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BMW i4 schlägt Tesla Model 3 im Test: Wachablösung bei E-Autos

Seit das Model 3 von Tesla auf dem Markt ist, wächst es von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord. Im allgemeinen SUV-Trend, dem insbesondere auch die deutschen Premium-Hersteller folgen, ist die elektrische Standard-Limousine die altmodische Randerscheinung – und deshalb fast konkurrenzlos. Der Polestar 2 als schwedisch-chinesischer Volvo-Ableger kann zwar mit gediegener Verarbeitung und guten Fahreigenschaften punkten, die Themen Raumökonomie und Effizienz haben dessen Entwickler aber vernachlässigt – und fahren dem Model 3 damit hinterher.

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Platzangebot in der “Gran Coupé”-Limousine

Jetzt macht sich BMW also an die Limousinen-Klasse heran. Der klassische 4er aus München will im BMW-Jargon keine Limousine sein, sondern entweder ein Coupé oder ein viertüriges „Gran Coupé“. Die abfallende Dachlinie bedeutet für die Fond-Passagiere nicht eben üppige Kopffreiheit. Weil in der elektrischen Variante i4 der Akku unter dem Fahrzeugboden und den Rücksitzen platziert ist, hat BMW die Dachlinie für das E-Auto abgewandelt: Der i4 ist mit fast 1,50 Metern je nach Variante um sieben bis acht Zentimeter höher als die Verbrennermodelle. Dieser kleine Unterschied wirkt sich wohltuend auf den Komfort auf den Rücksitzen aus. Die etwas höhere Sitzposition und die bessere Sicht nach außen schaffen einen Limousinenhaften Wohfühl-Charakter. Genug Beinfreiheit bietet das Auto mit 4,80 Metern Außenlänge (zehn Zentimeter mehr als beim Model 3) sowieso. Im direkten Vergleich punktet das Model 3 allerdings mit seinem serienmäßigen Glasdach, das am Kopf zusätzliche Zentimeter an Luft verschafft. Die tiefe Sitzposition im Tesla bedeutet aber, dass Erwachsene auf den Rücksitzen die Beine stark anwinkeln. Die Oberschenkel liegen nicht auf den Sitzen auf, was auf langen Strecken unbequem wird. Hier ist der i4 klar im Vorteil.

Wenn wir schon beim Platzangebot sind: Der Kofferraum des i4 fasst 470 Liter, der Zugang erfolgt über eine große Heckklappe, die die lange Heckscheibe mitnimmt. Das Volumen ist für eine Limousine dieser Größe ok, für ein E-Auto, bei dem ein Teil des Akkus und der Elektronik unter dem Kofferraum sitzt, ist es sogar sehr ordentlich. Wieder drängt sich der Vergleich mit dem Tesla auf, der nur eine kleine Kofferraum-Öffnung freigibt und für den Transport großer Objekte ausscheidet. Der normale Kofferraum des Tesla wirkt etwas kleiner und schmaler als der des i4, mit dem riesigen Fach unter dem Kofferraumboden hinter der Hinterachse, das weitere gut 100 Liter fasst und mit dem Stauraum im Frunk (Front Trunk, also vorderer Kofferraum) beläuft sich das Volumen aber auf über 600 Liter. Wenn also nicht gerade ein Kühlschrank zu transportieren ist, bietet der Tesla hier Vorteile.

Dass im i4 wegen seiner Hybrid-Plattform, die auch für die Verbrenner genutzt wird, jede Menge Platz verschenkt, zeigt sich beim Blick unter die vordere Haube: Unter der großen Plastikabdeckung, die aussieht, wie die Abdeckungen der Verbrenner, verbirgt sich – nichts. Der Raum, der im Verbrenner unter anderem von einem Sechszylinder mit zwei Turboladern, großem Ladeluftkühler und Nebenaggregaten eingenommen wird, ist im heckgetriebenen i4 eDrive 40 im Wesentlichen einfach leer. Weil Lenkung, Kabel und Leitungen in den Raum ragen, weil er nach unten nicht komplett geschlossen ist, lässt sich der Platz nicht wirklich nutzen.

i4-Käufer, die bei winterlichem Schmuddelwetter ihr Ladekabel aufwickeln, um dann das Gepäck im Kofferraum beiseitezuschieben und das Kabel im Fach unter dem Kofferraumboden zu verstauen, werden diese seltsame Entscheidung von BMW verfluchen. Der Frunk von Tesla lässt sich per Schlüssel oder App entriegeln und ist perfekt für das Kabel geeignet. Selbst beim allradgetriebenen i4 xDrive M50, bei dem ein Elektromotor unter der vorderen Haube sitzt, gäbe es leicht genug Platz für ein Ladekabel – genau wie bei den allradgetriebenen Teslas.

