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Hongqi E-HS9 (2024) im Test: Red Flag

Ein weiterer chinesischer Hersteller kommt mit seinem elektrischen Luxus-SUV nach Deutschland. Die Chancen auf Erfolg? Gering!

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Gefühlt jede Woche gründet sich in China aktuell ein Startup, das dann nach ein paar Jahren der Autoproduktion für den heimischen Markt nach Europa vorstoßen möchte. Also … kennen Sie beispielsweise Hongqi? Nein? Komisch … dabei ist Hongqi, das übersetzt “Rote Fahne” heißt, noch nicht einmal ein Startup, sondern tatsächlich die älteste chinesische Automarke.

Seit 1958 werden in Changchun unter diesem Namen nämlich Fahrzeuge gebaut. Lange Zeit Staatslimousinen, ab 1986 auch der Audi 100 (C3) in Lizenz. Mittlerweile weist Hongqi eine breit gefächerte Modellpalette auf.

Bildergalerie: Hongqi E-HS9 (2024)

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Allerdings mit bisher eher mäßigem Erfolg. Nur 370.000 Einheiten konnte der Hersteller 2023 absetzen. Zum Vergleich: BYD verkaufte im gleichen Zeitraum fast zehn Mal so viele Fahrzeuge.

Trotzdem zieht es auch Hongqi nach Europa und seit Ende 2021 verkauft die Marke den E-HS9 nun in Norwegen, seit 2022 in den Niederlanden, Luxemburg, Belgien und Schweden. Deutschland soll jetzt folgen. Und dort will man fortan Audi, BMW, Mercedes-Benz und vielleicht sogar Bentley oder Rolls-Royce Konkurrenz machen. Große Ambitionen also.

Schnelle Daten Hongqi E-HS9 Premium 7-Sitzer
Motor 2x Elektromotor
Getriebe Festes Übersetzungsverhältnis
Antrieb Allradantrieb
Leistung 160 kW + 245 kW
Drehmoment 750 Nm
Akku 99 kWh (brutto) / 90 kWh (netto)
Basispreis 79.995 Euro

Müssen die europäischen Premium- und Luxus-Hersteller jetzt also Angst vor der roten Fahne bekommen? Wir konnten anlässlich der Deutschlandpremiere des E-HS9 eine kurze Testfahrt mit dem Elektro-Brocken unternehmen und können im Vorfeld schon einmal Entwarnung geben: Nein!

Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Wissenswertes | Fazit

Exterieur

Monumental sieht er ja schon aus, dieser Hongqi E-HS9. Egal ob in schwarzer, weißer oder grauer Lackierung. Und Design-Inspiration hat sich das China-Fahrzeug auch nur mit viel Vorstellungskraft von anderen Herstellern geholt.

Obwohl solche Abkupferungen noch nicht einmal so abwegig wären, denn schließlich hat der britische Designer einst für Citroën, Jaguar und sogar Rolls-Royce gearbeitet. In der letzten Station sogar als Chefdesigner für das erste Luxus-SUV der Briten – den Cullinan.

Abmessungen Hongqi E-HS9 Premium 7-Sitzer
Länge x Breite x Höhe 5.209 mm x 2.010 mm x 1.731 mm
Leergewicht 2.735 kg
Kofferraumvolumen 438 – 1.814 Liter
Zuladung 470 kg
Anhängelast max. 1.500 kg (gebremst, bei 12% Steigung)

Was in unseren Augen optisch also durchscheint? Ein wenig althergebrachte Rolls-Royce-Front mit dem rippigen und riesigen Kühlergrill, ein bisschen moderne BMW X7-Sprache in Form der zweigeteilten Scheinwerfer. Ausfahrbare Türgriffe gibt es ebenfalls. Der cW-Wert ist mit 0,34 aber trotzdem eher mittelgut (ein Kia EV9 kommt beispielsweise auf 0,28). Und das wars dann auch schon.

Der Rest ist durch und durch so, wie sich das Land der aufgehenden Sonne ein monströses Fahrzeug für den Geschmack des alten Geldes in China und Europa vorstellt. Hoch, breit, lang. Auf 21-Zoll-Felgen stehend. Hier und da etwas Chrom. Und mit 2,7 Tonnen auch adäquat gewichtig. Alles in allem? Opulent!

