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Porsche bekennt sich beim VfB Stuttgart zur 50+1-Regel

porsche bekennt sich beim vfb stuttgart zur 50+1-regel

Guter Draht zum Minister, schlechter Draht zum Investor: Claus Vogt mit Bundesagrarminister Özdemir auf dem Christopher Street Day.

Im Streit um den Einfluss von Investoren beim Fußballbundesligisten VfB Stuttgart hat der Sportwagenbauer Porsche jetzt klargestellt, dass es ihm keinesfalls um die Führung der Profiabteilung des Fußball-Bundesligisten geht. „Porsche bekennt sich selbstverständlich zur 50+1-Regelung. Wir verstehen uns als langfristiger Partner des VfB Stuttgart – aus der Region für die Region“, sagte ein Sprecher der F.A.Z. „Mit unserer Jugendförderung ‚Turbo für Talente‘ geht es uns vor allem um den Nachwuchs.“ Porsche hat erst im Januar Anteile an der in eine AG ausgegliederten Profiabteilung übernommen.

Zuvor hatten sich die Streitigkeiten bei dem baden-württembergischen Traditionsklub zugespitzt. Die im Verein „Commando Cannstatt“ organisierte Fanszene des Vereins hatte in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme ein „glaubhaftes Bekenntnis des Aufsichtsrats der AG“ verlangt, die Interessen der Mitglieder des Stammvereins „ernst zu nehmen, zu respektieren und im Sinne der 50+1-Regel und des Leitbilds des VfB zu agieren“. Nach dieser Vorschrift der Deutschen Fußball-Liga ist es Kapitalanlegern nicht möglich, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben.

Zudem fordert die Fanorganisation den sofortigen Rücktritt „des gesamten Präsidiums des Vereins, namentlich Präsident Claus Vogt, Vize-Präsident Rainer Adrion und Präsidiumsmitglied Christian Riethmüller“. Die Fanvertreter begründen die Forderung mit dem „Verkauf und Verrat der Mitgliederrechte“. Dadurch sei die Vertrauensbasis „endgültig komplett zerstört“. Erschwerend hinzu komme die „Zerstrittenheit und die damit einhergehende Schwäche als Präsidium des Vereins“.

Commando Canstatt ist gegen den Aufsichtsrat und Porsche

Nach Vorstellung der Fans soll zudem die gerade erst zur Aufsichtsratsvorsitzenden gewählte frühere baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner ihren Posten im Kontrollgremium sofort zurückgeben, „zunächst an den vom Vereinsbeirat einzusetzenden Interimspräsidenten“, nach der Neuwahl an den neuen Präsidenten des Stammvereins als Hauptvertreter des größten Anteilseigners der in einer AG organisierten Profiabteilung.

Die Fans greifen zudem Porsche an und unterstellen dem Sportwagenhersteller ein fragwürdiges Demokratieverständnis. „Die Porsche AG, vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder Lutz Meschke und Albrecht Reimold, nutzte offensichtlich die angespannte finanzielle Lage des VfB, um mit unverfrorenen Forderungen in die Verhandlungen zu gehen“, heißt es in dem Schreiben von „Commando Cannstatt“.

So sei schon zu Beginn der Partnerschaft der gewählte höchste Repräsentant des Hauptanteilseigners, der Präsident des Stammvereins, „zunächst massiv in Frage gestellt und am Ende mit Unterstützung des Daimler-Vertreters Peter Schymon entmachtet“ worden. „Man darf sich an dieser Stelle fragen, wie es um das Demokratieverständnis bestellt ist. Fakt ist: Das Vertrauen in die Integrität des Verhältnisses zwischen Porsche und dem VfB sowie in die handelnden Personen sind von Anfang an massiv beschädigt“, schreiben die Fans.

VfB-Vizepräsident Rainer Adrion und Präsidiumsmitglied Christian Riethmüller nehmen die Vorwürfe der „Cannstatter Kurve“ nach eigenen Angaben sehr ernst, verweisen aber mit Blick auf den sofortigen Rücktritt auf die Verantwortung, die sie gegenüber dem Verein und allen seinen nahezu 100.000 Mitgliedern haben. „Um uns den Themen zu stellen, wollen wir die ordentliche Mitgliederversammlung 2024 auf den nächstmöglich realisierbaren Termin ansetzen und den Mitgliedern unsere Position im Gesamtkontext der Weiterentwicklung des Vereins und den ehrgeizigen Zielen der AG sowie unserer Lizenzspielermannschaft erklären und mit ihnen diskutieren“, schreiben die beiden in einer Stellungnahme auf Anfrage. „Dort wollen wir die Frage in die Hände der Mitglieder legen.“ Präsident Claus Vogt kann sich nach Angaben eines VfB-Sprechers dazu nicht äußern, weil er sich auf einer Geschäftsreise befinde.

