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Alfa Romeo Tonale 1.6 VGT-D im Test: Der Diesel als beste Wahl?

Dem guten Tonale mangelt es an einem Top-Antrieb. Daran kann der Diesel nur bedingt etwas ändern

alfa romeo tonale 1.6 vgt-d im test: der diesel als beste wahl?

Was ist das?

Auch wenn Alfa Romeo damit fast schon zu den Aussätzigen gehört – das Cuore Sportivo bietet im Jahr 2023 tatsächlich noch ein Kompakt-SUV mit Dieselmotor an. Uns interessiert’s allemal. Und ein bisschen freuen tut es uns auch.

Denn seien wir ehrlich: Die beiden Einsfünfer-Mildhybrid-Benziner (130 und 160 PS) sind alles andere als eine Offenbarung. Und der 280-PS-Plug-in-Hybrid – ja gut, der ist ganz passabel (wenn auch nicht mehr), holzt aber auch eine nachhaltige Kerbe in die heimischen Finanzen. 

Sprich: Am Ende könnte ausgerechnet der Selbstzünder zum Helden mutieren, den keiner auf der Rechnung hatte. Dass er – zumindest für Menschen, die ihren Italo-Crossover nicht nur Richtung Schule, Supermarkt und wieder zurück schubsen – durchaus die attraktivste Alternative sein könnte, ist gar nicht so abwegig. Seit mindestens 25 Jahren (kaum zu glauben, dass der 156 schon wieder so lange her ist) bringt Alfa nämlich ganz exzellente Diesel in seinen Kraftwagen unter. 

Der 1.9er JTD in diversen Ausbaustufen war eine Wucht, da spricht der Autor aus eigener Erfahrung. Hatte den etwas grobschlächtigen, aber hochmotivierten 140-PS-Burschen vor 20 Jahren in einem 147. Da gab es wenig zu meckern. Und auch der aktuelle 2,2-Liter-Diesel in Giulia und Stelvio macht mit seinen 210 PS ordentlich Rabatz. Auch er ein wenig grob, aber durchaus charmant. 

Im Tonale müssen wir leider mit etwas weniger Feuer und Passione auskommen. Der 1,6er-Multijet-Diesel leistet hier 130 PS und 320 Nm. Er ist ein alter bekannter, den FCA zuletzt unter anderem auch im Fiat 500X oder den beiden Jeeps Compass und Renegade einsetzte. Der Grundmotor ist 15 Jahre alt und musste bereits in Ikonen wie dem Fiat Idea oder Lancia Musa Dienst verrichten. In seiner aktuellen Euro 6d-Form gibt es ihn seit 2020. 

Okay, genug Diesel-History. Taugt er was oder nicht? 

Man weiß ja als Autotester heutzutage gar nicht mehr, wie sich ein Diesel anfühlt, weil kaum noch ein Hersteller darauf setzt. Und wenn, dann wird der Ölbrenner äußerst stiefmütterlich behandelt. Als würde man sich für jede verkaufte Einheit schämen müssen. Also ganz im Ernst: Es ist eine ordentliche Weile her, dass ich in einem Testwagen einen Diesel gefahren bin. 

Dennoch war es relativ einfach, sich über den 1.6 VGT-D im Tonale ein Urteil zu bilden. Das gute Stück ist eine ziemlich zähe Angelegenheit. Theorie 1 (die eher unseriöse): Sobald ein Motor vorne in einen Tonale hineinhüpft, verlernt er, wie man ruck- und verzögerungsfrei anfährt, gönnt sich Gedenksekunden, die sich wie Gedenkminuten anfühlen und ist ganz generell deutlich angestrengter als er sein sollte. Das ist bei den beiden Benzinern so und leider leider gibt der Diesel ein sehr ähnliches Bild ab. 

Theorie 2 (die wahrscheinlichere): Um den alten Haudegen Euro 6d-fit zu machen, musste man ihn abgasseitig so kastrieren, das einfach nicht mehr all zu viel los ist in seiner Blutbahn. Und mei, das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe ist jetzt auch nicht unbedingt mit dem Knigge unterm Arm aufgewachsen, das weiß man ja. 

So wird’s dann auch hier beim Anfahren etwas ruckelig und mühsam. Teils allerdings so mühsam, dass man sich an einer Ausfahrt oder Kreuzung genau überlegen sollte, ob da jetzt wirklich genug Abstand zum Herannahenden gegeben ist oder nicht. Denn ja, das mit der Gedenkminute war vorhin nicht nur so dahergesagt. 

Einmal in Schwung verhält er sich dann jedoch sehr ordentlich. Da gefällt der Diesel auch besser als die beiden Benziner. Erwarten Sie keine Rakete, aber ganz okay leben kann man mit dem Durchzug schon und das Thema Geräuschkulisse/Vibrationen hat der Tonale gut im Griff. 

Ziemlich nervig allerdings: Auf der Autobahn reichen ab 160 km/h selbst leichte Steigungen, um den Vortrieb des Autos zum erliegen zu bringen. Da kann man dann machtlos zusehen, wie Geschwindigkeit flöten geht bis sich das Terrain wieder begradigt. Man darf halt nicht vergessen, dass der Diesel-Tonale trotz seiner eher kompakten Ausmaße 1.655 Kilo auf die Waage bringt. Da kommt so ein 1,6er-Dieselchen mit 130 PS schnell an seine Grenzen.  

Was man dem guten alten VGT-D bei aller Kritik zugute halten muss: Sparsam ist er. Auf meiner Teststrecke von 480 Kilometern, die zu zwei Dritteln aus “Quetsch alles aus dem Gaspedal, was die Kiste hergibt” bestand (wie gesagt, Geschwindigkeit ist nicht unbedingt die Hauptqualität dieses Autos), verbrauchte er genau 7,0 Liter im Schnitt. Wer sich ein bisschen zurückhält schafft aber auch eine (hohe) Fünf vor dem Komma. Gut. 

