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Enviria setzt auf Solaranlagen im XXL-Format

Die deutsche Industrie klagt über hohe Strompreise. Dabei könnten viele Firmen den Strom selbst erzeugen – mit PV-Anlagen auf Gewerbebauten.

In Oranienburg gibt es bereits 16 Ladestationen für Elektroautos – neue werden erst einmal nicht hinzukommen. Schlechte Karten hat in der 50.000 Einwohner zählenden Stadt in Brandenburg auch, wer sein Haus künftig mit einer elektrischen Wärmepumpe heizen möchte. Oder Strom mit einer Photovoltaik-Anlage produzieren und ins Netz einspeisen möchte: Vor 2026 ist daran in Oranienburg nicht zu denken. „Bis auf Weiteres können wir Netzanschlussvorhaben und Leistungserhöhungen mangels ausreichender Kapazität in unserem Stromnetz nicht realisieren. Selbstverständlich arbeiten wir mit Hochdruck daran, die dauerhafte Fähigkeit unseres Netzes zur Erfüllung der steigenden Nachfrage nach Energie sicherzustellen. Allerdings liegt die Netzausbaugeschwindigkeit nicht allein im Einflussbereich unseres Hauses, sondern u.a. auch in dem unseres vorgelagerten Netzbetreibers“, heißt es auf der Website der örtlichen Stadtwerke.

Der Fall macht gerade bundesweit Schlagzeilen: Einer Stadt geht der Strom aus, weil Anschlüsse an Hochspannungsnetz fehlen, das örtliche Umspannwerk keine Kapazitäten mehr frei hat und ein neues voraussichtlich erst 2026 fertig wird. Die Bundesnetzagentur wirft dem Netzbetreiber Edis Versäumnisse vor und spricht von einem „Einzelfall“. Doch Melchior Schulze Brock, Gründer und CEO des Solar-Start-ups Enviria, kennt aus seiner unternehmerischen Praxis etliche Projekte, wo Engpässe im Stromnetz die Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen bremsen.

Riesige Potentiale

Und dabei geht es um die Integration großer Anlagen ins Netz, nicht nur um ein paar tausend Solarmodule auf den Dächern privater Ein- oder Mehrfamilienhäuser. Denn Enviria hat sich auf Freiflächenanlagen und die Ausstattung von Gewerbeimmobilien mit Solaranlagen spezialisiert – hier sieht der ehemalige Banker und Landwirts-Sohn die größten Potenziale. Für die Energiewende, aber auch für sein eigenes Unternehmen.

enviria setzt auf solaranlagen im xxl-format

Guter Riecher Melchior Schulze Brock, 41, hat Enviria 2017 aus der Taufe gehoben. Die Idee dazu kam dem gelernten Banker, als er den Bauernhof seiner Eltern mit einer PV-Anlage ausrüsten wollte. Fotos: Enviria

Bis heute hat Enviria bundesweit mehr als 200 kommerzielle Projekte mit einer installierten Leistung von über 70 Megawatt realisiert. Weitere 2000 Projekte in Deutschland sind in Planung, die bis 2029 in Summe 2,3 Gigawatt Solarstrom generieren könnten – wenn sie denn bis dahin realisiert werden können.

Enviria deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette ab, von der Planung der Anlage über den Bau mit eigenen Kräften und den Betrieb bis hin zur Integration von Ladestationen und Energiespeichern. Unternehmen können die Anlagen kaufen oder mieten. Weiterhin betreibt Enviria Anlagen auf gepachteten Dächern und verkauft den dort erzeugten Strom. Das Konzept überzeugt: Kürzlich hat mit Blackrock der weltgrößte Vermögensverwalter über seinen Fonds Global Renewable Power IV 200 Millionen US-Dollar in den Frankfurter Solaranlagen-Spezialisten investiert.

Netzbetreiber bremsen den Ausbau

Aktuell werden in Deutschland nur etwa ein Zehntel aller geeigneten Dächer von Logistikzentren, Lager- und Produktionshallen für die Erzeugung von Sonnenenergie genutzt. Weil den Eigentümern der Immobilie das Investment zu groß erscheint – oder weil es keine Möglichkeit gibt, den gewonnenen Sonnenstrom ins Netz einzuspeisen. Weil es an Trafos fehlt oder die nächste Umspannstation mit freien Kapazitäten weit weg liegt.

enviria setzt auf solaranlagen im xxl-format

Die Masse machts Eine Solaranlage auf dem Dach einer Lagerhalle oder eines Fabrikgebäudes rechnet sich schneller als die auf einem mit Ziegel gedeckten Satteldach eines Einfamilienhauses: Die Fläche ist größer und eben. Da sind die Module schnell montiert.

Neue Trafostationen und mehrere hundert Meter lange Anschlusskabel aber verhageln das Geschäftsmodell. Die Lieferzeiten bei Großtrafos liegen aktuell bei 40 Wochen – die Bauteile sind auch bei Betreibern von Ladestationen für Elektroautos derzeit heiß begehrt. Und bis alle Genehmigungen vorliegen, vergehen dann meist noch einmal etliche Monate – weil die über 850 deutschen Netzbetreiber personell überlastet sind und meist ihre eigenen Anmeldesysteme haben, die in den wenigsten Fällen digital zugänglich sind. „Es wäre schon viel gewonnen, wenn zwischen Antragstellung und Genehmigung tatsächlich nur acht Wochen lägen“, sagt der bürokratiegeplagte Enviria-Chef.

Vielleicht sorgen die Netzanschlussprobleme in Oranienburg ja jetzt dafür, dass die Engpässe schnell beseitigt werden: Beim „Netzanschluss-Gipfel“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) standen Maßnahmen zur Beschleunigung von Netzanschlüssen ganz oben auf der Tagesordnung.

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