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BYD Atto 3 im Test: E-SUV vom Akku-Giganten lässt uns während der Fahrt im Stich

Unser Fazit: Zu teures E-SUV für seinen Status

Unsere Befürchtung, dass das China-SUV ein unausgegorenes E-Auto ist, hat sich in weiten Teilen nicht bewahrheitet. Der Atto 3 wirkt fertig, fährt sich komfortabel, wenngleich etwas seelenlos, und bringt viele Funktionen und schönen Schnickschnack mit.

Verbrauch und Reichweite liegen im Durchschnitt; mit vorsichtigem Stromfuß schaffen Sie 360 Kilometer. Die Ladeleistung enttäuscht hingegen. Zudem sollten Sie unbedingt vermeiden, unter 5% Akkufüllung zu kommen – wie uns das Reichweiten-Gate im Test lehrte (siehe unten im Text).

Viel Luft nach oben gibt es noch bei der Feinjustierung der Fahrassistenten und des Infotainmentsystems für den deutschen Markt. Angesichts dieser Details ist der Atto 3 mit 40.000 Euro nach Förderung zu teuer. Hier bietet die Konkurrenz von Tesla und VW solidere Ware für ein ähnliches oder gar kleineres Budget. Dafür ist der Atto 3 schneller verfügbar als etwa die VWs.

Für wen ist der BYD Atto 3?

Wer einen einzigartigen Vorteil beim BYD Atto 3 im Vergleich zu der Konkurrenz sucht, wird ihn schwer finden. Denn schließlich gibt es weder einen besonderen Preisvorteil (im Gegenteil), noch Features, die ihresgleichen suchen. Es ist das Gesamtpaket, das möglicherweise SUV-KäuferInnen überzeugt – sofern diese sich mit den diversen Schluckaufs und Lücken in der Software zunächst abfinden können, bis diese hoffentlich geschlossen werden. In dieser Hinsicht erinnert uns der Atto 3 an die Ora Funky Cat.

Die recht schnelle Lieferbarkeit von etwa 2,5 Monaten (Stand Ende Juli 2023) bzw. sofortige Verfügbarkeit von Bestandsfahrzeugen (es gibt nur zwei Ausstattungslinien und vier Farben an Konfigurationsmöglichkeiten) sprechen zwar für den Atto 3, aber das kann auch Tesla mit dem Model Y. VW-Kunden müssen dagegen bis zu sechs Monate auf ihr Wunschauto warten. Im Leasing zu Preisen ab 200 Euro ist der Atto 3 jedoch richtig interessant, zumal er dann sofort erhältlich ist. So ist das Auto für alle, die sich schnell ein günstiges und sicheres E-SUV schnappen wollen, eine gute Wahl.

In diesem Zusammenhang interessant: Kurze Lieferzeiten – auf diese E-Autos brauchen Sie kaum zu warten

BYD Atto 3 (Design) Testwerte und Daten: Preis, Reichweite, Höchstgeschwindigkeit, Akku, Lieferzeiten, Ladeleistung

Preis 47.005 Euro
Länge/Breite/Höhe  4,45 x 1,88 x 1,61 Meter
kW bzw. PS 150 kW / 204 PS 
Drehmoment 310 Nm 
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Von 0 auf 100 km/h in 7,3 Sekunden
Reichweite WLTP 420 km
Gemessene Test-Reichweite 368 km Stadt, 344 km Landstraße, 263 km Autobahn (130 km/h)
Gemessener Lade-Hub 68,8 kWh
Akkutyp Blade-Batterie (Lithium-Eisenphosphat)
Ladeleistung bis 90 kW DC, bis 11 kW AC
Ladezeiten AC 11 kW 6 h
Ladezeiten DC 10 bis 80% 45 Minuten
Fahrmodi  3 (Eco/Normal/Sport)
Anhängelast 0
Anzahl Sitze 5
Kofferraum und Frunk 440 bis 1.338 Liter (bei umgeklappten Rücksitzen), kein Frunk
Antrieb Front
Enthaltene Extras Adaptiver Tempomat, 360-Grad-Kamera, Panorama-Glasdach uvm.
Lieferzeiten 2,5 Monate (Stand Ende Juli 2023)

