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Mercedes eVito und eSprinter: Neue E-Lieferwagen im Kurztest

Facelift beim eVito, neue Generation beim eSprinter

mercedes evito und esprinter: neue e-lieferwagen im kurztest

Nutzfahrzeug-Termine sind für Leute wie mich, die sich vor allem mit Elektro-Pkws befassen, immer ein wenig exotisch. Die Welt der Transporter ist eben so ganz anders. Wir haben diesen Exotismus nun bei einem Ein-Tages-Termin in Frankfurt ausgekostet und den Mercedes eSprinter und eVito getestet.

Der eSprinter ist der große Elektro-Transporter – der Large Van, wie Mercedes sagt. Er erscheint nun in einer komplett neuen Generation. Der Midsize Van eVito dagegen erhielt nur ein Facelift. Während beim großen eSprinter die größere Reichweite und der neue Antrieb im Mittelpunkt stehen, sind es beim eVito eher Kleinigkeiten wie ein neues Cockpit.

Schnelle Daten Mercedes eVito Kasten  Mercedes eSprinter Kasten
Länge x Breite x Höhe 5,14-5,37 m x 1,93 m x 1,94 m 5,93-6,97 m x 2,02 m x 2,33-2,62 m
Motor 1 ASM vorne, 85 kW 1 PSM hinten, 100 od. 150 kW
Akku 60 kWh (NMC) 58, 81 od. 113 kWh (LFP)
Reichweite 313 km 220-420 km
DC-Ladedauer 10-80% 50 min, optional 35 min 28-42 min
Basispreis (brutto) 49.441 Euro 71.388 Euro

Mercedes eVito: Antrieb und Akku

Ich fuhr zuerst den neuen Mercedes eVito, den wir bereits ausführlich vorgestellt haben. Mit einer Kollegin drehte ich eine Runde mit dem Kastenwagen in der Version “Lang”. Das ist die verblechte, zweisitzige Variante mit 5,13 m Länge. Daneben gibt es noch eine etwa 20 cm längere “extralange” Variante und den Tourer, also die Version für den Personentransport.

Außen ist unser eVito-Kastenwagen in dem neuen Vintageblau gehalten, eine schlichte Farbe, mit der man den Transporter aber auf dem Baumarkt-Parkplatz leichter wiederfinden dürfte als beim üblichen Weiß.

Ich setze mich ans Steuer, und schon auf dem Parkplatz kommt der erste Schock: Das Bremspedal spricht zuerst gar nicht an und dann sehr unvermittelt. Typisch für Elektroautos, sagt Mercedes-Vans-Chefentwickler Robert Inderka später, als ich ihm meinen Eindruck schildere. Aber so ruppig habe ich den Übergang zwischen rekuperativem und mechanischem Bremsen noch bei keinem Modell erlebt.

Beim Tritt aufs Gaspedal des eVito ist man erstmal enttäuscht, wenn man leistungsstarke Elektro-Pkws gewöhnt ist. Mehr als 85 kW gibt es beim Kastenwagen nicht, und das ist nicht viel für einen 2,2-Tonner mit einem Test-Gewicht im Laderaum und zwei Personen.

Für den Antrieb sorgt eine Asynchronmaschine vorne – was mich doppelt wundert. Erstens kenne ich kein anderes Elektroauto, das ausschließlich mit einer ASM fährt. Inderka sagt dazu, eine PSM hätte halt auch Nachteile. So würde bei hohem Tempo ein Feld induziert, das der Bewegung des Rotors entgegenwirken würde. Das hab ich auch schon mal gehört, aber so richtig plausibel finde ich die Begründung nicht, denn ein Porsche Taycan ist wohl eher für hohes Tempo gebaut als ein eVito, und auch der fährt mit PSM. Schon eher ein Argument ist, dass man eine ASM stromlos schalten kann, ohne dass sie bremst.

Mercedes eVito: Das ganze Hochvoltzeug (bis auf die Batterie) ist vorne

Und warum Frontantrieb und kein Heckantrieb? Letzteres ist für die Traktion doch viel günstiger bei einem Transporter, bei dem das Gewicht in der Regel hinten liegt? Das habe Platzgründe, heißt es bei Mercedes: Die Elektromaschine samt Inverter und wohl auch der Bordlader etc. ist vorne und verkleinert den Laderaum nicht. Auch die Verkabelung dürfte einfacher sein – was wiederum Platz, aber vor allem Gewicht und Kosten spart.

Mercedes eVito: Cockpit und Assistenten

Das Cockpit im Fahrerhaus präsentiert sich ähnlich, wie Pkws vor etwa fünf Jahren aussahen: Statt einem reinen Instrumentendisplay gibt es traditionelle Instrumente mit physischen Zeigern. Und fürs Infotainment gibt es kein schickes Tablet-Display, sondern einen relativ kleinen Touchscreen, der ins Armaturenbrett eingebettet ist. Gestartet wird immerhin nicht mehr mit dem Schlüssel, sondern per Knopf.

