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Honda Civic

Honda Civic Type R (2024) im Alltagstest

Selbst mit hässlichen Winterrädern ein Traum. Aber muss es wirklich der Neue sein?

honda civic type r (2024) im alltagstest

Was ist das?

Etwas mehr als ein Jahr ist der dritte Civic Type R der modernen Ära jetzt auf dem Markt. Moderne Ära heißt: Mit Turbo-Aufladung und ohne manisch wütenden 9.000-Touren-Sauger samt dem Drehmoment eines heransegelnden Wattebauschs.

Der erste war 2015 ein sauschnelles vogelwildes Raumschiff, der zweite war 2017 der geschliffenste (und ziemlich sicher der beste) Fronttriebler-Kompaktsportler seit Anbeginn der Welt. Für die meisten Menschen über 25 war er aufgrund seiner fragwürdigen Optik aber zu peinlich, um darin gesehen zu werden. Ich sage “für die meisten Menschen”, ich fand das “Tourenwagen-trifft-Rieger-Katalog”-Bodykit mit all dem aufgesteckten Firlefanz zeitlebens rattenscharf. 

Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Preise | Fazit

Jetzt bügelt Nummer Drei mit dem internen Code FL5 alles nochmal glatter. Also fahrdynamisch gibt es da ja wenig, was noch glatt zu bügeln wäre. Aber im Innenraum schon und außen sowieso. 

Schnelle Daten Honda Civic Type R FL5
Motor Vierzylinder-Turbobenziner; 1.996 ccm
Getriebe 6-Gang-Schaltgetriebe
Antrieb Vorderradantrieb
Leistung 242 kW (329 PS) bei 6.500 U/min
Drehmoment 420 Nm bei 2.200 – 4.000 U/min
0-100 km/h 5,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 275 km/h
Basispreis 58.900 Euro

Exterieur

Der FL5 kommt also erwachsener daher. Ich verabscheue diesen unter Motorjournalisten so inflationär benutzten Ausdruck, aber hier stimmt er tatsächlich mal. Die ganzen Flaps und Flicks und was man sonst noch so alles an ein Auto pappen kann, sind weg. Geblieben sind schlichte, breite Backen. Naja gut, und ein großer Heckflügel – ohne den geht es nun mal nicht. Genauso wenig ohne die drei opulenten Auspuff-Tröten. 

Im Zusammenspiel mit den originalen, schwarz eingefärbten 19-Zöllern ergibt das ein relativ stimmiges Bild. Ich persönlich finde den FL5 ein wenig unentschlossen, oder anders: Maximum-Attack-Wing und die marktschreierische Endrohr-Kombo wirken am nun so eleganten Type-R-Rest etwas Fehl am Platz. Aber ich mag ja auch den Vorgänger FK8, also hören Sie besser nicht auf mich. 

Vielleicht bin ich aber auch einfach immer noch schockiert von den unsäglichen 18-Zoll-Winterrädern, mit denen der Type R vor einigen Wochen bei uns aufschlug. Sie sehen es ja selbst in der Bildergalerie: Als hätte man das beste Rennpferd weit und breit und würde es mit Crocks besohlen. Sollten Sie einen FL5 besitzen, tun Sie das bitte NIE! Nehmen Sie die Original-Räder oder lassen Sie das Auto im Winter einfach stehen. Wobei Sie das natürlich nicht ansatzweise müssen, weil dieses Auto nicht nur gottgleich fährt, sondern auch so alltagt, aber dazu kommen wir noch.

Bleibt noch kurz zu erwähnen, dass der Neue ein bisschen größer ist als der Alte und jetzt heftig an der 4,60-Meter-Marke kratzt. Dazu gibt es drei Zentimeter mehr Spur. Gewicht: 1.480 Kilogramm.

Abmessungen Honda Civic Type R FL5
Länge x Breite x Höhe 4.594 mm x 1.890 mm x 1.401 mm
Leergewicht 1.480 kg
Kofferraumvolumen 410 – 1.212 Liter
Zuladung 320 kg

Interieur

Natürlich müssen wir bei einem Civic Type R mit dem Gestühl beginnen. Es ist traditionell nicht nur wahnsinnig rot, sondern auch wahnsinnig gut. Hier ist es nicht anders. Oder halt, doch, ist es schon. Irgendwie hat man die Sessel noch ein bisschen besser gemacht. Ich wusste nicht, dass das geht, aber offensichtlich tut es das. Sie sind weiterhin recht eng geschnitten, aber ich glaube, ich kenne kein Auto, das bessere Sitze hat. Eigentlich reicht der Sitz als Kaufargument für den Type R schon völlig aus. 