Bietet der Tonale Diesel Fahrspaß? Ist doch schließlich ein Alfa Romeo!

“Bestes Handling der Klasse” tönten die Italiener selbstbewusst vor dem Launch ihres Kompakt-SUVs. Jetzt ist in diesem Segment wahrlich kein Vehikel dafür bekannt, fahrdynamisch die Sterne vom Himmel zu holen. Also scheint die Gefahr gering, eine derartige Aussage im Nachhinein brutal um die Ohren gehauen zu bekommen.

Und ganz ehrlich: Der Tonale macht es alles andere als schlecht. Von einer High-Performance-Präzisionsmaschine ist er allerdings so weit entfernt, wie Alfa Romeo von einem glaubwürdigen Fünf-Jahres-Plan. 

Beim Test des 130-PS-Benziners kritisierte ich die extrem direkte, aber sehr leichte, weitgehend gefühllose Lenkung des Autos und dass keine richtige Verbindung zur Straße entstehen will. Je mehr Zeit man mit dem Tonale verbringt, desto weniger stört man sich daran. Man versteht auch irgendwann- selbst als verbohrter Autotester -, dass man es hier nicht mit einem Stelvio Quadrifoglio zu tun hat, sondern mit einem Fronttriebler-Crossover samt Spar-Diesel.

Die direkte Lenkung verleiht diesem ein recht agiles Handling. Er lässt sich auch in schneller gefahrenen Kurven nicht so leicht aus der Ruhe bringen und hält schon ziemlich lange die Füße still, bis er am Grenzbereich anklopft. Außerdem ist auch dieser Tonale sehr gut gedämpft. Er federt satt, konzentriert und präzise, vermeidet aber jegliche Härte. Außerdem ist auch bei gröberen Stößen und Schlägen Ruhe im Karton. Das wirkt schon sehr hochwertig. 

Ärgerlich hingegen: Ausgerechnet die Diesel-Variante hat die geringste Anhängelast aller Tonale. Während die Mildhybrid-Benziner 1.500 Kilo an den Haken nehmen dürfen und selbst der Plug-in-Hybrid noch 1.250 Kilo packt, muss der Selbstzünder bereits bei allem über 1.025 Kilogramm aufgeben. 

Wie ist er innen?

Anders als man das bisher bei Alfa gewohnt war, sind Qualität, Ergonomie und Infotainment/Bedienung die klaren Stärken dieses Autos. Die Materialien sind durch die Bank hochwertig. Wo man auch hinfasst – es wirkt alles sorgsam ausgewählt. Da scheppert nix – um einen ehemaligen Vorsitzenden des Volkswagen-Konzerns zu zitieren. Mehr Maranello als Mager-Diesel: Das schöne Lenkrad inklusive Startknopf und den tollen XXL-Schaltwippen. 

Das Infotainmentsystem ist bei Speed und Grafik endlich konkurrenzfähig, die Bedienung wirkt schlüssig und dank des Einzugs von Alexa gibt es nun auch eine Sprachsteuerung, die man nicht nach 2 Minuten verzweifelt in die Tonne kloppen will. 

Wie schon beim großen Bruder Stelvio ist das Gestühl in Reihe Eins absolut hervorragend. Mein wehleidiger Rücken zickt ja in den häufigsten Fällen nach ein, zwei Stunden im Fahrersitz. Hier nicht. 

Das Raumangebot im Fond kommt nicht an das des luftigen Tiguan heran, gibt sich aber definitiv keine Blöße. Mit meinen 1,85 Meter sitze ich hinter mir selbst absolut ordentlich. Das Kofferraumvolumen ist mit 500 bis 1.550 Liter auf klassenüblichem Niveau.

Fazit: 7/10

Bis auf die müden und ungeschliffenen Motor-Getriebe-Kombinationen ist der Tonale ein sehr sehr anständiges Auto, das genau dort Prioritäten setzt, wo es bei Alfa in der Vergangenheit zu oft gehakt hat. 

Qualität, Bedienbarkeit, Platzangebot und Alltagskomfort passen. Außerdem hat er natürlich die Looks und das ganz ausdrücklich auch im Innenraum. 

Der Diesel ist keine Offenbarung, wirkt aber etwas stimmiger als der 130-PS-Benziner, den wir Ende 2022 im Test hatten. Es bleibt dabei: Was dem Tonale zu einem Spitzenplatz in diesem extrem umkämpften Segment fehlt, ist ein begeisternder Motor. 

Technische Daten und Preis Alfa Romeo Tonale 1.6 VGT-D Sprint

  • Motor: Reihenvierzylinder-Turbodiesel; 1.598 ccm
  • Getriebeart: 6-Gang-Doppelkupplung
  • Antrieb: Vorderradantrieb
  • Leistung: 96 kW (130 PS) bei 3.750 U/min
  • Max. Drehmoment: 320 Nm bei 1.500 U/min
  • Beschleunigung 0-100 km/h: 10,9 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 194 km/h
  • Leergewicht: 1.655 kg
  • Zuladung: 605 kg
  • Kofferraumvolumen: 500 – 1.550 Liter
  • Anhängelast: 1.025 kg
  • Verbrauch: WLTP-Verbrauch: 5,3 – 5,9 Liter; Testverbrauch:
  • Emission: 140 – 156 g/km CO2
  • Basispreis: 39.300 Euro
  • Preis des Testwagens: 45.400 Euro

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