Stellplätze

„Klimaschutz ist gesamt-gesellschaftliche Aufgabe“

Die Frage nach Klima- und Umweltschutz ist wichtiger als je. Worauf Reisende im Wohnmobil bei der Wahl von Stellplätzen in Zukunft achten können, erklären die Experten von Ecocamping.

Ecocamping ist seit über 20 Jahren die gemeinsame Nachhaltigkeitsinitiative von Campingwirtschaft und Umweltorganisationen. Über 200 Camping- und Stellplätze tragen die Ecocamping-Auszeichnung für nachhaltiges Management.

Enge Zusammenarbeit besteht zudem mit dem europäischen Umweltzeichen für Beherbergungsbetriebe, dem EU-Ecolabel. ecocamps.de Wir haben bei den Öko-Experten Martin Rolletschek, Ecocamping-Umweltingenieur, und Marco Walter, Ecocamping-Geschäftsführer nachgefragt, wie eine nachhaltige Zukunft von Stellplätzen aussehen kann. Wie nachhaltig Reisen im Wohnmobil grundsätzlich ist, haben wir uns hier im Report angeschaut: Wie nachhaltig ist verreisen im Wohnmobil?

Wie können Stellplätze zum Klimaschutz beitragen?

Rolletschek: Sofern Bauwerke notwendig sind, sollten diese möglichst mit nachwachsenden Baustoffen errichtet werden – das vermeidet die sogenannte “graue” Energie, die bei der Produktion der Baustoffe verbraucht wird. Außerdem speichern Holzbauteile langfristig das von den Bäumen vorher aus der Atmosphäre aufgenommene Kohlendioxid. Dächer und Fassaden sollten begrünt werden. Sofern Sanitäreinrichtungen vorhanden sind, dürfen keine fossilen Energien zur Bereitstellung des Warmwassers oder der Raumheizungen eingesetzt werden.

Hierzu bieten sich Photovoltaikanlagen in Kombination mit Wärmepumpen an. Die Stromversorgung der Standplätze muss mit zertifiziertem Ökostrom erfolgen. Wenig Versiegelung des Bodens und umfassende Begrünung sind ebenfalls wichtig, denn Humus ist ein guter CO2-Speicher.

Klappt das nur beim Neubau?

Rolletschek: Bei der Neuanlage von Stellplätzen ist es leichter, den Klimaschutz von Beginn an einzuplanen und ganzheitlich umzusetzen. Doch auch bestehende Anlagen können mit vielen Maßnahmen ihre Klimabilanz aufbessern. Das beginnt bei den betrieblichen Tätigkeiten zur Pflege des Platzes, wo zum Beispiel auf emissionsfreie Betriebsfahrzeuge gesetzt werden kann, geht weiter mit einem guten Abfalltrennkonzept, aber auch mit guten Informationen der Gäste zum Energiesparen, abfallarmen Einkaufen oder der Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln für Ausflüge in der Umgebung.

So kann ein Angebot an Lastenrädern zum Leihen dazu beitragen, die Einkaufsfahrten autofrei zu gestalten. Verfügt ein Reisemobilstellplatz über Funktionsgebäude, birgt eine energetische Sanierung viel Klimaschutz-Potenzial. Durch Nachrüstung von Spartechniken kann das Klima ebenfalls geschont werden. Böden können entsiegelt und Parkplätze mit Photovoltaik überdacht oder Solar-Zäune aufgestellt werden. Erzeugt ein Reisemobilstellplatz mehr Energie, als er selbst und seine Gäste verbrauchen, kann er sogar klimapositiv werden. Das Anpflanzen klimaresistenter Baumarten verbessert die Klimabilanz und erhöht die Aufenthaltsqualität für die Gäste.

„klimaschutz ist gesamt-gesellschaftliche aufgabe“ ECOCAMPING

Photovoltaik auf dem Dach ist auf vielen Stellplätzen machbar.

Klimaschutz auf Stellplätzen: ein Tropfen auf den heißen Stein?

Walter: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn wir sitzen alle auf derselben Arche Noah, sprich unserem Planeten Erde. Deshalb ist es wichtig, dass alle ihren Teil zur Erreichung der überlebensnotwendigen Klimaziele beitragen. Stellplatzbetreiber können dafür sorgen, dass der Aufenthalt so klimafreundlich wie möglich stattfindet, und tragen durchaus relevant dazu bei, dass diese Urlaubsform zukunftstauglich wird. Zudem haben sie eine Vorbild- und Signalwirkung.

Ist Klimaschutz auf Stellplätzen sehr kostenintensiv?

Rolletschek: Zunächst mal ist Klimaschutz volkswirtschaftlich um ein Mehrfaches günstiger, als später die Folgen des Klimawandels zu bezahlen. Sofern wir dann noch da sind, um etwas zu bezahlen. Betriebswirtschaftlich rechnen sich die meisten Klimaschutzmaßnahmen ebenfalls, denn sie gehen mit geringeren Energie-, Wasser- und Abfallkosten einher.

