Honda

Der Honda e:Ny1 im Test: Lang lebe der Akku

Der Honda e war als erstes Elektroauto der Japaner ein kleiner Herzensfänger. Mit seinem knuffigen Aussehen und den innovativen Ansätzen bei Technik und Design machte er Lust auf mehr E-Autos aus dem Hause Honda, bloß war er sehr teuer und auch in Sachen E-Auto-Tugenden nicht vorne dabei. Nach dem Aus des elektrischen Kleinwagens versucht es Honda nun mit einem Elektro-SUV und macht dabei viele Dinge anders als zuvor – und das nicht nur beim Wechsel der Namensgebung von puristisch schlicht hin zu kaum zu merken.

Wir haben uns den Honda e:Ny1 in der Ausstattungslinie Advanced zwei Wochen lang näher ansehen können und seine Stärken und Schwächen herausgearbeitet. Von angenehmen Überraschungen bis hin zu Enttäuschungen hat das kompakte Elektro-SUV dabei einiges für uns bereitgehalten. Doch zunächst einmal ein paar harte Fakten zum e:Ny1.

Bewegt wird der Japaner von einem 150 kW (204 PS) starken Frontantrieb mit einem maximalen Drehmoment von 310 Newtonmetern. In 7,6 Sekunden beschleunigt das Elektroauto von 0 auf 100 Stundenkilometer, bei 160 Stundenkilometern (168 laut Tacho) ist der e:Ny1 abgeriegelt. Die nutzbare Batteriekapazität beträgt knapp 62 kWh.

Mit gut 4,40 Metern Länge ist der e:NY1 minimal länger als ein Hyundai Kona und beispielsweise wenige Zentimeter kürzer als ein BYD Atto 3. Das Kompakt-SUV ist mit Spiegeln 2,03 Meter breit und 1,58 Meter hoch. Das Leergewicht beträgt 1,73 Tonnen, 425 Kilo Nutzlast sind maximal erlaubt. Ziehen darf der Honda hingegen nichts, auch Stützlast für einen Fahrradträger gibt es keine.

Folgende Dinge sind uns während der Testphase besonders aufgefallen.

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Daniel Krenzer

Die Pluspunkte des Honda e:Ny1

Der Fahrkomfort: Dem Honda e:Ny1 eilt der Ruf voraus, nicht ordentlich zu ziehen. Das rührt daher, dass bei der Präsentation seitens des Herstellers erläutert wurde, das Fahrzeug sei absichtlich nicht mit der für Elektroautos typischen explosiven Power ausgestattet worden, damit niemandem schlecht wird. Aus unserer Sicht hat sich Honda mit dieser Formulierung keinen Gefallen getan, außerdem müssen wir feststellen: Das Fahrzeug zieht sehr wohl sehr ordentlich, und wer es mit dem Gaspedal übertreibt, der wird – ganz typisch für frontgetriebene E-Autos – auch mit entsprechend durchdrehenden Reifen “belohnt”.

Wäre dieser Satz nicht gefallen, hätten wir aber vermutlich nicht einmal gemerkt, dass der e:Ny1 nicht ganz von den Zügeln gelassen wird. Denn das Fahrzeug bewegt sich bis zur Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern durchaus agil und ist zudem angenehm gefedert. Die Assistenten arbeiten soweit angenehm und zuverlässig – nur die automatische Schildererkennung samt von der EU dazu gewünschter “Bimmel-Automatik” funktioniert ähnlich schlecht wie bei fast allen anderen Herstellern. Positiv überrascht waren wir bei unseren drei Versuchen von der automatischen Einparkhilfe, die das Fahrzeug souverän auch in enge Lücken bugsierte. Ebenfalls clever gelöst: Die Kamera mit Rundumsicht lässt sich außen am Blinkerhebel aktivieren. Auch das Lenkrad fasst sich angenehm an. Auch auf längeren Strecken lässt es sich im Auto während der Fahrt also gut aushalten.