Das Cockpit mit traditionellen Analog-Instrumenten und kleinem Touchscreen

Wippen am Lenkrad erlauben die Einstellung der Rekuperations-Stärke. Die vier Stufen reichen von D++ für Segeln bis D- für starke Rekuperation – das kenne ich noch von meiner letzten Fahrt mit dem eVito im Jahr 2018. Es gibt auch noch einen neuen DAuto-Modus, aber dazu mehr beim eSprinter.

In D- kommt man größtenteils ohne das Bremspedal aus, aber zum Anhalten braucht man es dann doch – also kein komplettes One-Pedal-Driving. Die Rekuperationsmodi sind übrigens komplett unabhängig von den Fahrmodi Comfort, Eco und Normal.

Eine große Hilfe ist der kamerabasierte Innenspiegel, denn ohne den könnte ich nicht direkt nach hinten gucken – hinter mir ist eine durchgehende Blechwand. Bei einem Wendemanöver sammelt der eVito weitere Punkte mit dem Querverkehrswarner fürs Rückwärtsfahren. Und im Stau auf der Autobahn verblüfft mich der eVito mit der hilfreichen Erinnerung an die Bildung einer Rettungsgasse.

Nachdem ich das Steuer der Kollegin überlassen habe, fällt mir auf, dass mir als Beifahrer kaum Platz vor den Knien bleibt – dabei bin ich nur 1,76 Meter groß. Vielleicht sieht man deswegen kaum richtig große Paket-Auslieferer? Wenn Sie 1,90 m oder mehr messen, sollten Sie nur im eSprinter arbeiten, oder Sie suchen sich einen anderen Job.

Nur wenige cm Beinfreiheit auf dem Beifahrersitz (bei 1,76 m Körpergröße mit dem Sitz in der hintersten Raste)

Bevor ich aus aussteige, teste ich noch das Erstellen einer längeren Route. “Hey Mercedes, navigiere nach Paris”, fordere ich von dem Auto. Und obwohl das Bediensystem auf Englisch eingestellt ist, zeigt das Navi nach sehr kurzer Zeit schon einen Vorschlag für die 575 km lange Route. Ein Fingertipp, und das System informiert mich, wie lang ich jeweils halten und welchen Ladehub ich ausführen soll. Der erste Eindruck des Systems überzeugt also.

Mercedes eVito: Preise und Konkurrenz

Zum Schluss noch etwas zu den hard facts: Beim eVito Kastenwagen, den es nur mit einem 60-kW-Akku gibt, sind maximal 313 km WLTP-Reichweite drin. Für die 5,13 m lange Basisversion verlangt Mercedes 49.441 Euro inklusive Mehrwertsteuer.

Ist das viel oder wenig? Werfen wir einen Blick auf die Konkurrenz. Dazu gehören wohl unter anderem der Opel Vivaro e-Cargo, der Ford E-Transit Custom oder der VW ID. Buzz Cargo. Nehmen wir den Opel als Beispiel: Er ist mit seinem 100-kW-Frontantrieb stärker, und in der Länge Standard (4,96 m) etwas kürzer. Mit dem 75-kWh-Akku sind 351 km möglich. Diese Version kostet laut Opel-Konfigurator 52.955 Euro brutto. Unser Mercedes liegt also preislich nicht schlecht.

Mercedes eSprinter: Antrieb und Akku

Nach dem Mittagessen steige ich dann in den neuen eSprinter. Ein Riesenungetüm ist das, mit seinen sechs bis sieben Meter Länge und weit über zwei Meter Höhe. Hier steigt man nicht ein, sondern hoch: Man muss man wirklich nach oben klettern, um auf den Fahrersitz zu kommen.

Obwohl je nach Version 100 oder 150 kW stark, ist der Vortrieb des rund 2,5 Tonnen schweren Autos (mit zwei Personen und Test-Gewicht im Laderaum) nicht besser als im eVito. Aber das Auto zeigt ein wesentlich besseres Bremsverhalten: Während ich beim eVito wirklich manchmal Angst hatte, noch rechtzeitig zum Stehen zu kommen, ist das beim eSprinter gar kein Problem.

Der Antrieb wechselte bei der neuen Generation, wie mir Inderka erklärt: Bisher arbeitete hier wie im eVito eine ASM vorne, nun gibt es eine Permanentmagnet-Maschine hinten. Die ist in der Regel effizienter, bestätigt mir Inderka. Und auch die Rekuperation sei kein Problem. Zwar knickt der Wagen beim Bremsen natürlich vorne etwas ein, hat aber auch dann noch genug Gewicht auf der Hinterachse, wo die Rekuperation erfolgt.