byd atto 3 im test: e-suv vom akku-giganten lässt uns während der fahrt im stich

Foto: EFAHRER.com

BYD Atto 3 Reichweite: Zwischen 263 und 400 Kilometer 

Der nominell 60 kWh große Akku reicht nach WLTP-Messnorm 420 Kilometer weit – in der Praxis ist das auch möglich, sofern es Sommer ist und nur Stadt-Tempo anliegt. Bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit 130 km/h bleiben davon nur 263 Kilometer übrig. Der Verbrauch liegt in der Stadt bei 17, auf der Autobahn bei 26 kWh. Das sind alles Werte, die im Durchschnitt für diese Mittelklasse-SUVs liegen. Schade, dass man sich den Verbrauch nicht detailliert anzeigen lassen kann. Der einzig verfügbare Wert ist der Durchschnittsverbrauch über die letzten 50 gefahrenen Kilometer.

BYD Atto 3 Ladeleistung: Zu trödelig 

Nur für kurze Zeit schafft es der Atto 3 am Schnelllader auf 90 kW, pendelt sich dann im Durchschnitt auf 65 kW ein, sodass eine Akkuladung von 10 auf 80 Prozent eine gute Dreiviertelstunde dauert. Das ist gerade für BYD, einen echten Akku-Riesen und Vorreiter bei der Lithium-Eisenphosphat-Technik, enttäuschend.

Reichweiten-Gate im Test: EFAHRER.com blieb liegen! 

Vorsicht, wer den Atto 3 bis auf die letzte Kilowattstunde leerfahren will: Der Chinese war das erste Auto in der EFAHRER-Geschichte, das bei der Testfahrt ohne Strom liegen blieb. Beim kontrollierten Versuch, den Akku für die Kapazitätsmessung möglichst leerzufahren, fiel die Anzeige für Akkustand und Reichweite innerhalb von einigen hundert Metern an einer kurzen Steigung von 4 % und 19 km auf null und null. Die Leistungselektronik würgte das Auto fast komplett ab. Nach wenigen hundert weiteren Metern rollte es schließlich aus.

Der Grund für dieses Verhalten: Die Lithium-Eisenphosphat-Zellen im Atto 3 müssen für eine genaue Reichweiten-Abschätzung regelmäßig bis zur Ladeabschaltung bei 100 Prozent aufgeladen werden. Dabei werden die Zellen kalibriert, das heißt, sie erreichen den gleichen Energie-Gehalt. Passiert diese Kalibrierungsladung längere Zeit nicht, dann laufen die einzelnen Akku-Zellen auseinander. Die Bord-Elektronik hat keine Möglichkeit, das zu verhindern oder auch nur zu erkennen. Und so kann es passieren dass das Akkumanagement noch von mehreren Prozent Restladung ausgeht, wenn beim Fahren die erste(n) Zellen am sinnvollen Null-Wert ankommt. Diesen Zustand erkennt die Akku-Elektronik, dann ist es aber zu spät: Sie muss die Leistung radikal abregeln und den Akku dann abschalten. Wohlgemerkt: Dieses Problem betrifft nur Lithium-Eisenphosphat-Akkus, weil bei dieser Zellchemie der genaue Ladestand der einzelnen Zelle nicht über ihre Spannung ermittelt werden kann. Bei den üblichen NMC-Akkus (Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt) ist das anders. Bei solchen Akkus funktioniert die Kalibrierung der Zellen sogar im Betrieb – und sie sollen möglichst gar nicht auf 100 Prozent aufgeladen werden.

Nach dem Liegenbleiben stellten wir fest, dass die letzte 100-Prozent-Ladung mehr als 1.200 Kilometer zurücklag – zwei Kollegen waren mit dem Atto 3 quer durch Deutschland und wieder zurückgefahren. Das Schnellladen unterwegs hatten sie jeweils bei 80 bis 90 Prozent gestoppt.

