Das beschlossene Verbrenner-Verbot ab 2035 in der EU ist hochgradig umstritten. Der Europäische Rechnungshof erkennt nun zwar das „lobenswerte Ziel“ und die Bedeutung der Elektromobilität an. Die Prüfer sprechen aber auch eine klare Warnung aus.
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Selten war ein Gesetz der EU so umstritten wie der Ausstieg das Verbrennerverbot ab 2035. Nun hat der Europäische Rechnungshof, der die Politik der Union kontrolliert, Zweifel am Erfolg der Pläne geäußert. Den Autobestand in Europa emissionsfrei zu machen, sei ein „lobenswertes Ziel“, meinen die Prüfer mit Sitz in Luxemburg. Der Weg dorthin sei aber „mit Schlaglöchern gepflastert“.
Der Rechnungshof warnt davor, neben den Klimazielen andere politische Aufgaben zu vernachlässigen: „Die EU muss sicherstellen, dass sie ihren Ehrgeiz beim Klimaschutz nicht mit einer Schwächung ihrer industriellen Souveränität bezahlt. Auch sollte die Erreichung der Klimaziele die Bürgerinnen und Bürger finanziell nicht überfordern.“
Im vergangenen Jahr hatten EU-Parlament und Mitgliedstaaten beschlossen, dass die CO₂-Emissionen von Neuwagen bis zum Jahr 2035 auf null sinken sollen. Weil dabei der Ausstoß des Autos selbst maßgeblich ist, können Verbrennungsmotoren nach dieser Regel dann nicht mehr neu zugelassenen werden. Auf Drängen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing peilt die EU allerdings eine Ausnahme für mit klimaneutralen, synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betankte Fahrzeuge an.
Außerdem soll es im Jahr 2026 eine Überprüfung der Ziele und ihrer Umsetzung geben. Bei diesem „Review“ könnten die Berichte des Rechnungshofs eine Rolle spielen. In den vergangenen drei Jahren haben die Luxemburger vier Papiere vorgelegt, die einzelne Bereiche der Klimapolitik im Verkehrssektor beleuchten.
Darin ging es um die Probleme beim Aufbau der Ladeinfrastruktur, die Förderung einer eigenen EU-Batterieindustrie, den Beitrag von Biokraftstoffen zur CO₂-Minderung und zuletzt um die unrealistischen offiziellen Emissionswerte von Pkw.
Ohne chinesische E-Autos wird das EU-Ziel wohl verfehlt
Damit die Elektrifizierung gelingt, fehlt es nach Ansicht des Rechnungshofs aber an politischer Unterstützung, die über Klimagesetzgebung hinausgeht. „Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die europäische Industrie Elektroautos in großem Maßstab zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen kann, während gleichzeitig die Versorgung mit Rohstoffen gesichert ist und die Ladeinfrastruktur auf dem gesamten Kontinent verbessert wird“, fordern die Prüfer.
Das Ziel 2035 könne nach derzeitigem Stand nur mit Importen chinesischer E-Autos erreicht werden, sonst werde es verfehlt, warnt Turtelboom. Da eine Abhängigkeit von solchen Importen nicht im Interesse Europas sei, fordert der Rechnungshof eine Aktualisierung der Batteriestrategie und mehr Anstrengungen, um den Zugang zu Rohstoffen durch Handelsabkommen zu sichern.
Angesichts des derzeit schwachen Absatzes von E-Autos vor allem in Deutschland würde die Industrie so eine Unterstützung sicher dankend annehmen. Das Ziel der Bundesregierung, 15 Millionen E-Autos in Deutschland bis 2030 auf die Straße zu bringen, gilt hier inzwischen nämlich als unrealistisch.
Wie die Branchenzeitung „Automobilwoche“ vorrechnet, werden bis 2030 in Deutschland voraussichtlich noch 20,9 Millionen Pkw neu zugelassen. Davon müssten rechnerisch 13,6 Millionen reine E-Autos sein (65 Prozent), da momentan etwa 1,4 Millionen solcher Fahrzeuge schon auf der Straße sind.
Verkehrsminister Wissing scheinen solche Rechenspiele nicht besonders zu belasten. Er spricht lieber von Technologieoffenheit. Zum EU-Review 2026 erwarte man, dass „die Europäische Kommission die geltenden Regelungen anhand der technologischen Entwicklung überprüft und dabei insbesondere wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt“, sagt ein Sprecher des Verkehrsministeriums.
Der Pfad der Technologieoffenheit müsse weiter konsequent beschritten werden. „Ein Wettbewerb klimafreundlicher Technologien wird dazu beitragen, dass wir unsere Klimaziele schneller erreichen können. Welche Technologien sich durchsetzen, sollte der Markt entscheiden und nicht der Staat“, sagt der Sprecher.
Prüfer sehen in E-Fuels „keine Technologie für die massenhafte Nutzung“
Die von Wissing im vergangenen Sommer in die Regulierung verhandelte Ausnahme für E-Fuels hat die EU-Kommission immer noch nicht in ein Gesetz gegossen. Ein Problem dabei ist die Systematik der Regulierung, die beim CO₂-Ausstoß des Fahrzeuges im Betrieb ansetzt.
Für Wissings E-Fuels-Fahrzeuge soll nun zunächst in der Abgasregulierung Euro 7 eine neue Kategorie geschaffen werden, danach müsste ihre Anrechnung in den Flottengrenzwerten für die Autohersteller geklärt werden. Über die Euro-7-Regeln werde gerade intensiv beraten, heißt es im Verkehrsministerium.
„Hierbei müssen insbesondere auch die Interessen der Industrie berücksichtigt werden. Unter anderem geht es um die Frage, wie ein manipulationssicherer, ausschließlicher Betrieb eines Pkw mit E-Fuels technisch sichergestellt werden kann“, sagt der Sprecher.
Eine Arbeitsgruppe aus Automobilherstellern, Zulieferern und der Kraftstoffindustrie wolle „bis Ende des Jahres Lösungsvorschläge vorlegen“. Der Vorschlag für die CO₂-Regulierung werde nach Abschluss dieser Verhandlungen erwartet.
Aus Sicht des Rechnungshofs ist dieses Feld ein Nebenschauplatz. „Das ist keine Technologie für die massenhafte Nutzung im Pkw“, sagte der Prüfer Jindrich Dolezal bei der Vorstellung der Studien in Luxemburg.