Eine weitere Neuheit beim eSprinter ist, dass er nun Lithiumeisenphosphat-Batterien erhält, während der eVito nach wie vor mit NMC-Akku fährt. Der Grund: Im eSprinter braucht man nicht auf hohe Energiedichte zu achten; bei einem Radstand von 4,33 Meter in der Langversion passt auch eine 113-kWh-Batterie mit LFP-Technik für 440 km Reichweite.

Auf meine Frage zur Kälte-Empfindlichkeit von LFP-Akkus sagt Inderka, das sei kein Problem, allenfalls sei die Antriebsleistung etwas geringer. Selbst wenn der eSprinter die ganze Winternacht über draußen stünde und kein Ladeanschluss parat wäre, könnte man das Auto bequem per App vorkonditionieren – mit Strom aus dem Akku. Dann wäre nicht nur die Kabine warm, sondern auch die Batterie.

Mercedes eSprinter: Cockpit und DAuto

Das Cockpit des eSprinter sieht ähnlich aus wie beim eVito, allerdings mit einer angenehmen Ausnahme: Hier ist richtig viel Platz. Das bezieht sich nicht nur auf die Beinfreiheit, sondern auch auf Stauraum für Jacken, Rucksäcke und dergleichen. Während wir beim eVito unseren Krimskrams doch etwas zusammenknüllen mussten, um ihn zwischen den Vordersitzen unterzubringen, ist hier wirklich genug Raum.

Der eSprinter hat die gleichen Rekuperationsmodi wie der eVito. Hier probiere ich auch den DAuto-Modus aus, den ich mir in der Pause habe erklären lassen: Um den Modus zu aktivieren, muss man lange an der rechten Wippe ziehen. Dann wählt das Auto automatisch eine starke Rekuperation, wenn der Vordermann bremst oder wenn es bergab geht.

Bei aktiviertem Abstandstempomat bremst das Auto ohnehin schon automatisch, aber wenn er deaktiviert ist, ist DAuto wirklich eine Hilfe: Der eSprinter verlangsamt vor der wartepflichtigen T-Kreuzung automatisch, genauso wie wenn man auf ein Hindernis aufläuft.

Mercedes eSprinter: Preise und Konkurrenz

Den eSprinter Kastenwagen gibt es ab 71.388 Euro brutto. Dafür erhält man die Version mit 100-kW-Antrieb mit dem kleinsten Akku für 220 km in der Standardlänge. Den Ford E-Transit gibt es laut Preisliste ab 73.292 Euro brutto. Dafür erhält man die Version 350 L2 mit 900 Kilo Nutzlast und 135 kW mit 316 km Reichweite. Auch hier erscheint der Mercedes zumindest nicht überteuert.

Für die günstigste eSprinter-Version mit der Maximalreichweite von von 440 km zahlt man laut e-Sprinter-Konfigurator mindestens 74.241 Euro brutto. Für die Maximalreichweite braucht man beim eSprinter die große 113-kWh-Batterie, und die ist nur in der Langversion erhältlich. Hier ist kein Preisvergleich möglich, denn den Fiat kann man noch gar nicht konfigurieren, den Renault nur mit einer kleinen Batterie.

Mit 440 km liegt der eSprinter auf dem gleichen Niveau wie der neue Renault Master (460 km) und der neue Fiat E-Ducato (424 km), während der Ford E-Transit mit knapp 320 km schon zurückbleibt.

Die neuen Van.EA-Transporter

Zum Schluss habe ich Birgit Schramm, Produktmanagerin der Mercedes-Vans, noch eine Frage gestellt, die mich schon länger beschäftigt: Warum bringt Mercedes nochmal einen komplett neuen eSprinter, wenn doch die neue Plattform Van.EA schon in zwei Jahren startet? Schramm antwortet, das heiße ja nicht, dass 2026 alle Elektrotransporter neu aufgelegt würden.

Auf den nächsten eSprinter wird man also wohl länger warten müssen als auf den nächsten eVito. Ob die nächste Generation dann ein Cockpit bekommt wie die Mercedes-Pkws? Darauf will man sich bei Mercedes nicht festlegen, aber man werde sich sicher wieder verbessern, heißt es mit vielsagendem Lächeln.

Fazit

Ich hoffe, Sie haben hier keinen kompletten Test erwartet, mit Aussagen zu Laderaum, Zuladung oder Total Cost of Ownership. Tut mir leid, dafür fehlte nicht nur die Zeit, sondern ehrlicherweise auch die Nutzfahrzeug-Kompetenz. Aber wenn Sie wie ich vom Elektro-Pkw kommen, haben Sie hoffentlich doch einige Dinge erfahren, worauf Sie bei der Auswahl eines Elektro-Transporters achten sollten. Zum Beispiel, dass man in einem eVito Kastenwagen nichts verloren hat, wenn man groß ist.

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