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In Serienfertigung »aus den Händen gerissen«

in serienfertigung »aus den händen gerissen«

In Serienfertigung »aus den Händen gerissen«

Alte Autos kommen ins Museum, ganz alte dürfen auch wieder heraus. Rechtzeitig zum heurigen Jubiläumsjahr holte Mercedes einen besonderen Oldie aus der Ausstellung in seinem imposanten Stuttgarter Markenmuseum: das Modell Velociped, laut Hersteller „der erste Serienpersonenwagen der Geschichte“.

»Dieses Fahrzeug wurde uns buchstäblich aus den Händen gerissen. Was wir davon erzeugten, wurde verkauft.«
Carl Benz

Das kurz „Velo“ genannte Fahrzeug wurde von 1894 bis 1902 im Mannheimer Benz-Werk gebaut, rund 1200 Fahrzeuge dieser Typfamilie entstanden. Das in sechs Jahren gefertigte Volumen entspricht heute dem Ausstoß einer größeren Autofabrik – an einem Tag. Im Schnitt waren in Mannheim jährlich etwa 200 Exemplare des Velociped entstanden – es galt als Bestseller der jungen Marke Benz & Compagnie.

„Dieses Fahrzeug wurde uns buchstäblich aus den Händen gerissen. Was wir davon erzeugten, wurde verkauft“, erinnert sich Firmengründer Carl Benz 1909 in einem Interview.

Der Tüftler ohne fundierte technische Ausbildung gilt als Erfinder des Automobils, indem er im Jänner 1886 den „Motorwagen Nummer 1“ zum Patent anmeldete – das ihm im November des Jahres erteilt wurde.

Im Vergleich stellt das Veloziped eine deutliche Weiterentwicklung dar – vor allem, weil es über ein viertes Rad verfügt. Aber auch die Lenkung kommt einer heutigen einigermaßen nahe, und die Motorleistung des Einzylinders war glatt verdoppelt.

Dazu findet sich im Katalog von Benz & Cie. von 1894: „In diesem Velociped befindet sich eine Maschine von 1 ½ Pferdestärken.“ Zwei Jahre später heißt es zu Höchstgeschwindigkeit und Fahrverhalten: „Das Velociped legt in der Stunde ca. 20 Kilometer zurück und überwindet Steigungen bis zu zehn Prozent auf guter Strasse.“ Es kostet „complett in feinster Ausstattung mit Laternen“ 2000 Mark.

Die markentypische Preispolitik exerzierte Benz an dem Gefährt schon einmal vor: Gegen Aufzahlung waren ein dritter Gang, aufwendigere Sitzpolsterung, eine gegen die Fahrtrichtung eingebaute Kindersitzbank und eine Anlasskurbel zum leichteren Starten zu haben. Als Sonderausstattung waren auch Luftreifen für bessere Fahreigenschaften erhältlich.

Auch „badge engineering“ wurde bereits praktiziert: An den britischen Maschinenbauer Arnold vergibt Benz 1895 eine Lizenz, um das Motor-Velociped zu produzieren. Das „Arnold Motor Carriage“ ist eines der ersten britischen Automobile.

Fahrbereit war das gute Stück nach Jahrzehnten in Depots und Ausstellungen freilich nicht – behutsam wurde es von der hauseigenen Klassikabteilung „nach den Maßstäben höchster Originalität“ wieder fahrbereit gemacht. Die greift für solche Projekte auf historische Unterlagen und Informationen in den Archiven der Marke zurück.

Nach dem Produktionsende des Velociped sollte es noch ein gutes Jahrzehnt dauern, bis die Fließbandfertigung in den Autobau einzog – dies allerdings im fernen Detroit, USA, in den Werken des Henry Ford.

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