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Wie ein digitaler Zwilling E-Auto-Batterien besser machen soll

Die Batterie ist die entscheidende Komponente von Elektroautos – unter anderem, weil sie ganz bedeutend den Restwert beeinflusst. Darum wollen Autohersteller und Zulieferer im Detail verstehen, wie Batteriezellen und -systeme altern und welchen Einfluss das Nutzungsverhalten auf ihre Lebensdauer hat. Dafür entwickelt Porsche Engineering einen Digitalen Zwilling der Hochvoltbatterie.

Wie verhält sich ein System, zu dem noch keine Langzeiterfahrungen vorliegen, in Zukunft? Diese Frage beschäftigt die Raumfahrtbehörde NASA seit vielen Jahrzehnten. Schließlich brechen ihre Sonden oft mit neuester Technik in unbekannte Umgebungen auf. Um den Lebenszyklus von Raumfahrzeugen besser abschätzen zu können, entwickelten NASA-Forscher Anfang der 2000er-Jahre das Konzept des „Digitalen Zwillings“: Man baute das reale Fluggerät bis ins kleinste Detail als Modell im Computer nach und spielte damit die unbekannten Szenarien durch – jahrzehntelange Reisen zum Beispiel.

Den gleichen Ansatz verfolgt Porsche Engineering, um die Hochvoltbatterie von Elektroautos zu optimieren, so der Hersteller in einer aktuellen Mitteilung. „Wir müssen verstehen, wie sich die Zellen langfristig im Feld verhalten – ohne auf langjährige Erfahrungen wie beim Verbrenner zurückgreifen zu können“, erklärt Dr. Joachim Schaper, Leiter KI und Big Data bei Porsche Engineering.

Der „Digital Battery Twin“ also soll den Blick in die Zukunft ermöglichen: Die digitale Repräsentation der Batterie verhalte sich exakt wie das Original und gebe Aufschluss über den zu erwartenden Alterungsprozess, so Porsche. Außerdem lasse sie sich nutzen, um Lebensdauer und Leistung der Batterie zu verbessern. KI-Experten von Porsche Engineering an den Standorten Deutschland und Tschechien arbeiten darum mit Hochdruck am digitalen Batteriezwilling.

Europa erhöht die Ansprüche bei Batterien

Das Thema ist hochaktuell, denn die Ansprüche an die Haltbarkeit von Batterien steigen ständig – auch seitens des Gesetzgebers. Wer in der Europäischen Union Akkus in Umlauf bringt, muss laut EU-Batterieverordnung ab August diesen Jahres Angaben zu Leistung und Haltbarkeit machen. Der US-Bundesstaat Kalifornien hat bereits Mindeststandards festgelegt: Ab dem Modelljahrgang 2030 müssen Elektroautos nach zehn Jahren oder 150.000 Meilen (241.000 km) Laufleistung noch mindestens 80 Prozent der ursprünglichen Reichweite erreichen. Das schreibt das California Air Resources Board in seiner „Advanced Clean Cars II“-Regelung vom November 2022 vor. Eine ähnliche Regelung könnte in Zukunft auch in der EU gelten. Es wird für die Autohersteller also unerlässlich, präzise Angaben zur Haltbarkeit der Fahrzeugbatterien machen zu können.

Um einen Digitalen Zwilling der Batterie zu erschaffen, sehen die Ingenieure ein modulares, skalierbares Framework zur Integration bestehender und künftiger Modellkomponenten vor. Basis ist ein Performance-Modul, das das elektrische Verhalten der Batterie vereinfachend beschreibt und auf etablierten Ansätzen wie dem Resistor-Capacitor-Modell aufbauen kann. Hinzu kommt ein komplexeres elektrochemisches Modell, das die Vorgänge in der Batteriezelle auf der Ebene einzelner Partikel simuliert – die Interaktion zwischen Anode, Kathode und Elektrolyt. Eine weitere Säule ist das thermische Modell, mit dem sich vorhersagen lässt, wie die Batterie auf Kälte oder Hitze reagiert.

Die Modelle basieren überwiegend auf Laborversuchen mit einzelnen Zellen oder Zellmodulen und können nur begrenzt vorhersagen, wie sich die Batterie im Fahrzeug verhält. Deshalb ziehen die Experten von Porsche Engineering reale Felddaten hinzu. Sie stammen aus Testfahrzeugen oder von Prüfständen, auf denen Zellen vermessen werden. Ergänzt werden sie mit Daten aus der Flotte, sofern die Kunden an einem Datenaustauschprogramm teilnehmen.

