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Volkswagen verbündet sich mit Rivian

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Rivian-Fabrik im Bundesstaat Illinois

Der Volkswagen-Konzern will mit einer neuen Partnerschaft in Amerika die Entwicklung von Software für Autos der Zukunft beschleunigen. Wie Europas größter Autokonzern am Dienstagabend mitteilte, investiert er bis zu 5 Milliarden Dollar in ein Bündnis mit dem US-Elektroautohersteller Rivian, an dem auch der Onlinehändler Amazon beteiligt ist. „Durch unsere Zusammenarbeit werden wir die besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge bringen“, sagte VW-Chef Oliver Blume in einer kurzfristig angesetzten Telefonkonferenz. „Damit stärken wir unser Technologieprofil und unsere Wettbewerbsfähigkeit.“

Die Transaktion erfolgt in zwei Schritten und umfasst auch eine direkte Beteiligung von VW an dem neuen Partner, der schon seit Monaten nach neuen Investoren sucht. Im ersten Schritt stellt VW Rivian eine Milliarde Dollar über eine Wandelanleihe zur Verfügung, die von Dezember an in Aktien gewandelt werden soll. Erreicht das US-Unternehmen bestimmte Meilensteine, macht also vertraglich vereinbarte Fortschritte, folgen 2025 und 2026 jeweils eine weitere Milliarde Dollar. Wie hoch der Aktienanteil von VW an Rivian dann sein wird, hängt von der Entwicklung des Unternehmenswerts ab. Es könnte aber ein deutlich zweistelliger Prozentsatz werden, zuletzt hatten die Amerikaner einen Börsenwert von 12 Milliarden Dollar.

Weiteres Milliarden-Darlehen für den neuen Partner

Neben der direkten Beteiligung zahlen die Wolfsburger voraussichtlich noch dieses Jahr eine Milliarde Dollar in ein Gemeinschaftsunternehmen ein, an dem sie und Rivian je die Hälfte der Anteile halten sollen. In zwei Jahren soll dann ein weiteres Darlehen von einer Milliarde Dollar folgen. Das Gemeinschaftsunternehmen soll Technik entwickeln, die beide Hersteller laut Mitteilung in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts in Fahrzeugen einsetzen wollen. Ihre jeweiligen Fahrzeuggeschäfte werden sie aber weiter separat betreiben.

VW hat seine Softwareentwicklung in der Tochtergesellschaft Cariad gebündelt, die schon seit Jahren mit erheblichen Schwierigkeiten kämpft. Im neuen Gemeinschaftsunternehmen sollen nun auch Ingenieure von Cariad mitarbeiten. Gleichzeitig zieht VW einen Schlussstrich unter eine Strategie, die Ex-Konzernchef Herbert Diess vorangetrieben hatte. Diess wollte mit Cariad im Alleingang eine große, einheitliche Software-Architektur für alle Fahrzeuge im Konzern entwickeln. Sein Nachfolger Blume setzt dagegen stärker auf Partnerschaften. Die einheitliche Plattform mit möglichst nur einem Zentralrechner im Fahrzeug will er nun im Pakt mit Rivian entwickeln.

Rivian gehört zu einer Gruppe junger amerikanischer Hersteller von Elektroautos, die im Windschatten von Tesla herangewachsen sind. Das Unternehmen wurde 2009 von RJ Scaringe gegründet, der zunächst Sportwagen bauen wollte, sich dann aber auf Pick-up-Transporter, sportliche Geländewagen (SUV) und Lieferwagen für den kommerziellen Einsatz konzentrierte. Sein erstes Modell, den Pick-up R1T, lieferte das Unternehmen 2021 aus. Darauf folgten ein SUV und ein elektrischer Lieferwagen. Im Herbst 2021, auf dem Höhepunkt der Begeisterung um Elektroautos an den Finanzmärkten, ging Rivian an die Börse und wurde kurzzeitig mit 100 Milliarden Dollar bewertet. Zu jener Zeit hatte auch Tesla eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Billion Dollar.

Inmitten einer allgemeinen Abschwächung im Markt für Elektroautos hat sich allerdings die Euphorie wieder gelegt. Der Aktienkurs von Rivian ist erheblich gefallen, allein seit Anfang dieses Jahres um mehr als 40 Prozent. Nach Bekanntgabe der Allianz mit VW am Dienstag legte er aber im nachbörslichen Handel zeitweise um mehr als 50 Prozent zu.

Stückzahlen sind noch überschaubar

Rivian ist bis heute hochdefizitär und hat für das erste Quartal einen Nettoverlust von 1,4 Milliarden Dollar ausgewiesen. Jedes Fahrzeug des Herstellers wurde in diesem Zeitraum im Schnitt mit einem Bruttoverlust von fast 39.000 Dollar verkauft. Dabei sind die Fahrzeuge nicht billig, die Pick-ups haben einen Startpreis von mehr als 70.000 Dollar, die SUVs liegen noch etwas darüber. In den kommenden Jahren will Rivian billigere Modelle auf den Markt zu bringen, zum Beispiel einen SUV für 45.000 Dollar.

Bislang sind die Stückzahlen des Unternehmens noch überschaubar, für dieses Jahr erwartet es einen Absatz von 57.000 Fahrzeugen, ähnlich viel wie 2023. Das Liquiditätspolster ist mit knapp 7,9 Milliarden Dollar zwar noch recht komfortabel, allerdings im ersten Quartal erheblich geschrumpft, insofern kommt ein finanzstarker Partner gelegen. Vorstandschef Scaringe sagte, die Allianz mit VW solle dazu beitragen, „unsere Kapitalbedürfnisse für weiteres Wachstum zu sichern“. Rivian hat in Aussicht gestellt, bis Ende dieses Jahres ein positives Bruttoergebnis auszuweisen. Im März kündigte das Unternehmen auch an, den Bau einer zweiten Autofabrik im US-Bundesstaat Georgia vorerst auszusetzen, was einen Milliardenbetrag einsparen soll. Derzeit baut es seine Autos in einem Werk in Illinois.

VW und Rivian haben es zu einem Ziel ihres Bündnisses erklärt, die Kosten je Fahrzeug durch höhere Stückzahlen zu senken. Die Deutschen sind nicht der erste prominente Investor für Rivian. Der Online-Händler Amazon ist mit einem Anteil von knapp 17 Prozent der größte Aktionär und auch ein wichtiger Abnehmer für Rivians Lieferwagen. Der Autohersteller Ford hielt ebenfalls einmal einen Anteil von mehr als 10 Prozent, hat aber den größten Teil davon verkauft. Vor knapp zwei Jahren gab Rivian auch eine Allianz mit Mercedes-Benz zum gemeinsamen Bau von elektrischen Lieferwagen bekannt. Dieses Bündnis wurde aber schon nach wenigen Monaten wieder auf Eis gelegt.

Das Umfeld für Hersteller von Elektroautos hat sich in jüngster Zeit erheblich eingetrübt. Einige amerikanische Start-up-Unternehmen mussten Insolvenz anmelden, Fisker tat dies in der vergangenen Woche. Auch Tesla kämpft im Moment mit Schwierigkeiten und hat zuletzt erhebliche Umsatz- und Gewinnrückgänge ausgewiesen.

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