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Porsche Taycan

Porsche Taycan 4S: Dauertest

Ein Porsche ganz ohne Bollersound! Zum ersten Mal fährt AUTO BILD mit einem Elektroauto die Mammutdistanz im Schnelldurchlauf.


Es ist Donnerstag, der 24. Juni 2021, kurz vor 20 Uhr, als nichts mehr geht. Wir sind auf der Rückreise mit unserem 100.000-Kilometer-Auto Porsche Taycan 4S von Rom Richtung Norden, haben in einer dreitägigen Kamikaze-Tour 3000 Kilometer abgerissen, als wir auf der Autobahnraststätte Aurach in der Nähe von Nürnberg stranden. Zu unserem Zwischenziel in Nordhessen sind es 257 Kilometer, aber der Wagen will nicht mehr laden, steigt nach drei Minuten und 5,8 kWh aus, meldet im Zentraldisplay: “Bordnetz gestört, Service nötig.”
Das hatten wir schon mal, dann half Trick 17: Fahrzeug verriegeln, 300 Meter weggehen, 15 Minuten warten. Diesmal geht das nicht, also Assistance rufen. Der freundliche Herr Krause stellt seinen Diesel-Lkw vor unseren Stromer, klemmt die 12-Volt-Batterie vorn ab, wartet 15 Minuten, danach laden wir voll und fahren nach Hause. Am nächsten Tag kümmert sich Porsche drum, sagt: 12-Volt-Batterie defekt, außerdem Software nicht aktuell. Von da an läuft der Strom wieder. Das waren jetzt ärgerliche Zeilen voller Probleme. Ab jetzt nur noch Genuss, versprochen!

Porsche Taycan: Dauertest über 100.000 Kilometer

Wir von AUTO BILD sind im Falle des Taycan “Early Adopter”, also frühzeitige Anwender. Anfang September 2019 stellte Porsche die ersten Taycan mit Mega-Power vor, also Turbo (680 PS) und Turbo S (761), Ende 2019 wurden die ersten 31 Autos in Deutschland ausgeliefert, am 17. Oktober 2020 rollte unser Dauertestwagen in die AUTO BILD-Tiefgarage. Zehn Monate nach Marktstart ein Auto zum Extrem-Test über 100.000 Kilometer! Das traut sich nur Porsche, andere Hersteller sagen: Nee, lasst erst mal die Kunden alle Fehler finden, aber bitte nicht ihr! porsche taycan 4s: dauertest

Objekt der Begierde: Porsche Taycan 4S in Babyblau, nee: Frozen Blue metallic.

Bild: AUTO BILD
Finden wir also erst mal den Fehler in der Aufpreisliste. Ganz im Ernst: Unser Testwagen mit 571 PS und großem Akku, also 93,4 kWh, kostete mal 171.182 Euro und aktuell 171.515 Euro. Macht bei einem Grundpreis von nicht unerheblichen 108.867 Euro fette 62.000 Euro für Ausstattung, die nicht serienmäßig ist. Aber auch notwendig? Sagen wir so: Wenn wir das Ganze durch die Porsche-Brille betrachten: unbedingt! Die 21-Zöller zum Beispiel sehen bockstark aus, 19 Zoll wirken bereits im Konfigurator eher piefig. 19,6 Prozent der Taycan-Fahrer nehmen übrigens die Farbe Carmine Red, macht 2380 Euro extra. Will der Beifahrer DJ spielen oder Navi-Ziele eingeben, bekommt er einen eigenen Bildschirm für 1023 Euro. Will der Fahrer an der Säule einen auf Siegfried und Roy machen, nimmt er für 625 Euro die elektrische Ladeklappe, die hochfährt, wenn du unten die Hand durchziehst wie die Mastercard am Lesegerät. Wir dürfen feststellen: hat er, hat er, hat er. Also all die Sonderausstattungen, die für eine happige Leasingrate jeden Monat sorgen.

Kurz vor Test-Ende noch Neuwagen-Qualität

Wie wir ihn damit fanden? Lesen wir mal im Fahrtenbuch. AUTO BILD KLASSIK-Chef Malte Büttner: “Dank Luftfahrwerk verbindet er enormen Fahrkomfort mit agilem Handling. Daran können auch die beachtlichen 2,3 Tonnen Leermasse nichts ändern.” Tester Berend Sanders notierte bei Kilometerstand 65.487 im Fahrtenbuch: “Nichts knistert, Innenraum und Sitze verströmen Neuwagenflair. Antrieb, Bremse und Fahrwerk gehen ihren Aufgaben mit präziser schwäbischer Gründlichkeit nach. Dazu kommt ein traumhaftes Fahrverhalten.” Nach 95.476 Kilometern, also kurz vor Ende, attestierte auch Vize-Testchef Dirk Branke dem Taycan Neuwagen-Qualität. Außerdem: “Im Winter ist uns das herausragende Licht aufgefallen. Schon im Abblendmodus ungewöhnlich hell, das Fernlicht illuminiert dann ganze Landstriche.” porsche taycan 4s: dauertest

Porsche Taycan 4S an der Ladestation: Über 400 Kilometer Reichweite sind machbar.

Bild: AUTO BILD
Also doch alles wie im Traum mit dem Taycan? Na ja, fast. Stichwort Software. Drei Updates hat unser Taycan während der 100.000 Kilometer bekommen. Im März 2021 kam zum Beispiel die Anhebefunktion hinzu, damit das Fahrwerk in Garageneinfahrten nicht aufsetzt. Fünf Monate später gab es mehr Reichweite, mehr Konnektivität. Im Juli 2022 spendierte Porsche das Update für das Modelljahr 2023. So stellte AUTO BILD-Vize Micha Gebhardt nach 92.587 gefahrenen Kilometern fest: “Nach zwei Jahren und zahlreichen Updates läuft das Infotainment kurz vor Testende zwar ziemlich rund. Lange Navi-Ladezeiten, kein Radioempfang oder Probleme mit der Handykopplung haben uns aber viele Nerven gekostet.”