Ehemalige Umweltministerin Gönner soll sich zurückziehen

Zudem werde Tanja Gönner den Posten der Aufsichtsratsvorsitzenden abgeben, „sobald es eine andere Lösung gibt“, erläutert der VfB-Sprecher weiter und verweist dabei auf eine Aussage Gönners. „Mit den Aufsichtsratsmitgliedern unserer Partner Mercedes-Benz und Porsche bin ich der Meinung, dass in Zukunft die Idealbesetzung des Aufsichtsratsvorsitzenden ein Präsidiumsmitglied des Vereins sein sollte, das von den Mitgliedern direkt gewählt wurde und über die notwendigen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen verfügt“, hatte Gönner kurz nach ihrer Wahl gesagt.

Hintergrund des tiefen Zerwürfnisses sind die finanziellen Probleme der VfB Stuttgart. Weil der Fußball-Bundesligist im Sommer in großen Liquiditätsschwierigkeiten steckte, sucht der Vorstand der ausgegliederten Profiabteilung um Vorstandschef Alexander Wehrle verzweifelt nach Geldgebern. Weil Porsche sich nach eigenen Angaben mit einem langfristigen Bekenntnis zum VfB Stuttgart noch stärker für die Region Stuttgart engagieren wollte, übernahm der Sportwagenbauer im Januar für 41,5 Millionen Euro 10,8 Prozent der Anteile der Profiabteilung. Hinzu kommen weitere Sponsoring-Pakete sowie die Patenschaft für das VfB-Stadion, das künftig den Namen der Porsche-Tochtergesellschaft MHP trägt. Insgesamt engagiert sich Porsche so mit mehr als 100 Millionen Euro.

Was der Sportwagenhersteller allerdings von Anfang an auch deutlich machte, ist, dass mit dem Einstieg ein professioneller Neuanfang im Aufsichtsrat verbunden sein müsse. Im Blick hatte Porsche vor allem die Arbeit von Claus Vogt, der als Präsident des Stammvereins Mitglied im Aufsichtsrat ist und bis vergangenen Dienstag als Vorsitzender das Kontrollgremium führte. Ein Problem mit den Fans gab es von Seiten des Sportwagenherstellers nie.

Porsche knüpft sein Engagement an Vogts Rücktritt

Die Bedingung, dass Vogt als Aufsichtsratschef zurücktritt und das Gremium einen neuen Vorsitzenden wählt, sei vom VfB Stuttgart vor der Unterzeichnung der Verträge akzeptiert worden, wie Porsche und auch die VfB-Präsidiumsmitglieder Adrion und Riethmüller bestätigten. „Die Porsche AG hat in den Beteiligungsverhandlungen die konkrete Erwartung verknüpft, dass Claus Vogt den Aufsichtsratsvorsitz abgibt. Nachdem der Präsident dies schriftlich akzeptierte, haben die weiteren Präsidiumsmitglieder und die Mehrzahl der Aufsichtsräte dem zugestimmt“, schrieben Riethmüller und Adrion in einer Stellungnahme.

Vor eineinhalb Wochen erklärte VfB-Präsident Claus Vogt allerdings, dass er nicht zurücktrete – und als das Kontrollgremium ihn daraufhin absetzte und Gönner an die Spitze des Aufsichtsrats wählte, zweifelte Vogt die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens an. Er sei „in rechtlich fragwürdiger Weise abgewählt“ worden – und „ob der gefasste Beschluss Bestand haben wird, gilt es notfalls zu klären“.

Hauptargument von Vogt ist, dass den Mitgliedern des VfB Stuttgart im Jahr 2017 die „Personenidentität von Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzenden“ zugesagt worden sei, um die Zustimmung für die Ausgliederung der Profiabteilung zu erlangen. „Der Bruch dieser Regel ist für uns ein grobes Foul und kann so nicht stehen bleiben“, schreibt Vogt in einer Stellungnahme.

Mit dem offenen Brief der Fans scheint VfB-Präsident Claus Vogt auch die Unterstützer auf den Zuschauertribünen verloren zu haben, auf die er sich zuletzt so sehr berufen hatte. Bei der Auswärtspartie gegen die TSG Hoffenheim hatte Vogt noch demonstrativ die Nähe der Anhänger gesucht und fleißig Autogramme geschrieben.

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