Volkswagen will Milliarden in US-Elektroauto-Firma Rivian stecken. Geld fließt in Tranchen. Zusammenarbeit bei Software und Steuercomputer. Rivian-Aktienkurs legt kräftig zu.
- Weniger Komplexität, Fokus auf Software
- „Echtes Schnäppchen“ – echt?
- Gerade einmal 13.600 E-Autos ausgeliefert
Volkswagen holt sich bei Elektroautos Hilfe vom Tesla-Herausforderer Rivian – und nimmt dafür Milliarden in die Hand. Europas größter Autobauer will bis zu fünf Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) ausgeben und gemeinsam Technik für künftige Fahrzeuge entwickeln. Für Rivian ist es eine höchst willkommene Geldspritze: Die Firma schreibt nach wie vor rote Zahlen und hat aktuell mit einem sinkenden Interesse an Elektroautos in den USA zu kämpfen.
Die Kooperation ist recht eng gefasst: Software, Steuercomputer sowie Netzwerk-Architektur. Ein zentraler Punkt: Volkswagen wird für neue Autos in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf Rivians Technologie und Software einschwenken. Der Autoriese könnte damit viel Geld im Vergleich zu einer Entwicklung der Technik in Eigenregie sparen. Rivian-Chef RJ Scaringe betonte in einer Telefonkonferenz am Dienstag, dass andere Bereiche wie Batterien oder Antriebstechnik nicht Teil der Partnerschaft seien.
Weniger Komplexität, Fokus auf Software
Damit die Hersteller immer neue Funktionen bieten können, sammelten sich in Autos schon seit Jahren mehr und mehr Steuereinheiten und längere Kabelstränge an. Mit dem Vormarsch von Elektroautos kam auch ein Wettstreit bei neuen Fahrzeug-Architekturen in Gang. Die Trends: Weniger Komplexität und ein Fokus auf Software. Tesla war ein Vorreiter – ein Computer auf Rädern.
VW hat seit Jahren mit Problemen bei der hauseigenen Software-Entwicklung für Elektroautos zu kämpfen, dadurch verzögerten sich bereits Modellstarts. Scaringe legte am Dienstag den Finger in die Wunde. Man habe in den vergangenen Jahren erkannt, dass etablierte Hersteller Schwierigkeiten bei eigener Software hätten.
Er sieht den Grund dafür darin, wie das Geschäft der Autobauer über Jahrzehnte lief: Viel Technik wurde bei verschiedenen Zulieferern eingekauft, „im Ergebnis hatte man eine Menge kleiner Computer, die an ganz bestimmte Funktionen angebunden waren“. Wenn man aus dieser Welt komme, tue man sich schwer damit, eine Architektur nach dem Zonen-Prinzip zu entwickeln, bei der eine Steuereinheit Funktionen über mehrere Bereiche hinweg übernehme. Rivian ordnete diese ECU (Electronic Control Unit) verteilt im Fahrzeug an, um den Weg für die Datenübermittlung zu verkürzen.
„Echtes Schnäppchen“ – echt?
Der Plan von Rivian und VW sieht ein Gemeinschaftsunternehmen vor, in dem für beide Hersteller entwickelt werden soll. Die Milliarden sollen Rivian nach und nach zufließen. Erst kauft VW Wandelanleihen für eine Milliarde Dollar. Kommt das gemeinsame Entwicklungslabor zustande, zahlt VW eine weitere Milliarde, kauft in zwei Tranchen Aktien für jeweils eine Milliarde 2025 und 2026 und gibt eine weitere Milliarde als Kredit.
Volkswagen bekam zuletzt mehr und mehr Schwierigkeiten beim offensiven Kurs in Richtung Elektromobilität. In Europa ist die Nachfrage schwach, in China ist der Wettbewerb mit günstigen heimischen Herstellern hart. In den USA will der Konzern mit Elektroautos deutlich Marktanteile gewinnen und hatte dafür hohe Investitionen bereits angekündigt.
Gerade einmal 13.600 E-Autos ausgeliefert
Rivian lieferte im vergangenen Quartal knapp 13.600 Elektroautos aus und machte dabei 1,2 Milliarden Dollar Umsatz sowie 1,45 Milliarden Dollar Verlust. Die Firma ist in zwei in den USA populären Fahrzeug-Kategorien aktiv: Große SUV und Pick-ups. Außerdem baut Rivian für Amazon elektrische Lieferwagen, die inzwischen auch in Europa zu sehen sind. Der weltgrößte Online-Händler ist ebenfalls ein Investor.
Die Stimmung unter den Tesla-Herausforderern, die sich ein immer schnelleres Tempo beim Elektroauto-Absatz erhofften, ist verhalten. Gerade in den USA greifen viele Käufer aktuell lieber zu Hybrid-Modellen, auch bei Tesla ist das Wachstum plötzlich gebremst. Die Firma Fisker, die in Graz bei Magna fertigen ließ, musste einen Insolvenzantrag stellen. Ihr SUV-Modell Ocean kam mit Verzögerungen auf den Markt und verärgerte einige Käufer und Tester mit Software-Problemen.