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Perfektes Set-up dank Formel-1-Technik? DTM-Teams nutzen Hightech-Prüfstand

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Hightech-Maschine in Fichtenberg: Der Toksport-WRT-Porsche auf dem Prüfstand

Auch wenn die DTM inzwischen nicht mehr mit den hochgezüchteten Class-1-Prototypen über die Bühne geht, sondern mit seriennahen GT3-Autos, setzen einige Teams bei der Set-up-Arbeit auf Formel-1-Technik. Manthey EMA oder Toksport WRT, aber auch die Hersteller BMW und Porsche nutzen für die Optimierung ihrer Boliden den Hightech-Fahrdynamik-Prüfstand von KW Automotive.

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Tim Heinemann

Bei der sechs Tonnen schweren Maschine, die seit 2005 in Fichtenberg steht, handelt es sich um die ehemalige Anlage des BAR-Honda-Teams – Vorgänger des erfolgreichen Mercedes-Rennstalls – aus Brackley.

Im Vollbetrieb ist der sogenannte “Seven Post Shaker Rig” – ein Sieben-Stempel-Prüfstand – sogar in der Lage, die Auswirkungen der Aerodynamik auf das Fahrwerk zu simulieren. Gerade bei einem neuen Auto wie dem Porsche 911 GT3 R (Baureihe 992), der 2023 erstmals im Renneinsatz ist, kann das den Unterschied machen.

Was bringt die Fahrwerks-Optimierung in der DTM?

“Man wird nie über das Fahrwerk fünf Sekunden schneller, außer man liegt komplett daneben”, erklärt Tim Heinemann im Gespräch mit Motorsport-Total.com. “Aber es geht darum, dass das Auto einfach zu fahren ist.” Der Toksport-WRT-Pilot, der beim Fahrwerkshersteller in Fichtenberg im Vertrieb arbeitet und 2023 seine erste DTM-Saison bestreitet, weiß wovon er spricht.

Beim Fahrdynamik-Test seines Toksport-WRT-Porsche ließ er es sich nicht nehmen, selbst Hand anzulegen und die Simulationen zu dokumentieren. “Bei den Dämpfern und beim Fahrwerk geht es um das Feintuning, das auch Rundenzeit bringt, aber es ist nicht so als hätte man plötzlich 20 PS mehr im Auto”, erklärt er.

“Das Fahrwerk soll dafür sorgen, dass die Grund-Performance des Autos über die Geometrie und den Reifen so gut wie möglich genutzt werden kann.” Das könne in der DTM den Ausschlag geben, ob man “ein oder ein halbes Zehntel” schneller ist. “Das sind dann schnell mal sieben Positionen. Zeit, die auf der Strecke liegt.”

“Wenn ich blind bin, wird das ein fürchterliches Konzert”

Das hat auch damit zu tun, dass die GT3-Autos homologiert sind und Entwicklung verboten ist. Dafür ist es erlaubt, Bremsbeläge und Bremsscheiben frei zu wählen, Flügel und Reifendruck anzupassen und das Fahrwerk – also Dämpfer und Federn – nach Wunsch einzustellen.

“Da haben die Mercedes- und Audi-Teams einen Vorteil, weil sie das Auto schon lange kennen”, erklärt Thomas Rechenberg, der bei KW Automotive den Motorsportbereich leitet, im Gespräch mit Motorsport-Total.com. “Sie wissen: Es gibt keine großen Geheimnisse, aber auch keine bösen Überraschungen mehr.”

Bei einem neuen Auto wie dem Porsche lässt sich aber auch im homologierten Zustand noch Potenzial freimachen, da der Bolide nicht ausgereizt ist. “Ich muss dieses Klavier komplett bespielen können”, erklärt Rechenberg. “Wenn ich aber blind bin und nicht sehe, welche Tasten welchen Ton ergeben, dann wird das ein ganz fürchterliches Konzert. Da hilft der Prüfstand unheimlich, so ein Auto zu verstehen und es auf den Reifen zu adaptieren.”

Warum sogar Rennstrecken exakt simuliert werden können

Denn entscheidend ist, was das Fahrwerk mit dem Pneu macht, wie auch die aktuelle Saison zeigt: Da in der DTM Heizdecken verboten sind, hat es sich als Schlüssel zum Erfolg erwiesen, die Pirelli-Reifen im Qualifying und nach dem Stopp rasch auf Temperatur zu bringen.

Der Reifen dreht sich auf dem Prüfstand zwar nicht, wird aber sogar angewärmt, damit die Temperatur und der Luftdruck repräsentativ sind. So soll eine realistische Steifigkeit des Reifens erreicht werden, damit die von den Sensoren ausgespuckten Daten stimmen, wenn sich das Fahrzeug auf den beweglichen Stempeln auf und ab bewegt (alle Details, wie der Prüfstand funktioniert, in unserer Fotostrecke).

Das besondere beim Prüfstand mit sieben Stempeln ist, dass auch die Wirkung der Aerodynamik auf einer Strecke simuliert werden kann. “Ich binde das Auto zusätzlich zu den vier Stempeln bei den Rädern auch an drei Aero-Stempeln an (einer vorne, zwei hinten; Anm. d. Red.) und kann dadurch die Strecke komplett nachfahren”, verweist Rechenberg darauf, dass je nach Passage Beschleunigungs- oder Bremsphasen simuliert werden. “Dadurch sehe ich exakt die gleichen Radlasten wie in der Realität.”

Warum ein Prüfstand-Test effizienter ist als auf der Strecke

Aber warum gehe ich dann als Team nicht gleich auf die Rennstrecke und nutze reale Daten? “Diese ganzen Tools kann man sich zwar auch auf der Strecke erarbeiten, aber man ist immer von den äußeren Bedingungen abhängig”, erklärt Heinemann.

“Das Wetter muss konstant bleiben, die Strecke sollte sich nicht weiterentwickeln, der Verkehr spielt eine Rolle. Es macht also Sinn, das mal theoretisch zu betrachten, weil man auf dem Prüfstand immer dieselben Bedingungen hat”, erklärt der DTM-Rookie. “Und du hast noch einen großen Vorteil”, wirft KW-Motorsportchef Rechenberg ein. “Es gibt keinen Bremsenverschleiß oder Reifenabrieb.”

Tatsächlich ist ein Tag auf dem Prüfstand durchaus effizient, denn in einer zehnstündigen Session ist das Fahrzeug in der Regel acht Stunden im Einsatz. Zudem kann man gewisse Streckenpassagen immer wieder simulieren, ohne die ganze Strecke abfahren zu müssen, wenn man sich auf ein Problem konzentrieren will.

“Ein Testtag mit einem GT3-Auto kostet 20.000 bis 30.000 Euro pro Tag”, weiß Heinemann. “So ein Prüfstand-Tag ist weitaus günstiger. Da sind wir eher bei einem Drittel.” In Class-1-Zeiten machte auch das Testverbot die Anlage besonders attraktiv. Inzwischen sind Tests in der DTM freigegeben, dennoch sagt Rechenberg nicht ohne Stolz: “Es gibt in jedem Lager zumindest ein Team, das regelmäßig hier ist.”

Und das BAR-Honda hat sich einige Jahre, nachdem man den “Seven-Poster” an KW Automotive verkaufte und damals meinte, man würde mit virtuellen Simulationen auskommen, eine neue Anlage gekauft, die nach wie vor in Brackley steht. Auch das sagt, wie wertvoll die Rüttel-Maschine ist.

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