BYD

Fahrbericht BYD Seal: Starke Ansage!

Mit dem Seal positioniert sich BYD in der oberen Mittelklasse – und macht da durchaus eine starke Ansage.

fahrbericht byd seal: starke ansage!

(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Für die, die der internationalen Fahrpräsentation nicht beiwohnen durften, tourte BYD nochmal mit regionalen Fahrpräsentationen durchs Land: Bei der Händlervorführung wurden je für einen Tag Dolphin und Seal ausgeklinkt, um die Presse damit fahren zu lassen. So starten wir also in der Tiefgarage der Motorworld München zwischen zahlreichen Fisker Ocean, Microlino (diese Start-Ups unterhalten hier Dependancen), Ferraris, Mc Larens und zahlreichen mehr oder weniger wertvollen Oldies.

Von denen allen sich der Seal nicht den Schneid abkaufen lässt: Satt schließt seine Tür und damit vermittelt er schon beim Einsteigen jenes Premiumgefühl, das Audi, BMW, Jaguar, Lexus, Mercedes-Benz oder Volvo zu eigen ist. Und neuerdings auch Nio, ein bisschen auch Tesla oder Xpeng.

Innen punktet der Seal mit feinem Rautenstepp und feinem Ambiente

Von Letzteren hebt er sich durch optische Üppigkeit und eine einigermaßen eingängige und konservative Bedienstrategie ab, Gesteppte Polster, zweifarbige Doppelnähte, viel Leder(imitat) plus Velours samt wertiger Lautsprecher – das alles kennt man von erstgenannten Marken, die für ein ähnliches Niveau aber erst ab 70.000 Euro plus einsteigen. Unser Seal 3.8S (der mit seinen 390 kW und 670 Nm ungefähr einem aufgeladenen 3,8-Liter-V6 entspricht) kostet 53.661 Euro brutto, die einfachere Heckantriebsversion mit 230 kW und 360 Nm startet gar bei 47.578 Euro.

Beeindruckend: Die günstigen Verbräuche

Wir strömen also aus der Tiefgarage und wählen unsere verkürzte Testrunde und sind gleich wieder überrascht von extrem niedrigen Verbräuchen: In der Stadt bleibt er unter 13 kWh/100 km – gut, verkürzt, ohne viel Stopp-and-go, über Land meldet er trotz einiger spaßiger Sprints 15,9 und auf der Autobahn mit bis zu 192 km/h laut Tacho zwischen 19 und 25 kWh/100 km. Der Verbrauch seit Kilometer null, der auch immer angezeigt wird: 20,2 kWh/100 km – das wären gut 22 kWh/100 km brutto. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass Auto von allen möglichen Personen immer irgendwie bewegt wird, die Heizung gern mal auf 23 Grad temperieren darf oder die Klima im Sommer 18 Grad halten musste, ist das ein echt guter Wert!

Und um Lichtjahre besser als im etwas größeren und mittlerweile schon drei Jahre alten „Han“, der sich unter den Umständen brutto gern 25 kWh/100 km plus x gezogen hätte! Hier hilft die neue Plattform samt dem eigenen 8-in-1 gefertigten eigenen Motor samt der guten Aerodynamik gut beim Sparen.  Wobei ein ähnlich potentes Tesla Model 3 hier mithält, die übrigen Kandidaten eher nicht.

Laden? Mit bis zu 150 kW, aber das eher nur kurz!

Sie laden dafür besser: Unser Kollege Robin Engelhardt steckte zwischendrin mal etwas länger an und stellte fest: Zwar zieht der Seal kurz mit 152 kW und übertrifft damit die angegebenen 150 kW Ladeleistung, aber in Schnitt nuckelt der Seal dann nur mit 83 kW vor sich hin – da sind andere viel schneller!

Und weil wir grad beim Kritteln sind: Auf der Autobahn verliert der Seal dann auch seine Souveränität im Fahrwerk: Während er sich innerorts und über Land sehr gut abgestimmt zeigt – er ploppt zum Beispiel kleine Querfugen so kompetent weg, als gäbe es sie gar nicht – und bleibt im Sport-Modus auch sonst sehr straff und souverän, ist es 150 km/h vorbei mit souverän: dann wirkt er hibbelig, die Windgeräusche tösen und man kommt freiwillig wieder zurück auf Richtgeschwindigkeit – was auch dem Verbrauch hilft. Auch die Lenkung dürfte gern noch etwas mehr rückmelden, geht aber in Ordnung.

Der Sound? Bis 30 km/h gibt der Seal ein geisterhaftes Heulen von sich, darüber klingt er nach irgendwas – die E-Maschinen sind aber etwas präsenter als bei anderen. Also das Dynaudio Premium-Soundsystem mit 12 Speakern aktiviert, das sehr guten Sound bietet, aber zum „Konzertsaal“ noch etwas Luft hätte – doch das Gebotene wird den meisten Fahrenden gefallen.

Die Spracheingabe? So lala

Weniger gefallen dürfte ihnen das durchwachsene Verständnis der Spracheingabe: Während man leicht ein paar Grad wärmer oder kälter machen oder nach xxx navigieren kann, klappen Befehle wie „Spiele Bayern 3 im Radio“ eher nicht. Dazu sollte man vorher bewusst Radio auswählen sowie manche Funktionen tief im Menü auf dem drehbaren Screen versteckt sind. So auch die Sitzheizung oder –kühlung (bei Klimatisierung) oder die teils nervtötenden Fahrassistenten (im ADAS-Menü), die man im Falle des Geschwindigkeitswarners oder Spurhalteassistenten gern wegtoucht! Ersterer piept bei jeder Überschreitung dreimal (der Seal kann jetzt im Gegensatz zum Atto 3 alle Tempolimits lesen – auch auf Autobahnbrücken), das aber nach jedem neuen Verkehrszeichen und: er greift sehr eckig ins Lenkrad, wenn man die Spur verlässt. Auch da hat er noch Luft nach oben – bietet sonst aber eines der logischsten und verständlichst aufgebauten Menüs aller chinesischen Marktbegleiter!

Sodass er sich in der Summe seiner Eigenschaften schon so nah an BMW i5, EQE und Co. heranrobbt, dass der im übertragenen Sinne schon den Atem im Nacken des Seal spüren könnte. Klar – dessen finale Perfektion erreicht er nicht, aber: Er ist nicht so viel schlechter, wie er billiger ist! Weshalb seine schärfste Konkurrenz eher in Korea (lädt viel schneller und ist nicht teurer) oder im chinesischen Werk von Tesla produziert wird. Wenn jetzt noch Ersatzteilversorgung und Service stimmen, könnte der Seal einigen Marktbegleitern (auch dem sich eben erst warmfahrenden VW ID.7) einige Kunden wegnehmen.

Womit wir wieder zurück sind und die Tür des Seal zwischen all den Luxusautos schließen – mit sattem Premiumklang.

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