Genau das gleiche Problem erlebten vor über zwei Jahren die Tesla-Kunden, die die ersten Model 3 aus chinesischer Fertigung mit Lithium-Eisenphosphat-Akkus erhalten hatten. In einzelnen Fällen wurde davon berichtet, dass Autos mit einem angezeigten Ladestand von sieben bis acht Prozent plötzlich stehenblieben.

Tesla hat längst aus dieser LFP-Problematik gelernt, und einen Sicherheits-Puffer in das Akkumanagement eingebaut: Je länger das Auto ohne zwischenzeitliche 100-Prozent-Ladung betrieben wird, desto weniger Kapazität gibt das Akkumanagement frei: Die Null-Prozent-Anzeige erscheint einfach immer früher, das Auto wird eher an die Ladesäule gezwungen.

Dass mit BYD ausgerechnet ein prominenter Akku-Hersteller, der gerade auf Lithium-Eisenphosphat-Akkus spezialisiert ist, zwei Jahre später in die gleiche Falle tappt wie Tesla, ist peinlich. Auch, wenn die Betriebsanleitung klar darauf hinweist, dass die 100-Prozent-Ladungen nötig sind: Es darf nicht passieren, dass 19 Kilometer in der Anzeige nicht für mehr als zwei Kilometer reichen. Als Mietwagen-Fahrer zum Beispiel hat man keine Kontrolle über die vorhergehenden Ladevorgänge. Umso mehr muss man sich auf die Anzeige verlassen können. BYD muss das dringend nachbessern!

BYD Atto 3 Fahrkomfort: Wie eine chinesische Dschunke

204 PS und ein Drehmoment von 310 NewtonMeter – und dann nur Frontantrieb? Bei dieser Leistung ist es unvermeidbar, dass die Traktionskontrolle oft zum Einsatz kommt, was im Lenkrad durch ein spürbares Zerren deutlich wird. Diese Eigenschaft teilt sich der Atto 3 freilich mit gleich starken koreanischen Stromern wie dem Kia Nio und dem Hyundai Kona. Ein Hinterradantrieb wie beim VW ID.3 und 4 hat in dieser Leistungsklasse klare Vorteile.

Ansonsten fährt sich der Atto 3 wie eine Dschunke: Gemütlich, komfortabel, die angenehm weiche Federung dämpft alle Straßenunebenheiten weg. Die Lenkung ist – wie oft bei chinesischen Autos – sehr leichtgängig und völlig gefühllos. Die drei Modi Eco/Normal/Sport machen sich nicht beim Fahrwerk, allenfalls beim Strompedal bemerkbar.

BYD Atto 3 Innenraum: Überraschende Details

Ein großes Plus gibt es für den schicken Innenraum, die gute Verarbeitung, das pflegeleichte „vegane Leder“, das Panoramadach, das weit öffnet, und den üppigen Platz im vorderen Bereich. Hinten wird es für Personen über 1,80 Meter nicht bei den Beinen, sondern in puncto Kopffreiheit eng. Außerdem stören die leicht vorstehenden Isofix-Klammern. Mitfahrerinnen klagten schon nach 30 Minuten Autofahrt über blaue Flecken – wie das besser geht, kann BYD sich bei unzähligen Konkurrenten abschauen.

Übrigens: Während der Fahrt können Sie Ihre Gitarrenkünste überprüfen – anhand der Saiten in den Vordertüren. Ein völlig sinnloses, aber irgendwie lustiges Detail.

byd atto 3 im test: e-suv vom akku-giganten lässt uns während der fahrt im stich

Assistenzsysteme und Infotainmentsystem: Sehr viel Luft nach oben

Die Liste ist lang, was uns alles auffiel, daher beschränken wir uns hier auf die größten Schnitzer, zumal wir von BYD erwarten, dass (hoffentlich) baldige Software-Updates Lücken und Bugs ausmerzen.

