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Dieter Glemser ist 85: Glücksfall für jeden Teamchef

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Der Mann war für jeden Teamchef ein absoluter Glücksfall: Ruhig, souverän, pflegeleicht, loyal, unglaublich schnell und dazu noch nicht mal ein Materialmörder. Sein optisch völlig unauffälliger Fahrstil machte den gelernten Gärtner und Rosenzüchter aus Warmbronn bei Leonberg zwar nicht unbedingt zum Publikumsliebling, aber jeder seiner Arbeitgeber wusste seine Qualitäten zu schätzen.

Ob in einem Porsche, Mercedes, BMW, Ford Escort oder Capri RS – am Ende stand er fast immer unterm Lorbeerkranz. An die 100 Siege wurden zwischen 1959 und 1974 für ihn notiert. Bei den klassischen Rallye-Marathons fühlte er sich genauso wohl wie auf der Rundstrecke – damit gehörte er zu wenigen Profis, die damals sowohl den reinen Rennsport wie auch das Rallyefahren perfekt beherrschten. Werksverträge bei Mercedes, BMW, Porsche und zuletzt bei Ford belegen dies.

So bescherte «Schwabenpfeil» Glemser der neu gegründeten Kölner Ford-Rennabteilung gleich den ersten Meistertitel im Rundstrecken-Championat. Im 1,6 Liter Escort TwinCam unter der Regie von Sportchef Jochen Neerpasch gewann er 1969 alle zehn Meisterschafts-Läufe. Danach kam schon der Wechsel in den legendären Capri RS, an dessen Entwicklung bis zur Rennreife Glemser wesentlichen Anteil hatte. Mit dem Gewinn des Tourenwagen-Europa-Titels 1971 zahlte sich für ihn auch die oft langwierige Testarbeit aus. Gleich fünf EM-Saisonsiege gelangen ihm im ersten kompletten Capri RS-Jahr, darunter der 24 h-Klassiker in Spa.

Glemsers Erfolgstory ging zügig weiter – 1972 Vize-Europameister im Capri RS hinter Ford-Teamkollege Jochen Mass, 1973 und 1974 im Zakspeed Escort RS gleich zwei Titelgewinne hintereinander in der knallhart umkämpften Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM).

Auslöser für das eher abrupten Ende von Glemsers Profi-Laufbahn war ein tragisches Ereignis. Ein unverschuldeter Unfall beim Tourenwagenrennen im November 1974 in Macau schockte den sensiblen Schwaben derart, dass er seine Karriere auf der Stelle beendete. Wegen eines geplatzten Reifens hatte sein Escort RS die ohnehin nur aus Bambusrohren bestehende Absperrung durchbrochen und erfasste mehrere Zuschauer. Das Unglück hat ihn so sehr bedrückt, «dass mir der Spaß an der Fahrerei schlagartig vergangen ist» und er wochenlang völlig deprimiert war.

Überdies betrachtete Glemser den zweiten schweren Unfall innerhalb kurzer Zeit auch als Wink des Schicksals, denn schon ein Jahr zuvor beim Tourenwagen-GP am Ring flog sein Capri RS nach einem Lenkungsbruch im Bergabstück «Wehrseifen» meterhoch durch die Luft, überschlug sich mehrfach und blieb als unförmiges Blechknäuel liegen.

Mit schweren Prellungen und Rippenbrüchen lernte Glemser erstmals das Adenauer Krankenhaus von innen kennen. Schon da war er während der Rekonvaleszenz arg ins Grübeln gekommen, ob er nicht besser Schluss machen sollte, entschied sich aber dann doch nochmal fürs Weiterfahren.

Eigentlich sollte Glemser von Ford nun in eine Berater-Funktion gehievt werden, was sich aber über den Winter wegen der damals gerade beginnenden Energiekrise und daraus in der Folge resultierender zurückgefahrener Werksaktivitäten im Motorsport zerschlug.

So landete der langjährige Ford-Mann plötzlich dort, wo man ihn am wenigstens erwartet hätte – bei Renault-Sport. Der deutsche Renault-Sportchef Rolf Schmidt hatte blitzschnell reagiert: «Wenn so ein Mann zu haben ist, dann müssen wir uns den doch als Lehrmeister für die jungen Fahrer unseres neugeschaffenen Renault 5-Cups sichern», so Schmidt damals, «das ist doch wie ein Lottogewinn, da muss man doch sofort zugreifen».

Glemser unterschrieb für 1975 einen Jahresvertrag mit fürstlichem Salär. So wurde der mehrfache Tourenwagen-Champion zum «Paten» einer der wildesten und verrücktesten Markenpokal-Rennserien aller Zeiten.

