Alfa Romeo

Alfa Romeo 4C

Klassiker der Zukunft: Unterwegs im Alfa Romeo 4C Spider von 2018

Wie fährt der kleine Carbon-Exot? Lohnt sich ein Kauf?

klassiker der zukunft: unterwegs im alfa romeo 4c spider von 2018

Hin und wieder kreiert der Zufall die angenehmsten Begegnungen. Dass der misanoblaue Alfa 4C Spider mit dem Wagner am Steuer durch bayerische Sommerlandschaften brettert, war nämlich gar nicht geplant.

Ursprünglich wollte mir Stellantis Deutschland einen Lancia Delta Integrale zum Legenden-Test vor die Redaktion stellen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, das wäre natürlich auch ein hocherfreuliches Têt-à-Têt gewesen. Aber wie das nun mal so ist mit Legenden – sie benehmen sich hin und wieder etwas divenhaft. Der Delta-Antrieb hatte einen leichten Katarrh. Kann schon mal passieren im fortgeschrittenen Rallye-Ikonen-Alter, da ist ihm wirklich niemand böse. Wir werden das irgendwann nachholen. Aber eine Alternative musste her.

Jetzt ist der “Oldie”-Fundus der in Frankfurt ansässigen Stellantis-Italo-Fraktion recht umfangreich. Und überaus wunderbare, bemühte Menschen findet man dort auch. So war ein Delta-Ersatz schnell organisiert. In Form dieses 3,99 Meter langen Mittelmotor-Roadsters, den Alfa Romeo entgegen jeglicher wirtschaftlicher Vernunft allen Ernstes mit einem kompletten Carbon-Chassis ausrüstete.

Der 4C (für Quattro Cilindri) passt uns eh gerade wunderbar in den Kram. Weil es ziemlich genau 10 Jahre her ist, dass er auf den Markt kam und relativ genau fünf Jahre, dass er von selbigem wieder verschwand. Zumindest in Europa.

Bei dem unverschämt attraktiven Gefährt auf den Bildern handelt es sich übrigens um das Sondermodell Spider Italia von 2018, von dem genau 108 Exemplare gefertigt wurden. 10 davon kamen nach Deutschland. Diese etwas einschüchternde Exklusivität erklärt vermutlich auch den horrenden Testwagenpreis von (damals) 78.500 Euro. Kurz danach, im August 2018, war das Kapitel 4C in unseren Breitengraden dann beendet. In den USA lief das Mini Me-Supercar noch bis 2020 weiter.

Vor 12 Jahren in Genf

Ihren Anfang nahm die 4C-Story auf dem Genfer Autosalon 2011. Heute kaum vorstellbar: Langbeinige Schönheiten räkelten sich auf einem matt roten Zweisitzer-Coupé mit Verbrennungsmotor und die Welt war begeistert. Selbst die Süddeutsche Zeitung titelte: “Ja, Alfa Romeo kann es noch.” Heute würde der SZ-Autor für solch unwokes Gedankengut vermutlich schneller gefeuert als er “Me too” oder “CO2-Ausstoß” sagen kann.

Was für Alfa-Verhältnisse beinahe einem Wunder gleichkommt: “Nur” zwei Jahre später präsentierte man – wieder in Genf – tatsächlich die Serienversion des heißen Mittelmotor-Coupés. Die Änderungen im Vergleich zur Studie waren überschaubar. Der Blick in die neuen Carbon-Augen ließ die Fans allerdings erschaudern. Später bot man aufgrund anhaltender Kritik klassische Glas-Scheinwerfer an. 

Innen sah die Sache ein wenig anders aus. Das reichlich glamouröse Concept Car-Interieur wich in der Serie einem eher simplen, etwas lieblos hingeklatschten und recht sorglos zusammengebauten Cockpit mit dem Charme der frühen 90er. Inklusive Ein-Slot-Nachrüst-Radio von Alpine, das mich unweigerlich an eigene McDonalds-Parkplatz-Tuningtreffen-Jugendsünden erinnert. Das Ding ist wahrlich kein Vergnügen.