Der Innenraumkomfort: Die Sitze sind bequem, ohne dabei zu viel Euphorie auszulösen. Je nach Sitzposition kann lediglich eine tiefe Sitznaht ab und zu ein wenig irritieren. Auch in der hinteren Reihe sitzt es sich soweit gut, nur für Menschen ab etwa 1,80 Metern wird es dann doch etwas beengter. Stauraum hat es in ordentlicher Menge, in die Türen passen auch etwas größere Flaschen noch gut hinein. Die Verarbeitung macht zudem einen sehr wertigen Eindruck, der Material- und Farbmix schaut für unseren Geschmack gut aus. In der Mittelkonsole gibt es Klavierlack-Optik, worüber sich freilich die Geister scheiden.

Auf den ersten Blick sticht das große, aufrecht stehende Mitteldisplay heraus. Darauf sind die Informationen zum Fahrzeug übersichtlich aufbereitet und recht intuitiv bedienbar. Für unseren Geschmack nur schade ist der Umstand, dass Honda für den Bildschirm eine feste Dreiteilung vorsieht (Navigation – Radio/Medien – Klimaanlage). Wenn sich jetzt noch die Anordnung und Verteilung besser individualisieren lassen würde (zum Beispiel: Navigation auf dem gesamten Bildschirm), dann wäre das eine richtig runde Sache.

Mit 361 Litern im Normalzustand ist der Kofferraum für die Fahrzeugklasse zwar nicht riesig, reicht aber für die meisten Belange vollkommen aus. Zudem ist der doppelte Boden in der Höhe ein Stück weit variabel, darunter lässt sich das Ladekabel gut verstauen. Zudem gibt es am Kofferraum einen Knopf, mit dem sich das automatische Schließen der Heckklappe vorwählen lässt, man aber noch in Ruhe ausladen kann, ehe die Kofferraumklappe dann erst beim Entfernen des Schlüssels tatsächlich zufährt.

der honda e:ny1 im test: lang lebe der akku

Der Preis: Mit Preisen ab knapp 39.000 Euro gehört der e:Ny1 in dieser Fahrzeugklasse zu den vergleichsweise günstigen Modellen. Und auch in der Grundausstattung ist schon einiges an Zubehör inklusive, wie die Rückfahrkamera, die Navigation und das schlüssellose Zugangssystem. Die von uns getestete Ausstattungslinie Advanced ist ab 41.990 Euro erhältlich. Dies beinhaltet dann auch das Panorama-Glasdach, die aus unserer Sicht sehr nützliche Rundum-Kamera sowie besagte Heckklappenbedienung. Für die auffällige und dem Fahrzeug sehr gut stehende Farbe “Aqua Topaz Metallic” sind noch einmal 1090 Euro extra fällig, sodass der Testwagen auf einen Preis von etwas mehr als 43.000 Euro kommt. Klar, da gibt es auch noch günstigere Modelle. Verstecken braucht sich der e:Ny1 damit aber keinesfalls.

Die Minuspunkte des Honda e:Ny1

Die Ladeperformance: Die gute Nachricht: Der Akku im e:Ny1 hat beste Chancen, ein langes Leben ohne viel Kapazitätsverlust zu führen. Der Haken daran: Das liegt an der mitunter nervig langsamen Ladeleistung. 78 kW in der Spitze schafft der Honda, doch mehr als 70 kW haben wir lediglich bei sehr niedrigem Akkustand und nur für kurze Zeit zu Gesicht bekommen. Meistens lädt der Wagen mit 60 bis 65 kW, und wer am DC-Schnelllader ausnahmsweise mal voll laden möchte, muss dafür viel Zeit mitbringen: Für die letzten 20 Prozent hat der Testwagen mehr als eine Stunde gebraucht, teilweise fiel die Ladeleistung dabei unter die 11 kW mögliche AC-Ladung.