Allerdings entpuppte sich der neue Job als ziemlich aufregend und mühsam, «weil die Burschen trotz aller guten Ratschläge und Ermahnungen nicht zu bändigen waren», so gab der leicht entnervte Mentor mal zu Protokoll.

Selbst sein Einsatz mit einem «Marshall-R5», statt Startnummer mit einem dicken M gekennzeichnet, mit dem er in den Trainingsläufen den Frischlingen eine ordentliche Linie vorfahren sollte, erbrachte nicht den gewünschten Erfolg. «Stattdessen haben sie versucht, mich in Zweikämpfe zu verwickeln …»

Rein nervlich kam es für Glemser nach dem Renault-Abenteuer aber noch schlimmer. Ein paar Jahre später waren Ford und er wieder näher zusammengerückt und ab 1982 stand für ihn eine neue Aufgabe an.

Jetzt hatte er sich als Chef-Instruktor um die Damen des neugeschaffenen «Ford Fiesta Ladies Cup» zu kümmern. «Es war die Hölle», so Glemser, «die Mädels haben sich gegenseitig angegiftet, gestritten und sonst was aufgeführt.» Mit all seinem Charme versuchte er, die immer wieder aufflammenden Zickenkriege zu schlichten.

Als Porsche 1986 den «944 Turbo-Cup» aus der Taufe hob, erinnerten sich die Stuttgarter an Glemsers zwischenzeitlich erworbene Management-Qualitäten im Cup-Segment und übertrugen ihm die Leitung der neuen Rennserie.

Jetzt hatte er es nicht mehr mit R5-Neulingen oder streitbaren Ladies zu tun, sondern mit trickreichen Rennfahrern wie Jockel Winkelhock, Roland Asch, Jörg van Ommen oder Harald Grohs. Als in den Folgejahren der gute Ruf des Porsche 944-Cups durch eine offenkundige Betrugswelle mit dem Ladedruck ruchbar wurde, räumte Glemser gnadenlos auf und sorgte für die Bestrafung aller überführten Sünder.

Ein paar Jahre später bat ihn sein alter Partner Mercedes zum Gespräch in Sachen DTM. Damit war Glemser nochmal in der einst besten deutschen Rennserie gelandet. Er blieb fast zehn Jahre bei AMG im Organisationsteam.

Sein letztes Werks-Engagement im Motorsport mündete in eine Exklusiv-Vereinbarung, nach der er für AMG Funktionstest mit den GT- und Sportwagen des Hauses absolvierte und so manchem reichen Käufer in Dubai, Bahrain oder Singapur den teuren AMG-Neuwagen mit einem «Einführungs-Kurs» persönlich übergab. Dazu war er gern gesehener Instruktor bei der «AMG Driving Experience» sowie ausgesuchten Fahrerlehrgängen.

Eingedenk alter Daimler-Tage machten ihn die Stuttgarter schließlich zum Botschafter der Stern-Marke im Classic-Bereich. So stand beispielsweise vor zehn Jahren ausgerechnet an seinem 75. Geburtstag eine Dienstreise mit der «Roten Sau» zur «Arlberg-Classic» in Österreich an.

Wobei es sich bei der erwähnten Reise-Begleitung nicht etwa um eine frivole Dame handelte, sondern um den Kosenamen des berühmten AMG Mercedes 300 SEL 6.3, mit dem die Herren Heyer und Schickentanz beim 24 h-Rennen in Spa 1971 sensationell Platz zwei belegten – besiegt seinerzeit nur von Glemser/Soler-Roig im Capri RS …

Trotz einer kürzlich erfolgten Hüft-OP fühlt sich der Jubilar insgesamt noch «frisch und gesund». Mit Begeisterung verfolgt er zu Hause am TV-Gerät die Rennen der Formel 1 und MotoGP. Auch vom zügigen Autofahren hat er sich noch nicht so ganz verabschiedet. «Wenn’s mir mal nicht so gut geht, setz‘ ich mich ins Auto, drehe ein paar flotte Runden und schon bin ich wieder fit.»

Ansonsten genießt Glemser seine Rolle als Opa, sieben Enkelkinder haben ihm und seiner Frau Helga (die beiden sind seit über 60 Jahren verheiratet) die drei Töchter geschenkt. Ein wahrhaft erfülltes Leben.

Glückwunsch Dieter und danke für viele gemeinsame Jahre und Erlebnisse über eine Zeitspanne von mehr als einem halben Jahrhundert. Wir hatten die beste Zeit, die man nur haben kann.

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