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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Honda

Liebe MotoGP-Fans,

der Klassiker in Mugello ist für mich immer ein Highlight der Saison. Erstens weil es eine wunderbare Strecke ist und zweitens wegen der tollen Atmosphäre – auch wenn es nicht mehr ganz so wie zu Zeiten der “Rossi-Mania” ist, aber trotzdem waren am Sonntag rund 80.000 Fans an der Strecke.

Nach zuletzt tollen Rennen war Mugello leider ziemlich langweilig. Nur Enea Bastianini hat es zum Schluss noch spannend gemacht. Aber Überholmanöver waren im Spitzenfeld an einer Hand abzuzählen. Das hat mehrere Gründe.

 

Das Tempo war extrem hoch. Die Rennzeit von Francesco Bagnaia war um 25 Sekunden schneller als bei seinem Sieg im Vorjahr. Seine schnellste Rennrunde war eine halbe Sekunde schneller als die Poleposition-Zeit vor zwei Jahren. Irre!

Neben der Entwicklung der Motorräder spielen in diesem Jahr vor allem die neuen Reifen von Michelin für dieses extrem hohe Tempo eine Rolle. Die Reifen bauten diesmal auch kaum ab. Alle sind am Limit und Überholmanöver sind demnach nahezu unmöglich.

Aber widmen wir uns heute dem “Japan-Cup”. Nach dem Saisonauftakt in Katar habe ich diesbezüglich geschrieben, dass Yamaha und Honda Zeit brauchen und es fair ist, dass wir ihnen diese auch geben. Es wäre vermessen, nach jedem Rennen hämisch mit dem Finger auf sie zu zeigen.

Aber nun ist es Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Bei Yamaha sind in den vergangenen Wochen Fortschritte zu sehen – wenn auch kleine, aber es ist ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen. Die Performance von Fabio Quartararo war in Le Mans und in Barcelona ermutigend.

Alex Rins hat in Mugello mit dem direkten Q2-Einzug ein Ausrufezeichen gesetzt. Auch beim Topspeed (dritthöchster Wert im Rennen!) war Yamaha trotz des großen Frontflügels gut dabei und ist keine “Schnecke” mehr auf der Geraden. Die Anzeichen deuten in die richtige Richtung.

Honda ist komplett verloren

Ganz anders die Situation bei Honda. Dort wird auch viel probiert, aber Fortschritte sind nicht zu sehen. Es verfestigt sich der Eindruck, dass Honda komplett verloren ist. In keinem Bereich ist eine klare Richtung zu erkennen.

In der Regel lassen wir in unserer traditionellen Montagskolumne eine Person schlecht schlafen. Aber diesmal kann ich hier niemanden explizit nennen, sondern beziehe mich komplett auf Honda – auf den japanischen Teil des Projekts.

Teamchef Alberto Puig hat diesbezüglich keinerlei Entscheidungsgewalt und möchte ich deswegen davon ausklammern. Denn der Spanier hat mit der grundsätzlichen technischen Entwicklung nichts zu tun. Weil sich die Japaner verstecken, muss er in den Medien den Kopf hinhalten.

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Shin Sato

Im vergangenen Herbst übernahm Shin Sato den Posten des Technikdirektors

Foto: Honda Racing

Honda galt schon immer als der arroganteste Rennstall im Paddock. Das ist auch in Ordnung solange man Erfolg hat. Denn es geht um Siegerpokale und nicht um einen Beliebtheitswettbewerb. Aber diese Einstellung der Japaner wird immer mehr zu einem grundsätzlichen Problem.

Die Fahrer klagen immer über die gleichen Probleme – Grip, Turning und in diesem Jahr auch über Stabilität auf der Bremse. Wenn man sich zum Beispiel die Aussagen von Takaaki Nakagami von vor vier Jahren oder jetzt von Mugello anhört, dann sind sie komplett gleich.

Honda hat immer noch die Scheuklappen auf

Es verfestigt sich der Eindruck, dass Honda zwar alles mögliche probiert, sich aber im Kreis dreht und vor allem mit Scheuklappen durch das Fahrerlager läuft. So war es schon immer, Honda hat sich immer abgeschottet. Wie gesagt, das geht gut, wenn man erfolgreich ist.

Aber wenn man auf dem letzten Platz ist, dann muss man die Augen öffnen und sich umsehen, was die Konkurrenz macht und versuchen, Ideen in das eigene Konzept einzuarbeiten. Das ist keine Schande, sondern war und ist im Motorsport schon immer so. Es wird vom Klassenprimus kopiert.

wer letzte nacht am schlechtesten geschlafen hat: honda

Luca Marini, Joan Mir, Johann Zarco

Die Honda-Fahrer haben ein Abo auf die letzten Plätze

Foto: Motorsport Images

Grip ist seit Jahren das größte Problem der RC213V, wie die Fahrer gebetsmühlenartig an jedem Wochenende wiederholen. Die Motorcharakteristik bestimmt das Griplevel des Motorrads bis zu 80 Prozent.

