädern bei 41 Prozent. Die Bikepro-Experten würden sich 100 Prozent wünschen, aber nicht durch Zwang, sondern durch Bewusstseinsbildung. Angesichts schwerer Unfälle forderte das Kuratorium für Verkehrssicherheit erst kürzlich wieder eine E-Bike- und E-Scooter-Helmpflicht. Doch der Weg bleibt weit und holprig, und bis dahin sind noch gehörig Kopfschütteln und Schönschauen angesagt. (Fritz Neumann, 28.6.2023)

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