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Perfekt gegrillt II: Der lange Weg zu den BMW Nieren in XXL

Die Nieren von BMW-Modellen sind immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Sie sind auch ein Thema, mit dem sich Steve Saxty wie kaum ein anderer auskennt, da er zweieinhalb Jahre lang mit dem BMW-Designteam zusammengearbeitet hat. In Teil 1, den Sie hier lesen können, untersuchte er, wie Vor- und Nachkriegs-BMWs von riesigen vertikalen Nieren dominiert wurden. Jetzt bewegen wir uns weiter in die klassische Ära der 60er und hinein in die 70er Jahre, als sich der moderne BMW-Stil etablierte:

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Bayerischen Motorenwerke in einem schlechten Zustand. Statt Flugmotoren, Motorrädern oder Autos wurden zunächst Töpfe, Pfannen und Fahrräder hergestellt. Das Unternehmen war vom Status eines aufstrebenden Nischenherstellers für Sportwagen tief gefallen, war aber fest entschlossen, die Produktion von Autos und Motorrädern eines Tages wieder aufzunehmen.

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Sprechen Sie mit einem beliebigen Designer aus einer beliebigen Epoche und er wird Ihnen sagen, welchen Antrieb er hat, in die Zukunft zu blicken. Aber BMW hatte in den 40er und 50er Jahren keinen Chefdesigner. Der Leiter der Karosserietechnik, Peter Szymanowski, konnte ein Auto zeichnen und formen, aber da er Ingenieur war, ließ er sich nicht von Veränderungen in der Mode leiten. Die Autos, die unter seiner Aufsicht entstanden, sahen zwar klassisch gut aus, im Stil der späten 30er Jahre, aber der Geschmack hatte sich inzwischen geändert und die Verkaufszahlen waren schlecht. In den 50er-Jahren mangelte es dem Unternehmen an einem modernen Sinn für Stil und die Verkaufszahlen waren so schlecht, dass es, um sich über Wasser halten zu können, auf die Lizenz-Herstellung des italienischen Seifenblasenautos Isetta zurückgriff.

Peter Szymanowski ging 1952 in den Ruhestand und der Karosseriebau wurde nun von Wilhelm Hofmeister geleitet. Wie sein Vorgänger war Hofmeister kein Stilist, aber der neue Mann erkannte, dass BMW externe Designhilfe brauchte. Zuerst war Albrecht Goertz an der Reihe, der den Roadster 507 gestaltete, und dann Giovanni Michelotti, der Schöpfer des Modells 700, der bislang modernsten Limousine von BMW. Der italienische Designer fand danach schnell Gefallen bei Hofmeister, insbesondere als sein Entwurf für den BMW 1500 – die Neue Klasse aus dem Jahr 1961 – das Schicksal des Unternehmens veränderte.

Michelotti war ein produktiver Designer, aber nicht abgeneigt, Konzepte, die BMW nicht verfolgte, anderen Konkurrenzunternehmen vorzustellen. Eines seiner Neuen-Klasse-Konzepte mit geteiltem Kühlergrill wurde später von der britischen Firma Triumph übernommen. Anstelle dieser Idee hatte Hofmeister Michelottis Konzept eines nach vorne geneigten rechteckigen Rahmens vorgezogen, der die Scheinwerfer umfasste und in seiner Mitte die beiden Nierengitter hielt. Der kleinere 2002 folgte in die gleiche Richtung und die große Limousine 2500 (E3) setzte sich an die Spitze des Portfolios.

Michelottis Stern begann zu schwinden, als Bertone, ein weiteres italienisches Designgeschäft, alternative Ideen für den E3 einreichte. Bertones neuer Chefdesigner war der legendäre – und kürzlich verstorbene – Stylist Marcello Gandini. Hofmeister unterzeichnete einen Vertrag mit Bertone über die Gestaltung des neuen 5er und Bertone wollte, vielleicht verständlicherweise, dem BMW-Gesicht eine eigene italienische Note verleihen. Gandini schlug zwei große sechseckige Kühlergrills für den 5er und ein Facelift für den 2002 vor, aber sie gingen nicht über die ersten Skizzen und das Garmisch-Showcar von 1970 hinaus, das BMW 2019 wieder aufleben ließ.

perfekt gegrillt ii: der lange weg zu den bmw nieren in xxl Der erste BMW 5er (E12)

Der Grund dafür ist klar: Gegen Hofmeisters Willen holte der BMW-Vorstand den französischen Designer Paul Bracq als ersten Designchef des Unternehmens nach dem Krieg. Die Italiener, die hinter den Kulissen BMWs für Hofmeister entworfen hatten, verschwanden wieder in den Schatten, als Bracq den ersten BMW 5er (E12) fertigstellte und begann, sein volles kreatives Talent zu zeigen.

