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Ducatis teuflische Lichtgestalt

MOTORRAD fuhr die neue Ducati Diavel V4. Die komplette Neukonstruktion tritt in große Fußstapfen.

Ducatis teuflische Lichtgestalt

12 Jahre und 45.000 Motorräder später war es Zeit für eine neue Diavel von Ducati. Basis ist der Granturismo-V4 der Ducati Multistrada V4 mit Ventilfedern statt Desmodromik. Der versteift ein neues Chassis aus Alu, um das ein komplett neues Motorrad gebaut wurde. Zeit, die Erfolgsgeschichte der Ducati Diavel weiterzuschreiben.

Diavel V4: Er knurrt, er klingt, er posaunt

Na dann los! Knurrig-aufgeweckt erwacht der V4, klingt voluminös. Dabei hat er doch gemessen am Vorgänger 104 Kubik eingebüßt. Doch wie er aus seinen vier kurzen Auspuff-Trötchen (sie geben den Blick komplett aufs feiste 8-Zoll-Hinterrad frei) pure Lebensfreude in den Nachthimmel prustet und posaunt, das hat schon was. Nicht übertrieben laut, eher markant.

Der V4 als Twin

Mit dem Modelljahrgang 2023 führte Ducati eine erweiterte Funktion der bisherigen Zylinderabschaltung ein. Bisher schaltet die Ducati die hintere Zylinderbank ab, um die Hitzeentwicklung zu dämmen. Neu ist: Bei Multistrada V4 und der neuen Diavel V4 schalten diese Zylinder während der Fahrt ab. Beim Kaltstart laufen alle vier Zylinder, logisch. Und alle von einer eigenen Lambda-Sonde überwacht. Ab 70 Grad Wassertemperatur schaltet die Motor-Elektronik die Einspritzung der hinteren Zylinder ab, lässt deren Zündkerzen nur seltener und ins Leere feuern.

Im ersten Gang feuern im Kraftwürfel stets alle vier Zylinder. In den Gängen zwei bis sechs jedoch werden die hinteren Zylinder bei Drehzahlen unter 4000 und geringer Last “abgeschaltet”. Dies soll die Hitzeabstrahlung zum Fahrer minimieren und sechs Prozent Benzin (rund 0,4 Liter je 100 Kilometer) einsparen. Überschreitet der Motor 4.000 Touren oder bei Volllast, schaltet sich die Einspritzung innerhalb von 0,2 Sekunden wieder ein. Mechanisch verläuft der Übergang vollkommen reibungslos, perfekt ineinander über.

Der V4 als V4

Charakter und Tonlage ändern sich mit steigender Drehzahl jedoch dramatisch: Speziell in den oberen Gängen hackt der V4 bei 2000 Touren noch unwirsch, beruhigt sich bei 3.000/min und läuft ab der 4.000er-Marke – wie der Blick aufs bunte TFT-Cockpit offenbart – endlich richtig geschmeidig. Ab der 5.000er-Marke kennt dieses Triebwerk kein Halten mehr. Das kompakte Kraftpaket stürmt und jubiliert unter wildem V4-Stakkato dem roten Bereich bei 11.200 Touren entgegen, dreht frei und befreit aus. Pure, hoch destillierte Beschleunigung ist das.

Vibrationen? Klar, die gibt es, von der guten, sanft pulsierenden Sorte. Du merkst, dass der Motor unter dir lebt. Der blinkende Schaltblitz mahnt zum Einlegen des nächsthöheren Gangs. Geht ohne Griff zur hydraulisch betätigten Kupplung, der Blipper macht’s hoch wie runter möglich. Wobei er ein wenig harsch arbeitet, recht energische Tritte einfordert.

Diavel V4, der Sport-Cruiser

Hossa, wie leicht die Fuhre einlenkt. Den fetten 240/45er-Hinterreifen hast du ab der ersten Kurve vergessen. Dank spitzer Kontur rollt er wunderbar rund und homogen bis zur Reifenkante ab. Die Pirelli Diablo Rosso III sind wahre Wunderreifen, haften himmlisch gut. Sie wurden von der V2-Diavel übernommen. Klar, denn Ducati und Pirelli haben die Pneus zusammen entwickelt.