Ein Betriebsvergleich des Bundesverbands der Campingwirtschaft kam zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Campingplätze mit Ecocamping-Auszeichnung eine höhere Umsatzrendite erzielen, da sie effizienter mit den kostenintensiven Ressourcen wirtschaften. Andere Maßnahmen wie eine artenreiche Bepflanzung oder klimafreundliche Angebote heben die Qualität der Anlage und führen ebenfalls zu mehr Erfolg am Markt. Schönere “ökologische” Plätze führen auch zu einer längeren Verweildauer der Gäste.

„klimaschutz ist gesamt-gesellschaftliche aufgabe“ ECOCAMPING

Eine Bepflanzung ist gut fürs Klima und für die BesucherInnen.

Welche Fördermittel kommen für BetreiberInnen in Frage?

Rolletschek: Um sich im Fördermittel-Dschungel nicht zu verirren, ist eine Beratung durch Klimaschutz- und Energieexperten hilfreich. Viele der Maßnahmen sind wirtschaftlich ohnehin sinnvoll und daher auch ohne Förderung umzusetzen. Effiziente Gebäude werden mittels des GEG (Gebäudeenergiegesetz) gefördert. Andere Investitionen wie elektrische Betriebsfahrzeuge oder Ladeinfrastruktur werden ebenfalls gefördert. Auch der Wechsel von fossiler zu erneuerbarer Energie wird unterstützt. Mein Tipp: foerderdatenbank.de

Staatliche bzw. behördliche Auflagen: Fluch oder Segen?

Walter: Baurechtlich sind Reisemobilstellplätze meistens als spezielle Parkplätze geplant und genehmigt. Sobald Gebäude vorgesehen sind, müssen die Vorgaben zur Energieeffizienz erfüllt werden. Das Gebäudeenergiegesetz GEG wird für Nichtwohngebäude zum rechtlich verbindlichen Maßstab. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Solarpflicht für Neubauten, welche bisher nur in einzelnen Bundesländern gilt, auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet wird. Die Umweltgesetze und -verordnungen müssen ohnehin in allen für den Reisemobilstellplatz relevanten Bereichen eingehalten werden.

Rolletschek: Deutschland ist weithin für seine Bürokratie bekannt, und davon bleibt keine Unternehmung verschont. So werden innovative Baukonzepte wie zum Beispiel “Earthships” in Deutschland nur mit viel Mühen und Kreativität genehmigt. Auch was dezentrale biologische Abwasser- und Kompostiersysteme anbelangt, ist der Weg durch die Bürokratie äußerst steinig und teils nicht zu bewältigen. Selbst der Bau größerer Photovoltaikanlagen wird durch zu viel Bürokratie erschwert.

Ist Klimaneutralität alles, wenn es um Ökologie geht?

Walter: Klimaneutralität ist eines der wesentlichen Ziele zum Erhalt eines lebenswerten Planeten. Da bestimmte Veränderungen nicht abwendbar erscheinen, sind allerdings auch Strategien zur Klimafolgen-Anpassung notwendig. Hitze und Dürre auf der einen Seite, Stürme oder Hochwasser auf der anderen Seite, aber auch invasive Arten gehören hier zu den Herausforderungen auch für Stellplatzbetreiber. Das zweite globale Umweltthema ist der Verlust der Artenvielfalt.

Stellplatzbetreiber können durch eine naturnahe und auf Artenvielfalt ausgerichtete Gestaltung ihrer Anlage einen wichtigen Beitrag zur regionalen Biodiversität leisten. Mit der Klimaneutralität verwoben sind zudem Begriffe wie die Energie- und Mobilitätswende, die Stärkung regionaler Kreisläufe, der Schutz von Böden und Gewässern sowie die Agrarwende im Sinne einer naturverträglichen Lebensmittelproduktion. Reisemobilstellplätze sind mit all diesen Themen direkt oder indirekt verbunden und leisten durch ihre Unternehmensentscheidungen einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung.

Mehr Ecocamping-Plätze gibt es bei unserem Schwestermagazin CARAVANING

Die besten Ecocamps in Deutschland gibt es hier. Noch mehr Plätze in ganz Europa haben wir hier vorgestellt: Ecocamping-Plätze in Italien, Kroatien und Slowenien und mehr Ländern.

Fazit

Zwei Experten von Ecocamping erklären, wie Klimaschutz auf Stell- und Campingplätzen möglich ist und was es am Ende für die Reisende und Stellplatz-NutzerInnen bringt. Am Ende sind klimafreundlichere Stellplätze nämlich auch schöner für den Urlaub, weil sie einfach grüner und natürlicher sind. Der Erfolg gibt Ecocamping recht.

Wie Sie nachhaltiger unterwegs sein können: 10 Tipps für mehr Nachhaltigkeit.

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