Bracqs erstes völlig neues Auto war der der erste BMW 3er (E21); eine elegante Weiterentwicklung in Stil und Konzept gegenüber dem Erfolgsmodell 2002. Es behielt den nach vorne geneigten Frontaspekt bei, der die Beziehung zwischen den kreisförmigen Lichtern und den Nierengittern festhielt, aber Bracq war viel zu kreativ, um die gleiche Idee der Italiener aus den 60er-Jahren immer wieder zu wiederholen.

Stattdessen versetzte Bracq der Design-Community 1972 mit der Vorstellung des BMW Turbo (E25) einen Schlag ins Gesicht. Bisher galt BMW nicht als stilistischer Trendsetter, aber Bracqs neuer Sportwagen interpretierte die beiden Nierengitter als ein Paar winziger Nasenlöcher an der Spitze einer langen Front, die gewagt entlang der Motorhaube zurückliefen und gleichzeitig den Rahmen auf beiden Seiten in zwei horizontale Schlitze auseinanderzogen, die nun von der Aufnahme der darüber montierten Pop-Up-Leuchten befreit waren.

perfekt gegrillt ii: der lange weg zu den bmw nieren in xxl Das BMW Turbo Concept (E25)

Bracq hatte die Zutaten des BMW-Kühlergrills damit auf brillante Art neu gemischt und sich selbst und die darauffolgenden Designer vom bisherigen Korsett befreit. Der Erfolg des Turbo-Showcars ermutigte Bracq, als er mit der Arbeit an der nächsten BMW 7er Limousine (E23) und am BMW 6er Coupé (E24) begann. Er stellte sich den 7er als schlanke Limousine im Jaguar-Stil vor, doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht: Diejenigen über ihm drängten immer wieder auf einen größeren 5er mit demselben rechteckigen Kühlergrill aus den 60er-Jahren, zu einer Zeit, als sich die Mode im Autodesign Mitte der 70er-Jahre schnell änderte.

Dem anderen Auto unter seiner Aufsicht erging es etwas besser. Paul Bracq formte die Karosserie des BMW 6er (E24) als stilvolles Coupé, das das beliebte E9-Coupé modernisierte und weiterentwickelte. Es war naheliegend, die Front des E25 Turbo beim 6er auszuprobieren, aber das Auto war zu groß, um eine so niedrige und gewagte Frontform zu akzeptieren. Er wollte die gesamte Nase nach hinten neigen, um sie aerodynamischer aussehen zu lassen, aber Hofmeister und andere wollten immer noch die von den 60ern inspirierte, nach vorne geneigte Shark Nose.

Als Reaktion darauf baute Bracq vier kreisförmige Leuchten in den rechteckigen Rahmen ein, den er verengte, indem er sie oben teilweise mit aufklappbaren Abdeckungen verdeckte. Es war ein netter Kompromiss, der jedoch nicht in Serie gefertigt werden konnte. Also griff Bracq auf eine herkömmliche Shark Nose zurück, führte die beiden Nieren-Hälften jedoch mit einem starken Powerdome im E25-Stil über der Motorhaube nach links und rechts zurück. Doch auch dieser Entwurf wurde nicht umgesetzt, weshalb der zunehmend frustrierte Bracq schließlich kündigte und seine zu 95 Prozent fertiggestellten 6er- und 7er-Modelle der Fertigstellung durch den langjährigen BMW-Designer Manfred Rennen überließ.

perfekt gegrillt ii: der lange weg zu den bmw nieren in xxl Alternative Design-Entwürfe für das 6er Coupé (E24)

In seiner kurzen Zeitspanne von vier Jahren hatte Bracq durch die Einführung schöner Details und neuer Designproportionen neue Maßstäbe im BMW Design gesetzt und dem BMW Designteam über Jahrzehnte hinweg mehr Freiheiten bei der Nieren-Gestaltung gegeben. In den folgenden Jahren würden sie immer wieder unterschiedliche Spielarten bei der Gestaltung der Nieren und den sie umgebenden Details entwerfen. BMW hatte damit ein neues Gesicht gefunden und die Würfel für 50 Jahre voller Veränderungen, Experimente und Radikalisierung im Design waren gefallen.

Im nächsten Teil wird Steve Saxty darstellen, wie sich die BMW-Niere in den 80er und 90er Jahren entwickelt hat. Teil 4 untersucht radikale Designs der 90er und die ruhigeren Kreationen der 2000er, während Teil 5 die großen Kühlergrills von heute untersucht. Abgeschlossen wird die Sonderserie mit einem Blick auf die Geschichte hinter den Nieren-Designs der beiden Vision Cars zur Neuen Klasse.
Die Fertigstellung von Saxtys neuem Buch „BMW by Design“ dauerte zweieinhalb Jahre und wurde nach Interviews mit zahlreichen BMW-Designern aus Vergangenheit und Gegenwart geschrieben. Es ist einzeln oder als “BMW Behind The Scenes 3”-Bücherset erhältlich. Weitere Informationen zu den Büchern finden Sie hier auf stevesaxty.com. Buch und Set sind sofort lieferbar.

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