Im Oktober 2013 wurden die ersten Exemplare ausgeliefert. Gefertigt wurde in Handarbeit bei Maserati in Modena. Das lediglich 65 Kilogramm schwere Kohlefaser-Monocoque lieferten die Spezialisten von Dallara. Wie man das von Alfa ja durchaus kennt, schönte man sich das Gewicht so ein bisschen hin, dass es halt möglichst gut klang. 895 Kilo taten genau dieses. Dass man hier alle Flüssigkeiten plus Fahrer wegrationalisiert hatte, konnte man ja auch noch später sagen. Letztlich lag das EU-Gewicht (also inklusive Fahrer) bei 1.020 Kilogramm. Immer noch ein sehr beachtlicher Wert.

Im Sommer 2015 schob man dann den offenen Spider nach. Der wurde im März 2014 – einmal mehr in Genf – als Studie gezeigt und im Januar 2015 serienreif auf der NAIAS in Detroit. Gewicht: Gerade mal 10 Kilo mehr als das Coupé. 

Der Bereich, in dem schnelle Luft die Frisuren der Insassen ruinieren kann, ist aber auch recht überschaubar. Es targat eher als dass es roadstert. Der kleine Verdeck-Stofffetzen ist, wenn man einmal raus hat, wie es geht, selbst alleine in einer knappen Minute (ab-)montiert. Hat man es nicht raus, beißt man nach 10 Minuten entnervt in die A-Säule und schreit nach seiner Mami.

Gepäck sollte man, zumindest wenn man offen fahren möchte, auf das Nötigste reduzieren. Sie sehen hier ja das Fächlein hinter dem Motor. Und vorne bleibt der 4C grundsätzlich zu. Ja wirklich, man kann die Fronthaube nicht öffnen. 

Fahrerisch unvollendet

Hat man sich einmal über den breiten Kohlefaser-Steg hineingeschält ins recht zierlich geschnittene Kabinlein – was das reinste Kinderspiel ist im Vergleich etwa zu einer hundsgemeinen Lotus Elise – erklärt sich eigentlich alles von selbst. Das ist wiederum der Vorteil an diesem Asketen-Cockpit. 

Alfa hat wohl darauf gesetzt, dass die Unmengen an Sichtcarbon und die schicken Leder-Alcantara-Stühle das schon regeln mit dem Ambiente. Letztere wirken auf den ersten Blick ein wenig spärlich, sind aber überraschend bequem. 

Und wenn man dann so runterschaut auf die Ferrari-esken Gangwahl-Knöpfe und den Kohlefaser-Fußraum mit der stehenden Alu-Pedalerie, dann ist man doch irgendwie ganz schön verzaubert von seiner unmittelbaren Umgebung. Da verzeiht man sogar das klobige Lenkrad. 

Erweckt man den 4C per klassischem Schlüsseldreh zum Leben, merkt man bereits nach Sekundenbruchteilen, wer in diesem Konzept die Hauptrolle spielt. Es ist der 1,8-Liter-Turbo aus der Giulietta Quadrifoglio. Im einstigen Golf-GTI-Gegner ist das Aggregat weitgehend unspektakulär. Hier ist genau das Gegenteil der Fall. Um 12 Kilo erleichtert, um 5 PS erstarkt (nun mit 240 PS und 350 Nm Drehmoment) und in diesem Fall mit serienmäßiger Akrapovic Titan-Abgasanlage versehen, sprudelt es schon im Stand aus ihm heraus als würde er am liebsten SOFORT die ganze Welt überholen. 

Man darf sich einmal mehr fragen, welche hohen Herren in den Zulassungsbehörden zu den seeehr engen Freunden des Hauses gehören, damit diese fulminante Ansammlung an Geräuschen ein Okay für die Serie bekommen hat. 

In den sportlicheren Modi Dynamic und Race brabbelt und gurgelt und wütet und tobt es einem die Tränen der Freude ins Antlitz. Beim Durchbeschleunigen umrahmt von einem unerhört prominenten Turbo-Pfeifen. Alles ist laut und anarchisch und absolut herrlich. Nicht verkehrt auch in diesem Zusammenhang: Ein kurzer Klick in den Normal-Modus setzt diesem völlig ungestümen Spectaculum ein schnelles Ende. Das beste aus zwei Welten quasi, falls man vielleicht doch den Frieden in der Nachbarschaft wahren will. Oder tatsächlich mal den ein bis drei Sendern lauschen möchte, die das Radio findet. 

Natürlich hat der Einsachter im Kreuz absolut leichtes Spiel mit der knappen Tonne, die er bewegen muss. Er geht in dieser Applikation einfach richtig schön durch die Decke. Ein Gute-Laune-Macher mit schnörkellosen Reaktionszeiten und saumäßig viel Charakter. Das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe gibt auch keinen wirklichen Anlass zu Kritik.

