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So beschleunigt MHP Volkswagens Digitalisierung

Auf dem Weg zum One-Stop-Shop treibt MHP mit Industrial Cloud Solutions die Digitalisierung der Marken im Volkswagen-Konzern voran. Sowohl im Produktportfolio als auch im Team selbst setzt die Porschetochter dabei auf Vielfalt.

so beschleunigt mhp volkswagens digitalisierung

Gemeinsam mit Volkswagen und Porsche entwickelt Industrial Cloud Solutions von MHP cloudbasierte Lösungen, die industrielle Produktionsprozesse effizienter, datengetriebener und nachhaltiger machen sollen. (Bild: MHP – A Porsche Company)

Im Zuge der digitalen Transformation der Autoindustrie sind nach und nach heterogene IT-Landschaften entstanden. Das Optimierungspotenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft, erfordert aber aufgrund der gestiegenen Systemkomplexität fundiertes Knowhow. Insbesondere die Fachbereiche Produktion und Logistik werden derzeit immer stärker durch Software automatisiert. Für die Entwicklung und Implementierung entsprechender Lösungen fehlen den Teams vor Ort rund um den Shopfloor oft die benötigten Software- sowie Digitalisierungskompetenzen.

Software-as-a-Service (SaaS) ist ein mögliches Instrument, die gegebenen Hürden zu überwinden. Das Vertriebsmodell vereinfacht die Aktualisierung von Anwendungen ohne aufwändige Operationen, sodass diese schnell und flexibel an neue Umgebungen angepasst werden können. Auch Skalierbarkeit und Wartbarkeit spielen hier eine wichtige Rolle. Software kann so auch für neue Kunden von einem zentralen Team einfacher ausgerollt werden, was den internationalen Betrieb und Support vereinfacht.

Wie entstand Industrial Cloud Solutions?

Die Entwicklung und Implementierung von SaaS-Lösungen, wie sie aktuell im VW-Konzern stattfindet, ist auf eine 2018 entstandene Kooperation mit Amazon Web Services (AWS) zurückzuführen. Als Digitale Produktionsplattform (DPP) betitelt, ermöglicht die Zusammenarbeit der Unternehmen seitdem die Vereinheitlichung der unterschiedlichen IT-Systeme aus über 100 Werken. Darüber hinaus werden die Systeme an die Cloud angebunden. Somit lassen sich gemeinsame Standards schaffen.

Durch diese Schritte wollte Volkswagen stärker auf bestehende Anforderungen in der Digitalisierung eingehen, erinnert sich Johannes Störmer, Manager Industrial Cloud Solutions bei MHP, der die Entstehung mitbegleitete. „Im Laufe der Zeit haben wir festgestellt, dass MHP als kleine Einheit in der Lage ist, Software schnell zu identifizieren und somit auch schnell zu entwickeln -insgesamt also deutlich besser auf Anforderungen reagieren kann“, beschreibt Störmer den Zusammenhang von DPP zur Initiative Industrial Cloud Solutions (ICS). Unter diesem Namen arbeitet das neu aufgesetzte Produktteam bei MHP seit knapp zwei Jahren an Softwarelösungen für Automobilhersteller und weitere Kunden aus der Industrie.

Die Beteiligung der Porsche AG verschafft dem Beratungsunternehmen eine intensive Nähe zur Automobilindustrie. Sie reicht bis ins Jahr 1998 zurück. Seit dem 1. Januar 2024 ist MHP nun eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Porsche AG. Moritz Gessner, Product Manager bei MHP, ergänzt hierzu: „Darüber hinaus sorgt unsere Historie im Consulting-Bereich dafür, dass wir auf Expertise bei den unterschiedlichen Prozessen innerhalb der Kundenumgebung zurückgreifen können. Und genau die gilt es, stetig zu verbessern. Dadurch wissen wir genau, wie der Anwender tickt und was für die jeweiligen Unternehmen besonders im Fokus steht.“

Skalierbarkeit qualifiziert Softwarelösungen bei ICS

Darauf aufbauend genießt das ICS-Team durch seine enge Zusammenarbeit mit den Konzernmarken zudem einen weiteren, großen Vorteil: Wo unabhängige Dienstleister mit ihrer Arbeit meist auf der grünen Wiese beginnen, kennt MHP durch den Austausch im Konzern bereits den konkreten Bedarf der Anwender. Durch diesen „Pull-Ansatz“ müssen Probleme nicht in der Theorie erahnt, sondern können direkt von den Entwicklern angenommen und umgesetzt werden, schildert Johannes Märkle, Data Scientist bei MHP.

Dennoch gilt es, im Anschluss gemeinsam mit den Prozessverantwortlichen im Betrieb ein tiefgreifendes Verständnis für das Problem zu entwickeln und die Kommunikation sowie Transparenz auf dieser Ebene aufrechtzuerhalten. „Wir ziehen uns zum Entwickeln nicht ins stille Kämmerchen zurück und tauchen nach zwei Jahren mit einer Lösung wieder auf”, betont Märkle. „Wir entwickeln im Scrum-Verfahren. Das heißt man hat kleine Iterationszyklen von zwei bis vier Wochen, in denen ein neues Feature entsteht und am Ende dieser Zeit können wir immer eine funktionierende Software präsentieren.”

Bevor die Arbeit jedoch beginnt, fühlt Head of Experience, Design & Research Laura Czybulka den Kunden auf den Zahn. Die Litauerin erklärt: „Experten, die ihr ganzes Leben lang in der Automobilindustrie beschäftigt waren, kommen mit genauen Vorstellungen ihres Problems zu uns. Gemeinsam mit ihnen versuchen wir dann zunächst herauszufinden, ob das, was sie wollen, auch das ist, was sie wirklich brauchen, um den ursprünglichen Kern des Problems zu beseitigen.“ ICS wolle seine Kunden nicht nur kurzfristig unterstützen, sondern langfristig erfolgreich machen und setze daher auf eine bedürfnisorientierte, enge Zusammenarbeit.