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Ergonomie, Infotainment, Assistenzsysteme

Kommen wir zu angenehmeren Themen für den BMW: Wer direkt aus dem Model 3 in den i4 umsteigt, der spürt unmittelbar die jahrzehntelange Erfahrung der Bayern mit Fahrer-Ergonomie. Die perfekte Sitzposition ist nicht nur vorhanden, sie ist auch schnell gefunden. Die Anordnung der Bedienelemente ist optimal, und im Gegensatz zu anderen neuen BMWs, wie dem neuen 2er Active Tourer, gibt es im i4 immer noch den iDrive-Controller in der Mittelkonsole, der die wichtigsten Funktionen zur Verfügung stellt.

Das zugehörige Menü im Zentraldisplay, das sich auch per Touch bedienen lässt, bietet dafür mehrere Ebenen und eine erschlagende Vielzahl von Funktionen. Die Liste der App-Symbole erinnert an ein Handy, auf dem jahrelang beliebig Apps ausprobiert und vergessen worden sind. Funktionen für den Alltag sind aber trotzdem gut zu erreichen, viele davon auch direkt per Sprachkommando zu steuern.

Der wichtigste Inhalt für das Infotainment-Display ist die fast perfekte Navigation, die mit Augmented-Reality-Darstellung, mit Spurwechsel- und Abbiege-Informationen im Headup-Display, mit Live-Verkehrsdaten und, nicht zuletzt, mit recht aktuellen Ladestations-Daten kaum Wünsche offen lässt. Die dynamische Ladeplanung für längere Strecken reagiert auf Unvorhergesehenes wie Staus und zähen Verkehr, der den Verbrauch drückt, und passt sich unterwegs an. BMW ist damit für den praktischen Betrieb gleichwertig zu Tesla geworden – mit einer Einschränkung: Der Tesla bezieht die tatsächliche Auslastung der Supercharger-Stationen in die Ladeplanung mit ein, das BMW-Navi muss bei vielen Ladestationen raten, wie stark sie belegt sind.

Bei den Assistenzsystemen ist das Kräfteverhältnis in Deutschland ohnehin längst andersrum: Die Helferlein im i4 haben eine Qualität und Zuverlässigkeit entwickelt, von der Tesla sich einige Scheiben abschneiden sollte. Neben Offensichlichem wie dem weich eingreifenden Spurassistenten, der selbst mit lückenhaften Beklebungen der gelben Autobahn-Baustellenspuren zurechtkommt, der automatischen und vorausschauenden Übernahme von Geschwindigkeitsbeschränkungen und der Reaktion auf rote Ampeln und Stoppschilder gibt es beim BMW auch eine situationsabhängige Rekuperations-Steuerung, die anhand einer Vielzahl von Parametern entscheidet, wie stark die elektrische Verzögerung beim Gaswegnehmen eingreift. Diese Steuerung ist nicht nur bequem und praktisch, sie ist auch effizient, weil sie in jeder Situation dabei hilft, Schwung mitzunehmen oder Strom zu rekuperieren anstatt die klassische Bremse zu erwärmen. Insgesamt erwecken die Assistenten im BMW den Eindruck, dass sie das Auto durchaus alleine fahren könnten. Sie dürfen bloß nicht, und deshalb meckert der i4 innerhalb von Sekunden, wenn die Hände nicht an den Sensoren am Lenkrad liegen.

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Fahrleistungen, Verbrauch und Reichweite

Wir konnten im letzten Herbst bereits eine Testfahrt im i4 M50 unternehmen – beim aktuellen Topmodell wird der Alltag davon geprägt, dass jederzeit 400 Kilowatt (544 PS) Leistung zur Verfügung stehen um das über zwei Tonnen schwere Auto nach vorne schnalzen zu lassen. Wer das auskostet, der darf nicht mit Verbrauchs-Rekorden rechnen – dafür ist der i4 M50 aber auch nicht gebaut.

Der viel schwächere i4 40 überrascht zunächst einmal damit, dass er sich ebenfalls sehr stark und agil anfühlt. Nominell 250 kW (340 PS) legen den Vergleich mit dem Basis-Model-3 nahe, das einen 239 kW starken Motor mitbringt und ebenfalls nur die Hinterräder antreibt. Obwohl der Tesla mit seinem 60-kWh-Akku um runde 300 kg leichter ist als der i4 mit dem 84-kWh-Speicher, übertrifft ihn der BMW im Fahreindruck und bei den Beschleunigungswerten bei Weitem. Konkret: BMW gibt 5,7 Sekunden für den Sprint von 0 bis 100 km/h an, Tesla 6,1 Sekunden. Unser Test-BMW brauchte bei der Messung 5,4 Sekunden, der Tesla aber 6,5 – ein gewaltiger Unterschied, der eigentlich auf eine große Leistungsdifferenz schließen lässt.