Dass der 4C nicht die Fahrmaschine ist, die er hätte sein können (und eigentlich auch sein müssen) liegt definitiv nicht an seinem Antrieb. Das große Problem an diesem Auto ist die fürchterliche Lenkung. Wir finden hier ein Setup vor, das man eigentlich gar nicht versauen kann. Die Hilfsrahmen am Monocoque sind aus Aluminium und tragen hinten Querlenker mit McPherson-Federbeinen, vorne Doppelquerlenker. Die Lenkung selbst ist absolut elektrofreie Zone, hat noch nicht mal Servo-Unterstützung. 

Lenkgefühl und Verbindung zur Straße müssten sich anfühlen, als hätte der Gott des Handlings höchstpersönlich seinen Segen gegeben. Stattdessen finden wir hier die wohl schlimmste Lenkung, die es je in einen Sportwagen geschafft hat. Man hat einfach keine Ahnung, was sie als nächstes tut. Ziemlich wahrscheinlich das genaue Gegenteil von dem, was man erwartet hat. Mal hat sie viel zu viel Spiel, dann verhärtet sie wieder an den unmöglichsten Stellen. Es fühlt sich an wie eine variable Lenkgeometrie, die gerade einen massiven Hirnschaden erlitten hat und völlig durchdreht. 

Das ist furchtbar schade, denn das Auto liegt fantastisch, ist quirlig, hat in der Balance eigentlich die typischen Mittelmotor-Stärken (keine Drift-Machine, aber trotz des kurzen Radstands einen sehr gnädigen und spaßigen Übergang von Grip zu Slip). Aber das ist alles nur die Hälfte wert, wenn über die Lenkung kein richtiges Gefühl für die Machenschaften der Vorderachse aufkommt. 

Mir wurde häufiger berichtet, dass man durch das Nachrüsten eines vernünftigen Gewindefahrwerks mit einer kundigen Einstellung sehr viel verbessern kann. Selbst ausprobiert habe ich es aber nicht. 

Letztlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass so viel Kohle für die Kohlefaser verbrannt wurde, dass nicht mehr genug da war, um dem Auto den letzten fahrdynamischen Feinschliff zu verpassen. 

Sicher ein Klassiker der Zukunft 

Der Faszination für diesen traumhaft proportionierten (keine vier Meter kurz, aber 1,86 Meter breit), gottgleich gezeichneten Wagen tut das letztlich keinen Abbruch. Es ist das alte Alfa-Phänomen: Du leidest innerlich, weil du weißt, was möglich gewesen wäre, aber böse kannst du ihm auch nicht sein. 

Weil er aussieht, wie er aussieht. Weil er klingt, wie er klingt. Weil er geht wie die Sau. Weil er trotz mancher Unzulänglichkeit mehr Bock macht als der übliche, sterile Einheitsbrei. Weil du ihn locker mit 7-8 Liter fahren kannst. Und weil ich – auch das ist typisch Alfa – in einer Woche mehr Daumen nach oben bekommen habe, als ich zählen kann (ich bin kein guter Zähler, aber es waren sehr viele). 

Dass der 4C Spider ein Klassiker der Zukunft ist, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen. Er ist ja eigentlich jetzt schon voll dabei. Von den insgesamt 9.117 gebauten 4C waren mit Ach und Krach 2.000 Stück offen.

Und wenn Sie sich einen anschaffen wollen, dann scheint er auch aus einem ganz anderen Grund eine gute Wahl zu sein: Auf Nachfrage beim Alfa Romeo-Partner Autowelt Schneider in Ismaning, wurde mir die Auskunft gegeben, dass die 4C in ihrer Obhut noch immer keinerlei Mängel aufweisen, die über normalen Verschleiß hinausgehen. Es gäbe keine typischen Schwächen. Das mag auch an den üblicherweise sehr geringen Laufleistungen liegen, aber schön zu hören ist es allemal. 

Günstig ist die Angelegenheit indes nicht. Blickt man in die einschlägigen Gebrauchtwagen-Börsen, liegt der günstigste 4C Spider bei 71.900 Euro, der teuerste bei 105.000 Euro, im Mittel werden um die 80.000 Euro verlangt. Das übersteigt schon jetzt in den meisten Fällen den Neupreis. Einen stärkeren Klassiker-Indikator kann es kaum geben.

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