Mithilfe der Felddaten werden KI-Algorithmen darauf trainiert, Muster im Nutzungsverhalten der Kunden zu erkennen. Temperatur- oder Spannungsabweichungen in einzelnen Zellen etwa können auf frühzeitigen Verschleiß und Anomalien hindeuten. Allerdings kann eine KI nur das erkennen, wozu auch eine Datenbasis im Feld vorliegt. Aussagen zu langfristigen Alterungseffekten kann sie noch nicht treffen, da zu wenige Elektroautos auf der Straße älter als vier Jahre sind. Deshalb führen die Ingenieure von Porsche Engineering beide Welten zusammen: „Der Erfolg liegt in der Kombination bestehender modellbasierter Bausteine mit KI-Methoden“, erklärt Adrian Eisenmann, Entwicklungsingenieur bei Porsche Engineering.

„Man braucht umfassendes Wissen über die Vorgänge im Fahrzeug“

Einige Start-ups konzentrieren sich bereits ausschließlich auf die Analyse von Batteriedaten. Doch nur Zellen und Module zu betrachten, reiche nicht, betont Schaper: „Man braucht auch umfassendes Wissen über die Vorgänge im Fahrzeug.“ Porsche Engineering sieht sich in beiden Welten zu Hause: Die Ingenieure haben zum Beispiel große Teile des Batteriemanagementsystems der Elektroautos von Porsche sowie Pulswechselrichter für den Antrieb entwickelt. Gleichzeitig beschäftigt Porsche Engineering hoch spezialisierte Battery Data Scientists.

Aus der Arbeit am Digital Battery Twin ist schon eine erste Funktion hervorgegangen, die „Repair Prediction“. Sie basiert auf einem Machine-Learning-Algorithmus, der die Batteriedaten überwacht und bei Anzeichen von Verschleiß oder Anomalien warnt. „So kann der Kunde proaktiv angesprochen werden“, sagt Dr. Lars Marstaller, Product Owner Battery Analytics bei Porsche Engineering. Gleichzeitig verkürzt sich durch die Vorhersagefunktion ein möglicher Werkstattaufenthalt, da nötige Ersatzteile frühzeitig bestellt werden können.

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Porsche

Die Arbeit am Digital Battery Twin hat im letzten Jahr begonnen und mache gute Fortschritte, so der Sportwagenhersteller. Porsche Engineering hat bereits Prototypen der elektrochemischen und thermischen Modelle erstellt, die jetzt mit KI-Analysen kombiniert werden. Doch die Arbeit ist herausfordernd: Daten aus Fahrzeugen mit unterschiedlichem Thermo- und Ladesystem müssen zusammengeführt werden, zudem sind die Labormodelle oft komplex und benötigen viel Rechenleistung. Die Simulationsmodelle werden schrittweise mit Felddaten parametrisiert, um sie noch realitätsnaher zu machen. Noch in diesem Jahr soll es prototypische Anwendungen geben.

Fernziel ist, nicht nur einen generellen Digital Battery Twin zu erschaffen, sondern auch eine digitale Repräsentanz individueller Fahrzeugbatterien. Sie könnte in der Cloud laufen und dem Kunden auf Wunsch Hinweise geben, wie er mit seinem Verhalten die Lebensdauer der Batterie verlängern kann, ohne dass die Fahrleistung leidet.

„Batteriealterung ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren“

Einige Faktoren, die sich positiv auf die Haltbarkeit auswirken, sind bekannt: Der Ladezustand (State of Charge, SoC) sollte bevorzugt zwischen 30 und 70 Prozent gehalten und extreme Außentemperaturen vermieden werden. Doch das sind nur wenige Faktoren von vielen. „Batteriealterung ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren, die gerade im Feld nur schwer zu trennen sind“, so Eisenmann.

Denkbar ist sogar, mithilfe des digitalen Doppelgängers in Zukunft das Fahrzeug zu personalisieren. „Man könnte künftig den Fahrstil des Kunden auf Wunsch analysieren und die Parameter im Batteriemanagementsystem so ändern, dass der Verschleiß minimiert wird“, kann sich Experte Marstaller vorstellen. Außerdem könnten Digital Twins künftig wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Batterien liefern – möglicherweise auch außerhalb der Automobilindustrie. „Wissen über die Zellen ließe sich auch auf Lkw, E-Bikes und Boote übertragen“, gibt Schaper als Beispiel.

Quelle: Porsche – Pressemitteilung vom 18.06.2024

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