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Dynamische Stromtarife: E-Auto dann laden, wenn andere schlafen

dynamische stromtarife: e-auto dann laden, wenn andere schlafen

Die Strompreise gehen so langsam wieder zurück. Dennoch bleibt je nach Tarif das Laden eines Elektroautos ein teurer Spaß. Aber es gibt Möglichkeiten, Geld zu sparen.

Irgendwie klingt es noch immer wie ein Witz: Nach mehr als 130 Jahren mit diversen Verbrennungsmotoren soll der Automobilbau sich jetzt bitte ganz schnell dahin entwickeln, wo er 1888 begonnen hat – Richtung Elektroantrieb. So hat es die Politik beschlossen. Die Botschaft: Deutschland setzt auf E-Mobilität.

Doch leider funktioniert Fahren per Hochspannung nicht so einfach wie Regierende das gerne hätten. Für die Energie aus fünf Litern Sprit braucht es einen Akku mit 300 Kilo und mehr. Und selbstverständlich jede Menge Ladestationen. Fest steht: Die Akzeptanz von E-Autos steht und fällt mit der Reichweite. Und selbstverständlich mit dem Strompreis. Denn mit einem Elektroauto in der Garage steigt – je nach Fahrleistung – der private Verbrauch schnell um bis zu 50 Prozent.

Stromtarife normalisieren sich

Aktuell geht das ordentlich ins Geld. Zwar pendeln sich die Stromkosten nach den Rekordspitzen in Folge des russischen Angriffskrieges langsam wieder auf normalem Niveau ein – aber schon für Normal müssen die Deutschen im Vergleich mit anderen EU-Staaten besonders tief in die Tasche greifen. Dabei muss man gar nicht auf den Preis für Kleinverbraucher von 45,36 Cent schauen, auch bei Tarifen für die klassische Durchschnittsfamilie fallen üppige 41,25 Cent pro Kilowattstunde an: Nur in den Niederlanden, in Liechtenstein, Belgien und Rumänien war der Strom für Privatverbraucher noch teurer im zurückliegenden Jahr. Der EU-Schnitt lag in der ersten Hälfte von 2023 bei 28,9 Cent pro Kilowattstunde. Billigste Länder waren Bulgarien (11 Cent), Ungarn (12 Cent) und Malta (13 Cent). Das Problem hierzulande ist dabei gar nicht so sehr der Strom an sich, sondern der satte Aufschlag aus Steuern, Abgaben, Netzentgelten und Umlagen.

Wohl dem also, der sein Auto über die eigene Photovoltaik-Anlage laden kann. Die Sonne scheint schließlich gratis – und Verbraucher sparen gegenüber dem Strom aus dem Netz nämlich vor allem dann, wenn sie den selbst erzeugten auch selbst verbrauchen. Für eingespeisten Überschuss gibt es schließlich nur acht Cent je Kilowattstunde zurück.

Der ADAC zeigte schon vergangenes Jahr in seinem Sonnenkilometer-Monitor: Wer fürs Laden seines E-Autos eigenen Solarstrom nutzt, fährt bei Kosten und CO2-Emissionen unter den aktuellen Bedingungen deutlich besser als mit anderen Ladeoptionen. Umgerechnet macht der Unterschied mehr als 9000 Kilometer pro Jahr aus. Voraussetzung: Das Laden erfolgt idealerweise tagsüber, wenn Solarstrom reichlich fließt.

Laden, wenn es günstig ist

Eine verlockende Rechnung. Doch bei weitem nicht jeder genießt die Vorteile eines Heims mit privaten Solarzellen auf dem eigenen Dach – und so irren vor allem Mieter durch den Tarifdschungel der Stromanbieter und Netzbetreiber. Die einzige Chance: der Weg an die Börse. Genau genommen nach Leipzig, wo Strom gehandelt wird wie Aktien. Auf diesem Weg kann man sein E-Auto dann laden, wenn der Kurs gerade günstig steht. Das ist in aller Regel nachts der Fall, so dass in den meisten Fällen gar kein Aufwand erforderlich ist. Laut einer Studie des ADAC vom Februar dieses Jahres liegt der durchschnittliche Strompreis zwischen Mitternacht und sieben Uhr morgens nämlich bei nur etwa 21 Cent je Kilowattstunde. Man zapft also billig, während man schläft.