Wow, wie stabil (fast 1,60 Meter Radstand!) und dabei überaus agil die V4-Diavel ins Kurvendickicht sticht. Für solch ein Big Bike schon geradezu sensationell flink und präzise wischt sie durch die vielen Kurven hier in Arabien. So wirkt die neue Diavel nochmals eine ganze Stufe leichtfüßiger als die V2-Version? Woran es liegt?

Diät für die Diavel

Ducati hat sie deutlich erleichtert. Eine Diavel 1260 S wog zuletzt beim Test in MOTORRAD 248 Kilogramm. Die Neue soll bei gleichem Spritvorrat 13 Kilogramm leichter sein. Doch in der V4 mit ihrem leichten Alu-Monocoque bunkern 20 Liter Sprit, in der V2 waren es nur 17 Liter. Dann wird die neue vollgetankt zwischen 236 und 239 Kilogramm liegen.

Eine Ursache für das deutlich verbesserte Handling: Leichtere Räder und vorderen Bremsscheiben reduzieren die ungefederten Massen und reduzieren die mit steigendem Tempo immer größer werdenden Kreiselkräfte. “Diesen wirkt die rückwärts drehende Kurbelwelle mit einem immensen Effekt entgegen,” sagt Alessandro am Wendepunkt unserer kurzen Teststrecke. Hinzu kommt die Zentralisierung der Massen dank den kompakteren, kürzeren und niedrigeren Vau-Viers.

Neues Chassis bringt Beweglichkeit

Die leicht steilere Gabel und der etwas kürzere Nachlauf wie Radstand tragen wohl zum spürbar gesteigerten Fahrbarkeit und Sportlichkeit bei. Dabei bremst die Diavel V4 noch teuflisch. Kein Wunder, bei Brembos sagenhaften Stylema-Zangen im Vorderrad, selbstverständlich radial angeschlagen. Sie koppeln den Biss eines Hais mit Top-Transparenz, einer Dosierbarkeit erster Güte. Wahnsinn.

Dabei hält die lange Duc prima selbst enge Kurvenradien in den echten Kehren hier. Und feuert im zweiten oder dritten Gang begeisternd aus ihnen heraus. Das Sachs-Federbein im voll einstellbaren Fahrwerk (Gabel: Marzocchi) bietet 15 Millimeter mehr Federweg. Fast schade also, dass der Asphalt auf der “Jebel Hafeet Mountain Road” topfeben ist.

Neue Ergonomie funktioniert

Prima liegt der näher zum Fahrer gerückte, neue dreiteilige Lenker zur Hand. Aus einem leichten, zentralen Schmiedeteil erwachsen zwei separate Hälften, an denen hippe Laufband-Blinker sitzen. Der zwei Zentimeter längere Fahrersitz verwöhnt den Po und lässt doch bei der Kurvenhatz Platz zum rumturnen. Angesichts der niedrigen Sitzhöhe von 790 Millimeter müssen die mittschiffs platzierten Fußrasten recht tief liegen. Klar, dass sie ab 41 Grad Schräglage laut schrabbelnd Furchen in den Asphalt gravieren. Kalligrafie à la Diavel.

Fazit

Rückschritt beim Hubraum, Fortschritt beim Fahren! Die Diavel der dritten Generation hat nicht einfach einen Motor mit mehr Zylindern. Sondern durch Abspecken und tiefgreifende Überarbeitung nochmals spürbar an Agilität und Handling gewonnen. Sie fährt stabil, präzise und verdammt flott, kurz: Ducati-typisch sportlich. Das extreme Power Naked Bike mit dem fetten 240er-Hinterreifen fährt famos. Selbst die Alltagstauglichkeit stimmt. Doch der Preis ist sehr happig.

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