Das bedeutet für längere Fahrten, dass eine Ladung von 10 bis 80 Prozent im Optimalfall etwas mehr als eine Dreiviertelstunde dauert, in Realität eher eine Stunde. Und das bei warmen Temperaturen. In Ermangelung einer Batterievorkonditionierung dürften im Winter da schnell mal 80 Minuten und mehr daraus werden. Wer nur ab und an mehrere Hundert Kilometer am Tag fährt, der kann sich damit vermutlich mit Blick auf den gesunden Akku arrangieren. Wer aber häufiger solche Strecken zurücklegt, für den ist der Honda definitiv raus.

der honda e:ny1 im test: lang lebe der akku

Der Verbrauch: Im Stadtverkehr lässt sich der e:NY1 sehr sparsam bewegen, immer wieder zeigte der Bordcomputer Werte von 15 bis 16 kWh. Auf der Autobahn steigt er aber etwas stärker, als wir es von manch effizienteren Fahrzeugen kennen. Bei etwas flotteren Fahrten pendelte sich der Verbrauch wiederholt bei um die 30 kWh ein, wer es gemütlich angehen lässt, kommt auf Strecke auf Werte von etwa 20 kWh. Wir kamen bei warmen Temperaturen kombiniert auf einen Gesamttestverbrauch von etwas mehr als 22 kWh laut Bordcomputer, also ohne Ladeverluste. Das bedeutet reale Reichweiten von bis zu 400 Kilometern im Stadtverkehr, aber mitunter nur 200 Kilometern auf der Autobahn, ehe eine langwierige Ladepause folgen muss.

Nervige Details: Zwar hat der Honda e:Ny1 einige smarte Annehmlichkeiten bei der Bedienung und dem Komfort vorzuweisen. Andere Dinge wirken hingegen nicht so recht durchdacht – mal abgesehen von der stark gedrosselten Ladeleistung. Bereits erwähnt wurde die beim Sitzen mitunter störende Naht. Mehrfach geärgert haben wir uns während des Tests zudem darüber, dass sich die Ladeklappe an der Front des Fahrzeuges zwar per Knopfdruck öffnen lässt, aber offenbar nur manuell wieder schließt. Nun sind wir mehrfach am frühen Abend bei schönem Wetter mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen und haben dabei reichlich tote Insekten (eine Schande!) an der Front gesammelt. Ist der Ladevorgang beendet, darf dann immer schön in der Insektenschmodder nach einem möglichst freien Platz zum Zudrücken gesucht werden. Und was für eine Freude dieser Vorgang im Winter mit Schnee-, Eis- und Salzkruste ist, können wir uns ungefähr ausmalen.

der honda e:ny1 im test: lang lebe der akku

Fazit

Während der Honda e in vielen Bereichen ein mutiges Fahrzeug war, aufgrund des hohen Preises aber fast so etwas wie ein Beta-Test-Auto blieb, ist mit dem e:Ny1 grundsätzlich ein deutlich massentauglicheres Fahrzeug gelungen. Zumindest was Optik, Bedienbarkeit und Komfort angeht. Trotzdem haben wir Zweifel daran, dass Honda mit dem kompakten SUV der große Wurf gelingen kann, zumindest nicht in Deutschland. Denn auch wenn die meisten Autofahrer hierzulande pro Tag kaum mehr als 40 Kilometer zurücklegen, sind Reichweite und Langstreckentauglichkeit harte Währungen, die gerade der deutschen Kundschaft extrem wichtig sind. Und da ist es alles andere als hilfreich, in Sachen Ladeperformance und Reichweite derart unterdurchschnittliche Werte abzuliefern. Aber vielleicht erkennt Honda das auch selbst noch an, per Software lässt sich die Drosslung der Ladeleistung ja vielleicht nachträglich noch etwas korrigieren.

Denn eigentlich ist der Honda ein viel weniger krummbuckliges Elektroauto, als es der Name vielleicht vermuten lässt. Er schaut gut aus, fährt ordentlich, ermöglicht angenehmes Reisen in einem abgesteckten Umkreis und ist leicht zu handhaben. Wer ein Elektroauto für die Kurz- und Mittelstrecke sucht, für den könnte sich ein Blick auf den e:Ny1 durchaus lohnen. Dennoch lässt das Fahrzeug den Japanern noch ordentlich Luft nach oben für die weiteren Elektroautos, die in den kommenden Jahren nachfolgen werden.

Transparenz-Hinweis: Das Testfahrzeug wurde uns von Honda für zwei Wochen kostenlos zur Verfügung gestellt. Unsere hier niedergeschriebene Meinung beeinflusst dieser Umstand jedoch nicht.

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