Wir raten allen Atto-3-Interessierten: Machen Sie eine gründliche Probefahrt und checken Sie, ob Sie mit folgenden Sachen leben können – oder ob sie möglicherweise inzwischen behoben sind:

  • Der Sprachassistent, der auf auf „Hey, BYD“ reagiert, verstand zum Testzeitpunkt im Juli 2023 nur Englisch. Hier macht er seine Sache zwar recht gut, doch bei der Zieleingabe scheitert er an vielen deutschen Städtenamen wie „Ingolstadt“.

  • Der Adaptive Tempomat, der seinen Dienst über 150 km/h quittiert, kann zwar auf Knopfdruck erkannte Tempobegrenzungen übernehmen, doch bei der Schildererkennung scheitert er grandios. So will unser Testwagen uns auf österreichischen Autobahnen toujours auf Tempo 80 reglementieren, und auch im Münchner Stadtverkehr lag die Erkennung öfter daneben als richtig.

  • Der Spurhalteassistent verweigert seinen Dienst nachts und in zu engen Kurven.

  • Das Display lässt sich von Quer- auf Hochformat schwenken. Das macht bei Funktionen wie Navigation durchaus Sinn, doch leider ist Google Maps rein auf Querformat ausgelegt, wenn man es via Android Auto oder Apple Car Play nutzt. BYD wird hier jedoch nichts fixen können, schließlich ist das eine Google-Reglementierung.

  • Wenn wir schon beim Display sind: Die Helligkeitserkennung ist miserabel. Fahren wir durch eine Autobahnunterführung, schaltet der Bildschirm auf Nachtmodus und braucht danach viel zu lange, wieder auf Tagmodus zu stellen. Bei Dämmerung ist es uns sogar passiert, dass der Bildschirm dauerhaft dimmte und wir ihn nicht mehr hell bekommen haben. Gedimmt bedeutet dabei eine so starke Helligkeits-Reduzierung, dass unter anderem die Navigation kaum noch zu erkennen war.

  • Die Menüführung ist nicht eingängig, manchmal muss man beträchtliche Strecken zurücklegen, um ein alltägliches Feature einzustellen.

  • Fenster ließen sich während der Testfahrt über den Fensterheber während der Fahrt nicht mehr schließen. Erst der Sprachassistent beziehungsweise ein Neustart half aus dem Dilemma. Generell funktionierte es nicht, beide Fond-Seitenfenster gleichzeitig zu schließen.

byd atto 3 im test: e-suv vom akku-giganten lässt uns während der fahrt im stich

BYD Atto 3: Kofferraum

Mit 440 Litern liegt der Atto 3 entsprechend seier Außenmaße zwischen VW ID.3 und ID.4. Allerdings vermissen wir eine Durchreiche, etwa für Skier. Und warum BYD – wie so viele Hersteller – unter der vorderen Motorhaube keinen Frunk eingebaut hat, wissen nur die E-Auto-Götter. Luft für ein Kabelfach wäre unter der Haube genug. Wichtig für Nutzlast-Fans: eine Anhängerkupplung gibt es weder für Geld noch für gute Worte.

BYD Atto 3: Preise und Verfügbarkeit

Bei den Preisen herrscht Übersichtlichkeit: Entweder Sie entscheiden sich für die Comfort-Variante für 44.625 Euro oder für die Design-Ausstattung für 47.000 Euro, die den 15,6 Zoll großen, schwenkbaren Monitor und eine elektrische Kofferraumklappe beinhaltet. Andere Konfigurationen oder Pakete gibt es nicht. Sie haben nur zusätzlich die Wahl zwischen vier Farben: Grau, Blau, Weiß und Rot.

Die Preise verstehen sich vor Förderung und Herstelleranteil. So kommt man nach Herstelleranteil und 4.500 BAFA-Bonus auf knapp 40.000 Euro für die teurere Designvariante.

Sieht man sich die Leasingangebote an, ist der BYD Atto 3 zum Testzeitpunkt im Sommer 2023 sofort oder in wenigen Wochen verfügbar. Die Leasingraten starten bei 166 Euro netto für Gewerbekunden, Privatkunden zahlen 240 Euro brutto.

Zu den Leasing-Angeboten BYD Atto 3

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