Voraussetzung für das kluge Zusammenspiel von Auto und Netz ist allerdings ein Energie-Management-System, das die Anforderungen seiner Verbraucher kennt und deren Stromversorgung pfiffig staffeln kann. Wer traditionell über Nacht die Wallbox nutzt und morgens losfährt, dem kann es schließlich egal sein, ob der meiste Strom um Mitternacht fließt, um halb drei oder vielleicht schon während der Tagesthemen – Hauptsache, früh um sieben ist der Akku voll. Der Netzbetreiber hat da ganz andere Prioritäten. Den in Bezug auf das eigene Fahrprofil richtig auszuwählen, ist das erste Kriterium. Planung und Optimierung des Ladevorgangs überlässt man dann klugerweise einer App. Bei der Auswahl der Laderoute ist man das schließlich auch längst gewöhnt.

Maximal 20 Cent bei Octopus

Octopus Energy etwa bietet in Deutschland ab sofort einen dynamischen Tarif an, bei dem die Kilowattstunde maximal 20 Cent kostet. Einzige Voraussetzung: Das Unternehmen übernimmt das Lademanagement. Und: Der Nutzer braucht einen Smart Meter – ein intelligentes Messsystem, das digital Daten sendet und empfängt und in ein Kommunikationsnetz zur Fernübertragung eingebunden ist. „Den unschlagbar günstigen Preis holen wir durch unsere intelligente Optimierung im Hintergrund heraus“, sagt Octopus-Deutschland-Chef Bastian Gierull. Werde der Tarif optimal genutzt, liege man bis zu 70 Prozent günstiger als Grundversorger mit ihren Standardtarifen.

Ein anderes Modell verfolgt zum Beispiel Tibber. Auch dort zahlen Kunden den jeweils aktuellen Börsenstrompreis (plus Steuern und Abgaben). Auf der Website heißt es: „Wir verdienen nichts am eigentlichen Verbrauch, sondern nur an einer Grundgebühr.“ Die liegt aktuell bei 5,99 Euro im Monat. Statt eines Smart-Meters wird allerdings ein Tracker benötigt, der einmalig mit 100 Euro zu Buche schlägt. Abgerechnet wird je nach Tarif monatlich oder sogar stündlich. Tibber bietet, wie andere Hersteller auch, den Kundinnen und Kunden dabei die Möglichkeit, ihren Verbrauch in einer App abzulesen. Je nach App und Anbieter gibt es auch Voraussagen über die im Tagesverlauf geltenden Preise. In den Apps kann man dann auch genau ablesen, für welchen Preis pro kWh-Stunden man beispielsweise den Geschirrspüler, die Waschmaschine hat laufen lassen – oder halt sein E-Auto aufgeladen hat.

Unterschiedliche Anbieter, unterschiedliche Angebote

Unternehmen wie Rabot.Charge gehen einen Mittelweg. Die monatliche Grundgebühr beträgt dort 4,99 Euro, ein Smart-Meter ist selbst bei einem E-Auto im Haushalt lediglich optional. Allerdings gilt auch: Für die jeweilige Einsparung gegenüber dem Tarif des Grundversorgers berechnet das Unternehmen 20 Prozent dieses Betrags als Service-Gebühr. Bei 1Komma5 garantiert man seinen Kundinnen und Kunden mit dem dynamischen Stromtarif Dynamic Pulse „immer den günstigsten und saubersten Strom – und das für die nächsten 2 Jahre zu maximal 15 Cent/kWh“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens.

Egal bei welchem Anbieter – das Prinzip ist überall dasselbe. In aller Regel wird einfach der jeweilige Verbrauch in die preislich günstigen Stunden verlagert. Ökologischer Kollateralnutzen: Genau diese Zeiträume sind auch die mit dem höchsten Anteil an grünem Strom. Indirekt begünstigt diese Verschiebung also auch den weiteren Ausbau von Wind- und Solarstrom. Das hilft dem Klima – und macht unabhängiger von den Krisen dieser Welt.

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