Und sollten Sie nicht ganz so leicht zu ködern sein: Der Rest des Interieurs ist auch ziemlich gut. Auf jeden Fall deutlich schöner und hochwertiger als beim Vorgänger. Weniger verspielt, mit besseren Materialien und die Bedienung geht auch in Ordnung. Das Digital-Instrument zeigt sich klar, schnickschnack-los und sehr gut ablesbar. Im R-Modus (ja logisch gibt es den auch wieder) wechselt die Anzeige ihre Form, macht mit dem Hockeyschläger-Drehzahlmesser und der großen Ganganzeige darunter Trackday-Fahrer richtig glücklich.

Alles hier drin ist simpel und logisch geregelt, nichts lenkt ab. Erfreulich auch: Die Klimabedienung mit richtigen (Dreh-)Tastern. Und natürlich die wunderbare Titan-Schaltkugel. Besonders praktisch ist der Schaltknauf nicht, weil wenn draußen kalt, dann sehr kalt und wenn draußen heiß, dann verflucht heiß. Aber das ohnehin schon herausragende Schaltgefühl gewinnt dadurch noch mehr Charakter. 

Was schon beim Test des herkömmlichen Honda Civic e:HEV überraschte, gilt logischerweise auch für den Type R: Für ein beinahe 4,60 Meter langes Vehikel ist das Platzangebot im Fond relativ überschaubar. Die Beinfreiheit ist bestenfalls Durchschnitt und am Haupt der Hinterbänkler streift der Dachhimmel deutlich zu früh – zumindest wenn man größer ist als 1,75 Meter. Der Kofferraum ist für ein Hot Hatch natürlich relativ groß, dabei stellt sich allerdings die Frage, ob dieser Civic Type R wirklich noch ein Hot Hatch ist. 

Fahrbericht

Was das Fahrerische angeht, ist er dem Genre nämlich irgendwie entwachsen. Und das sage ich nicht nach einem perfekt orchestrierten Launch-Event, wo der gepamperte Journalist zwei Tage lang im sonnigen Süden über Bergstraßen und Rennstrecken heizt, sondern ganz bodenständig nach zwei Wochen im nasskalten Winter/Frühjahr des Münchener Umlands auf – ich erwähnte es – ästhetisch eher fragwürdigen Winterrädern.

Selbige hielten mich nicht davon ab, den CTR über meine Lieblings-Landstraßen und durch meine Lieblings-Kreisverkehre zu jagen. Das funktionierte in Abwesenheit der 265er-Michelin-Pilot-Sport-4S-Sommer-Pellen in bemerkenswerter Güte. So richtig versetzen oder Schabernack treiben wollte das Auto mit den Contis für die kalte Jahreszeit nämlich nicht. 

Die Balance – auf trockener Straße zumindest – ist inzwischen so verdammt gut, dass man dieses anerkennende aber leicht ungläubige Grinsen gar nicht mehr rauskriegt aus der eigenen Kauleiste. Kurveneingang und -mitte sind auch mit Geschwindigkeitsüberschuss unbeeindruckt und stockneutral. Lupft man ein bisschen das Gas, dreht sich das Heck schön mit ein und schärft die Linie genau im gewollten Maß. Dann einfach wieder drauf auf den Pin und der Civic katapultiert dich wie aus der Schleuder geschossen wieder raus aus dem Eck. 

Es wirkt so banal, aber das Schöne an diesem Auto ist, dass sich diese Perfektion niemals langweilig anfühlt. Man spürt sehr gut, wie sich das Gewicht verlagert, wie das Auto arbeitet, wie sich der Grip über die einmal mehr fantastische Lenkung mitteilt. 

Das ist ja auch so ein Punkt bei einem eigentlich übermotorisierten Fronttriebler. Und überlegen Sie mal, wie übermotorisiert vor ein paar Jahren noch 330 PS und 420 Nm auf der Vorderachse klangen. Als würde man sich auf einen Bullen setzen, ihn in die Testikel zwicken und dann schauen wie lange man drauf bleiben kann, ehe man vor Zorn, respektive fiesestem Torque Steer abfliegt. 

Hier passiert, selbst wenn der Untergrund feucht ist, nichts dergleichen. Wenn du andere Kompaktsportler gewohnt bist, erwartest du wild durchdrehende Räder und wild blinkende Lampen im Display sowie ein Lenkrad, das in alle möglichen Richtungen zerrt, wenn du erbarmungslos durchbeschleunigst oder die Kurve mal wieder etwas arg motiviert genommen hast. Aber hier geht es einfach. Da hat Honda über die Jahre des Feinschliffs ein Fahrwerkssetup und eine Subtilität in die Vorderachssperre entwickelt, die ihresgleichen suchen. 

Klar, mit einem Allradler á la Volkswagen Golf R, Audi S3 oder BMW M135i kannst du auch einfach stumpf auf dem Gas bleiben und staunen, wie es vorwärts geht, aber das ist im direkten Vergleich einfach fader, weil man dort ja wirklich nichts machen muss und im Type R hat man immerhin das Gefühl, dass man angesprochenen Fronttriebler-Bullen eigenhändig zähmt.