  • Motor: Je ein E-Motor vorn und hinten
  • Brutto-Batteriekapazität: 93,4 kWh
  • Leistung : 420 kW (571 PS) 
  • max. Drehmoment: 650 Nm
  • Antrieb: Allradantrieb/2-Gang-Getriebe an Hinterachse
  • Leergewicht: 2220 kg
  • Zuladung: 660 kg
  • Kofferraum: 407 + 81 l
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • Verbrauch: 25,6 kWh/100 km (WLTP) 


Letzteres ist ein exklusives AUTO BILD-Problem. Weil so viele Redakteure das Auto testen wollten, waren fast 30 Smartphones registriert. Weil dann irgendwann jedes System irre wird, beschränkt Porsche diesen Kreis demnächst per Update auf sechs Geräte. Neue Handy-Nutzer müssen dann erst mal alte rauskegeln, wenn sie sich mit dem Auto verbinden wollen.

Verbrauch: Bei Vollgas säuft er wie ein Elfer – nur eben Strom

Aber wir sprachen ja noch gar nicht über: erstens Fahrspaß und zweitens Verbrauch und drittens Reichweite. Zum Glück haben wir einen Mario in der Redaktion. Kollege Pukšec, Chef vom Dienst und Besitzer der Rennlizenz, bewegte den Taycan so, wie man halt einen Flitzer mit dem niedrigsten Schwerpunkt aller Porsche bewegt. Sein Bericht: “Unbegrenzt Richtung Berlin, Tacho 200, und was macht der Verbrauch? Pendelt sich bei rund 50 kWh/100 km ein. Bei einer effektiven Akkugröße von 84 kWh sucht man also schon nach 120 Kilometern eine Ladesäule. Die Folge: Man fährt den Porsche irgendwann doch nicht artgerecht, sondern wie jedes beliebige Elektroauto. Dann schafft er rund 300 Kilometer mit einer Ladung, die Brillanz des Taycan kommt so aber kaum zum Ausdruck.”

  • Betriebskosten/Garantien (Fixkosten pro Jahr)
  • Haftpflicht 17 (100 %, SF 5)* : 386 Euro
  • Vollkasko 28 (1000 € SB, SF 5)*: 1020 Euro
  • Teilkasko 30 (500 € SB, SF 5)*: 559 Euro
  • Kfz-Steuer (bis 31.12. 2030 befreit): 0 Euro
  • Energiekosten für 100.000 km
  • 20.153,5 kWh (= 20,15 kWh/100 km): 11.285,96 Euro
  • Inspektionskosten
  • 30.000 km: 394,68 Euro
  • 60.000 km: 571,21 Euro
  • 90.000 km: 394,68 Euro
  • Reifenkosten (inklusive Montage)
  • Sommerreifen (265/65-305/30 ZR 21): 1270 Euro
  • Winterreifen (245/45-285/40 R 20) : 1286 Euro
  • Preise/Wertverlust
  • Testwagenpreis 2/20 (inkl. Extras): 171.182 Euro
  • Aktueller Neupreis (inkl. Extras): 171.515 Euro
  • Schätzpreis 2/23: 98.560 Euro
  • Wertverlust des Testwagens: 72.622 Euro
  • Gesamtkosten für zweieinhalb Jahre
  • auf 100.000 km: 17.752,53 Euro
  • Kosten pro km: 0,18 Euro
  • Kosten pro km mit Wertverlust: 0,90 Euro


Und wir stellen fest: Bei Vollgas säuft er wie ein Elfer, nur eben kein Super Plus, sondern Strom. Und weil wir viel Langstrecke gefahren sind und immer unterwegs schnell geladen haben, können wir sagen: Erstens im Schnitt über die kompletten 100.000 km nur 20,15 kWh verbraucht, was an der guten Aerodynamik liegt. Also zweitens eine Reichweite von über 400 Kilometern ermittelt, was natürlich nur in der Theorie passt, denn in der Praxis musst du da laden, wo eine Säule steht.

Bildergalerie

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Porsche Taycan im Dauertest


Und drittens nimmt der Taycan auch im Winter (wenn du die Säule ins Navi eingibst und die Batterie vorkonditionierst) den Saft mit einer Ladeleistung bis zu 270 kW auf, wodurch die Batterie nach weniger als 20 Minuten wieder auf 80 Prozent ist. Und da wir gerade bei den Prozenten sind: DEKRA bescheinigt dem Akku nach all den Schnelllade-Exzessen auf unserer Mammutdistanz Neuzustand. Und somit fährt unser Babyblauer demnächst als gut eingefahrener Vorführwagen in sein zweites Leben.

  • Beschleunigung
  • 0-50 km/h: 1,9 s
  • 0-100/-130 km/h: 4,1/6,0 s
  • 0-160 km/h: 8,6 s
  • Zwischenspurt
  • 60-100 km/h: 1,8 s
  • 80-120 km/h: 2,2 s
  • Bremsweg
  • aus 100 km/h kalt: 33,6 m
  • aus 100 km/h warm: 33,6 m
  • Innengeräusch
  • bei 50 km/h: 55 dB(A)
  • bei 100 km/h: 64 dB(A)
  • bei 130 km/h: 67 dB(A)
  • Testverbrauch: 24,1 kW/h/100 km

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