Der Rest wird mit allen Anbauteilen wie Chassis, Schwinge, Dämpfer, Elektronik, nun auch mit der Aerodynamik und so weiter verfeinert. Aber die grundsätzliche Motorcharakteristik muss passen, ansonsten kommt man aus dem Teufelskreis nicht heraus.

Dafür gibt es auch ein konkretes Beispiel. Als KTM 2017 in die MotoGP eingestiegen ist, haben sie sich die damalige RC213V als Orientierung und Vorbild genommen. Von der grundsätzlichen Charakteristik her sind sich die beiden Motorräder auch heute nicht so ganz unähnlich.

Anfang 2023 hat KTM die Zündreihenfolge bei ihrem V4-Motor verändert und damit Erfolg gehabt. Sie haben mehr Grip gefunden und im Herbst dann mit dem Carbon-Chassis einen weiteren Schritt gemacht. In Österreich geht man technisch seinen eigenen Weg.

Neuer Honda-Motor in Barcelona war ein Rückschritt

Was macht Honda? Seit vergangenem Herbst erwarten Beobachter im Paddock einen neuen Motor, bei dem ähnlich wie bei KTM die Zündreihenfolge verändert wird. Wenn es bei KTM funktioniert, warum probiert Honda das nicht auch aus, um zu sehen, ob das auch für sie ein Weg ist?

Das meine ich mit Scheuklappen. Die Honda-Ingenieure greifen nicht auf, was um sie herum passiert und funktioniert. In Barcelona gab es einen neuen Honda-Motor (mit der gleichen Zündreihenfolge wie immer), aber die Erkenntnisse waren mehr als ernüchternd.

wer letzte nacht am schlechtesten geschlafen hat: honda

Joan Mir

Laut Gerüchten könnte Joan Mir nach dem Honda-Frust seine Karriere beenden

Joan Mir und Luca Marini fuhren damit in Barcelona. Es gab am Kurvenausgang mehr Spin am Hinterrad. Für die Fahrer ein Rückschritt. In Mugello hat Mir diesen Motor wieder in die Ecke gestellt, Marini fuhr als einziger Honda-Fahrer damit noch weiter.

Der neuen Aerodynamik attestieren alle vier Fahrer ein gutes Gefühl. Aber prinzipiell bringt es Johann Zarco auf den Punkt: “Wir haben ein Tool, das nicht konkurrenzfähig ist. Was auch immer wir ändern, es fehlt immer etwas. Das ist frustrierend, denn wir arbeiten hart, aber ohne Resultate.”

Honda muss sich radikal ändern, sonst bleiben sie hinten

Deswegen bin ich der Meinung, dass Honda die Einstellung radikal ändern muss. Die Arroganz und die Scheuklappen müssen abgelegt werden. Ansonsten wird sich nichts ändern. Nicht mit einem “neuen” Bike im Herbst in Misano, noch im nächsten Jahr, noch 2027 beim neuen Reglement.

Marc Marquez hat das erkannt und das Handtuch geworfen. Ich dachte mir, dass das der Weckruf für Honda ist, aber man macht immer noch verschlossen das eigene Ding. Nichts hat sich verändert. Auch Aleix Espargaro wird als Testfahrer keine Wunder bewirken können.

Ganz anders Yamaha. Dort haben die Japaner die Zeichen der Zeit erkannt. Mit Massimo Bartolini leitet erstmals ein Europäer die Technikabteilung. Beim Motor wird schon länger mit Luca Marmorini zusammengearbeitet und bei der Aerodynamik arbeitet man mit Dallara zusammen.

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Alex Rins

Yamaha hat sich geöffnet und es gibt erste Anzeichen für Fortschritte

Yamaha hat sich geöffnet. Auch wenn das Mugello-Rennen für beide Fahrer schwierig verlief, sieht man Anzeichen, dass es langsam positive Auswirkungen der internen Veränderungen gibt. Honda läuft dagegen immer mehr in Gefahr, vor einem noch größeren Trümmerhaufen zu stehen.

Red Bull hat sich mit Marquez verabschiedet, Repsol (seit 1995 Sponsor!) verlängert den Vertrag nicht. In Mugello habe ich mich lange mit Lucio Cecchinello unterhalten. Aufgrund der Misere sind auch schon bei ihm kleinere Sponsoren abgesprungen.

Das ist noch verkraftbar, aber er macht sich Sorgen, dass auch er seine großen Sponsoren (Castrol, Givi) verlieren könnte. Denn das wäre für das Satellitenteam finanziell ein Desaster. In Mugello hat Cecchinello die ersten Gespräche mit Honda bezüglich einer Vertragsverlängerung aufgenommen.

Eine seiner Kernforderungen ist, dass Honda ihn stärker unterstützt, falls weitere Sponsoren das sinkende Schiff verlassen. Andernfalls ist es nicht komplett ausgeschlossen, dass Honda auch das Satellitenteam verlieren könnte.

Gerald Dirnbeck

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Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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