Durch moderne Sitzgruppen und digital buchbare Konferenzräume eignet sich das Porsche Digital Lab, dessen untere Etagen als MHP Lab genutzt werden, perfekt für Scrum und andere zeitgemäße Arbeitsmethoden. (Bild: Porsche)

Rund 60 Use Cases wurden im letzten Jahr laut eigenen Aussagen in die „Product Pipeline“ von Industrial Cloud Solutions aufgenommen und im Rahmen eines Use Case Sourcings bewertet. Für diesen Aussortierungsprozess, so Gessner, stünde vor allem die Skalierbarkeit der zukünftigen Lösungen im Fokus. Diese muss nicht nur im jeweiligen Werk gegeben sein, sondern im Optimalfall auch auf andere Werke der Marke, sowie weitere Standorte der zwölf Volkswagen-Marken und auch externe Fertigungsstandorte übertragbar sein.

Aus den 60 Einreichungen für mögliche Use Cases existieren nach abgeschlossener Validierung noch sechs Anwendungsfälle, die weiterbearbeitet werden. „Es ist ein fortlaufender Prozess. Manchmal ergeben Marktinterviews, dass die Automotive-Branche ein ganzes Stück weiter ist und Anwendungen sich dann nicht für den externen Markt eignen. Sie landen nach einem internen Rollout erstmal auf dem Parkplatz. Es gibt aber auch den Fall, dass wir Lösungen wieder reaktivieren, weil sich ihr Setting verändert hat”, wirft Störmer ein.

Welche Lösungen bietet Industrial Cloud Solutions aktuell an?

Als erste Lösung soll paint_IT die Qualitätskontrolle in der Lackiererei durch automatisiertes Analysieren von Messdaten zu Schichtdicke, Farbton sowie Struktur optimieren und so unter anderem Material- und Energiekosten senken. So lassen sich Qualitätsmängel in der Lackierung mittels intelligenter Analyse nicht nur innerhalb kürzester Zeit erkennen, sondern auch in gewissem Umfang vorhersagen. Die Connectivity-Lösung integrate_IT zielt darauf ab, Maschinen und Anlagen nahtlos an die nachgelagerten IT-Systeme anzubinden und so für eine durchgängige Digitalisierung und einen umfassenden Überblick im Shopfloor.

Mit SimpleVariance konnte bei einem führenden Sitzhersteller durch die Visualisierung und Validierung von Sitzvarianten mit den zugehörigen Teilenummern der hohe Arbeitsaufwand zur Validierung von Kundenaufträgen deutlich gesenkt werden. Sounce ermöglicht die automatische Erkennung von Geräuschanomalien in Echtzeit mit KI, beispielsweise während des Montageprozesses, bei End-of-Line-Stationen oder auch an Entwicklungsprüfständen. Durch die lückenlose Überwachung und Prüfung werden Mängel erkannt und dokumentiert, die ansonsten unentdeckt blieben. Auf Basis der vorhandenen Daten wird ein Deep-Learning-Algorithmus antrainiert und in der Cloud bereitgestellt. Zudem bietet MHP Fertigungsunternehmen mit dem FleetExecuter eine zentrale und herstellerunabhängige Leitsteuerung, die die Kontrolle und Organisation von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) in der Intralogistik neu definiert.

Diversität ist für Industrial Cloud Solutions alternativlos

Nicht nur das Lösungsportfolio der digitalen Produktoffensive Industrial Cloud Solutions setzt sich aus verschiedensten Komponenten zusammen, auch das Team selbst besteht aus Mitgliedern mit unterschiedlichsten Herkünften, kulturellen Backgrounds und Berufserfahrungen. Vor dem Hintergrund, dass ICS mit verschiedenen Marken und Kunden an zahlreichen Lösungen arbeitet, sei diese Vielfalt ein klares Plus, so Yan Zhu, verantwortlich für User Experience und Interface der Anwendungen.

Kurze tägliche Updates und spontane Absprachen zwischen den über einhundert Kolleginnen und Kollegen an acht deutschen Standorten und im Ausland sowie gegenseitige Unterstützung sorgen ihrer Meinung nach für die nötige Entwicklungsgeschwindigkeit. Zudem bestünde eine enge Vernetzung zu Teammitgliedern aus Rumänien und Indien. Die Frage nach Vorteilen, die sich durch diesen Diversitäts-Faktor in der Außenwirkung ergeben, beispielsweise in Form eines erfolgreichen Anwerbens neuer Fachkräfte, sorgt bei den Beschäftigten für Irritation. „Ich würde diesen Ansatz gar nicht als einfacher beschreiben, sondern als alternativlos“, kommentiert Gessner.

Auch Störmer betont vehement, dass die Diversität innerhalb des Teams ein natürlich gewachsenes Konstrukt und kein Selbstzweck sei. „Allein aus wirtschaftlicher Perspektive wäre es schlichtweg töricht den Einstellungsprozess auf bestimmte Regionen, Sprachen oder gar auf ein Geschlecht zu begrenzen. Damit lege ich mir selbst Stolpersteine in den Weg. Natürlich gibt es Positionen, die auf Senior-Level festgelegt werden müssen, aber viel wichtiger ist doch, dass man mit der gleichen Philosophie und dem gleichen Spirit an den Start geht.“

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