Ein Teil des Beschleunigungs-Gefälles lässt sich mit der Auslegung erklären: Der BMW ist auf eine gemessene Höchstgeschwindigkeit von 187 km/h beschränkt, der Tesla darf 225 km/h schnell fahren. Die resultierende niedrigere Übersetzung hilft dem BMW beim Anfahren aus dem Stand. Dazu kommt das, was BMW über seine selbst entwickelten Motoren sagt: Die stromerregte Asynchronmaschine im i4 kommt ohne Permanentmagnete aus seltenen Erden aus (solche verwendet Tesla in seinen Heck-Motoren) und setzt auf unterstützendes Drehmoment aus Reluktanz. Laut BMW hat dieses Motor-Konstrukt direkt aus dem Stand leichte Leistungs-Nachteile, die es aber bei höheren Drehzahlen mehr als wettmacht. Die Leistungskurve bleibt auch bei höheren Geschwindigkeiten satt – und so fühlt sich das beim Fahren dann auch an: Obwohl beim i4 bei 187 km/h schon Schluss ist, beschleunigt er wesentlich zackiger zum Beispiel von 120 bis 150 km/h als der Basis-Tesla.

BMW sagt übrigens auch, dass der hauseigene Motor sehr effizient ist. Nach unserem Test können wir den Münchnern nur zustimmen. Bei warmen Umgebungstemperaturen ist es überhaupt kein Problem, den i4 dauerhaft mit deutlich weniger als 20 kWh 100 Kilometer weit zu bewegen. Unser Verbrauch bei durchschnittlich sieben Grad Außentemperatur lag im Stadtverkehr und auf Landstraßen bei 17,8 und 19,1 kWh pro 100 km. Besonders gespannt waren wir auf den Autobahn-Verbrauch – eine Test-Kategorie, die Tesla mit seinen konkurrenzlosen Aerodynamik-Werten bislang dominiert hat. Um es kurz zu machen: Die Dominanz ist gebrochen. Der i4 40 verbrauchte auf unserer Autobahnrunde bei 17 Grad Außentemperatur genau 22,0 Kilowattstunden pro 100 km. Das aktuelle Model 3 Standard aus chinesischer Produktion verbraucht 21,1 kWh, das Model 3 Long Range 23,1 kWh. Weil der Akku des i4 mit 83,9 kWh sogar etwas größer ist als der des Allrad-Tesla, und beim Vollladen über 89 kWh durch den Ladeanschluss fließen, übersetzt sich der Verbrauch zu einer Autobahnreichweite von 405 Kilometern. Model 3 Long Range und Standard erreichen hier 365 und 290 Kilometer.

Auch beim Ladestopp gibt sich der i4 keine Blöße. Den plakativen Maximalwert bei der Tesla-Ladeleistung von 250 kW verspricht er zwar gar nicht erst (sondern nur 200 kW), er hält seine hohe praktische Ladeleistung von rund 180 kW aber lange und ist deshalb wie die Long-Range-Modelle von Tesla nach gut 30 Minuten bei 80 Prozent Ladestand angekommen. 80 Prozent bedeuten hier satte 320 Kilometer, das heißt mit einem einzigen Ladestopp sind 700 Kilometer machbar.

Wer noch mehr Reichweite für sein E-Auto haben will, der muss für einen Mercedes EQS über 100.000 Euro ausgeben.

bmw i4 schlägt tesla model 3 im test: wachablösung bei e-autos

Komfort und Verarbeitung

Ein letztes Test-Kapitel beschließt den Gesamtsieg des i4 über die Tesla Model 3. Obwohl Tesla schnell lernt und optimiert, ist der grundsätzliche Unterschied bei Abstimmung und Verarbeitung sofort nach dem Einsteigen und Losfahren erlebbar. Während Tesla seine Sportlichkeit und Agilität im Fahrverhalten über eine ausgesprochen straffe Abstimmung herstellt, die das Fahrverhalten mitunter etwas hölzern wirken lässt, liefert der i4 genau das ab, was man von einem BMW für 59.000 Euro erwartet. Er fährt sportlich und geschmeidig komfortabel, die Lenkung gibt mehr Rückmeldung als beim Ami. Dazu kommt, man mag es ob der Wiederholung kaum mehr schreiben, der Eindruck von Materialien und Verarbeitung, der bei Tesla mindestens eine Klasse schlechter ist als beim i4.

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BMW

Fazit: Der BMW i4 40 entthront das Model 3.

Der i4 ist komfortabler, wertiger, je nach Motorisierung sparsamer und fährt mit einer Akkuladung weiter als der Tesla. Bei den Fähigkeiten der Assistenzsysteme stellt BMW Tesla klar in den Schatten. Für den gebotenen Qualitätsunterschied zum Tesla Model 3 Standard ist der Aufpreis von 9.000 Euro vollkommen in Ordnung, insbesondere, weil der i4 40 sogar das teurere Model 3 Long Range bei der Reichweite übertrifft. Ob dazu gleich noch die ganz lange Sonderausstattungsliste kommen muss, wie bei unserem Testwagen, der auf stolze 75.000 Euro kommt, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

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