Daher verstehe ich auch Kritiker nicht so richtig, die sagen: Der Allradler ist doch total überlegen. Naja, wenn ein 0-100-km/h-Wert das entscheidende Kriterium ist, dann wahrscheinlich schon, aber mal ganz ehrlich: Wen juckt dieser? Nur der Vollständigkeit halber: Der Honda macht jetzt 5,4 Sekunden, der Golf R irgendwas um die Viereinhalb. Und jetzt? Ich tippe stark, ab 60 oder 80 ist der Civic das schnellere Auto. Und auf der Rennstrecke fährt er ihn ziemlich sicher platt. 

Was fehlt jetzt noch? Nun, die Güte des Fahrwerks ist auch in Sachen Abrollqualität eine Schau. Dieser Type R ist alles andere als eine Sänfte, aber er ist nie unangenehm. Wie die Dämpfer arbeiten, das wirkt einfach sehr hochwertig und satt. 

Da ich ihn nicht auf der Rennstrecke gefahren bin, ist ein Urteil über die Bremse halbgar. Wer seinen Type R bisher ernsthaft auf Nordschleife und Co. einsetzen wollte, musste zumindest mal die Beläge gegen etwas Sportlicheres tauschen. Hier kann ich das nicht beurteilen, aber Druckpunkt und Bremsgefühl sind sehr gut. 

Der Motor ist wie bisher eine Schau- untenrum schon relativ füllig und oben raus für einen Zweiliter-Turbo schön gierig. Den Wagen bei Laune halten ist aber ohnehin das kleinste Problem, denn wer bei diesem Getriebe nicht in einer Tour den Hebel durch die Gassen zimmern will, der spürt sonst auch nicht mehr viel im Leben. Außer einem GT-Porsche kommt da vermutlich nichts dran. Dass es nicht wirklich kurz übersetzt ist, macht in diesem Fall nichts, denn der Motor hat so viel Drehmoment, dass er das locker ausgleicht. 

Ich hörte irgendwann mal die Story, dass sich die Ingenieure eines deutschen Autoherstellers mal den letzten Civic Type R kommen ließen, um ihn zu Recherche-Zwecken komplett auseinander zu nehmen. Dabei soll es im Anschluss geheißen haben: Was die da reinbauen ist so gut, die können da kein Geld damit verdienen. Da war ich mir bisher auch immer relativ sicher, aber jetzt …

Preise

Ja genau, da ging nämlich eine gewaltige Schockwelle durch die Fan- und Experten-Gemeinde. Den Vorgänger FK8 erhielt man seinerzeit relativ voll für knapp 40.000 Euro. Wie das ging, wusste niemand so recht, beschwert hat sich natürlich auch keiner. Der neue FL5 startete dann im letzten Jahr einfach mal bei 55.900 Euro, inzwischen sind wir bei mindestens 58.900 Euro angekommen. 

Wir wissen alle, dass die Inflation sämtliche Autopreise (außer die für E-Autos) in den letzten zwei Jahren gefühlt um 20 Prozent oder mehr nach oben getrieben hat. Aber hier sind es ja fast 50 Prozent mehr. Das ist dem klassischen Type R-Fan nur schwer zu verklickern. Trotzdem muss man vorsichtig sein, denn uns trifft jedes Mal wieder der Schlag, wenn wir einen Golf R als Testwagen kriegen und der gut und gerne 70.000 Euro kostet. Da wirkt der Honda dann plötzlich doch nicht mehr so absurd. 

Und dennoch macht es was mit dem Auto. Der Type R war immer deutlich günstiger als diverse Sportwagen, die er dann genüsslich abgeledert hat. Das ist bei aller Qualität des Autos ein bisschen verloren gegangen. 

Fazit: 9/10

Und deshalb stellt sich die Frage, ob es wirklich der FL5 sein muss oder ob man mit einem jungen gebrauchten FK8 aufgrund des eklatanten Preisunterschieds nicht besser dran ist. Also vorausgesetzt, man kann sich damit anfreunden, ein Auto zu fahren, das aussieht wie ein wütender Weihnachtsbaum. Denn so gut der neue Civic Type R auch ist (er ist wohl der beste Kompaktsportler, den es je gab, nicht dass wir uns da falsch verstehen), sein Vorgänger ist nicht so weit weg.

Aber natürlich ist das aktuelle Modell das ansehnlichere, wertigere Auto mit dem deutlich schöneren Innenraum und dem wirklich allerletzten Schliff in Sachen Fahrperformance. Ein erneutes Meisterwerk mit einem nicht mehr ganz so meisterlichen Preis. 

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