Interieur

Und genauso opulent geht es im Innenraum weiter. Sechs oder sieben Sitze können bestellt werden. Wir waren mit der siebensitzigen Konfiguration unterwegs. Also mit durchgängiger Bank in der zweiten Reihe. Bei der sechssitzigen Variante gibt es dann Captains-Chairs hinter dem Fahrer und dem Beifahrer.

Das Platzangebot ist aufgrund der Größe und dem 3.110 mm messenden Radstand natürlich ziemlich gut. Sowohl für Gepäck als auch für die Passagiere. Die letzte Reihe büßt aber durch die abfallende Dachlinie ziemlich an Kopffreiheit ein. Egal. Dafür ist alles beledert und beheizt. Und auf Wunsch wird auch massiert und gekühlt.

Das Cockpit mit seiner ausufernden Bildschirmlandschaft (es gibt ein Kombiinstrument, ein Infotainment-Display und ein darunter liegenden Touchscreen für die Klimasteuerung sowie auf Wunsch einen weiteren Bildschirm für den Beifahrer) wurde übrigens von einem Ex-Mercedes-Benz-Designer entworfen. Quasi das jetzt chinesische Pendant des Hyperscreens. Nur halt irgendwie im Detail ziemlich billig verarbeitet. Und die Menüführung auf allen Bildschirmen könnte man als zweiwöchigen VHS-Kurs anbieten. Katastrophe.

Fahrbericht

Die viel größere Katastrophe findet dann aber auf der Straße statt. Durch die Leistung der zwei E-Motoren ist die Beschleunigung trotz des immensen Gewichts zwar äußerst beeindruckend, aber wehe es geht mal nicht geradeaus.

Denn obwohl in Elektrofahrzeugen jetzt ein relativ einfach zu entwickelnder und zu bauender Antriebsstrang sitzen kann, bedarf es bei Fahrwerk, Lenkung und Bremsen nach wie vor genauso viel Gehirnschmalz und Geschick wie bei Verbrennern. Und hier hat der E-HS9 von Hongqi eklatante Schwächen mit ins Serienprodukt entwickelt bekommen.

Das Fahrwerk schafft es, trotz harter Stöße bei Schlaglöchern und Querfugen gleichzeitig in Kurven unfassbar schwammig zu sein. Die Lenkung als unkommunikativ zu beschreiben, wäre heillos untertrieben. Und versuchen Sie mal, die Bremse ordentlich zu dosieren. Schwierig. So kann und darf sich ein Auto mit Luxusanspruch einfach nicht anfühlen.

Fahrleistungen Hongqi E-HS9 Premium 7-Sitzer
0-100 km/h 4,9 Sek.
Vmax 200 km/h
Verbrauch k.A.
Reichweite 465 km (WLTP)
Ladegeschwindigkeit 11 kW (AC) / 140 kW (DC)
Ladedauer k.A.

Wenig überzeugend sind auch der Verbrauch und die damit einhergehende Reichweite mit dem 90 kWh (netto) fassenden Akku. Der Hersteller gibt laut WLTP-Zyklus zwar 465 km an (einen offiziellen Verbrauchswert konnten wir tatsächlich nirgends finden), wenn man den Testverbrauch von knapp 30 kWh/100km aber durch die Batteriegröße teilt, kommen wir auf gerade 300 reale Kilometer. Schwach.

Und wenn jetzt selbst durchgängig von 10 bis 80 Prozent SOC mit 140 kW geladen werden könnte (die Realität sieht höchstwahrscheinlich anders aus), ist diese maximale DC-Ladeleistung im Premium-Segment mittlerweile auch eher unterer Durchschnitt.

Wissenswertes

Importiert wird der Hongqi E-HS9 über die Hedin Gruppe. Das schwedische Unternehmen ist in 14 Ländern vertreten, hat 40 Marken im Angebot und beschäftigt in 330 eigenen Händlern rund 12.000 Mitarbeitende. In Deutschland übernimmt den Vertrieb die Torpedo Gruppe, die von Hedin aufgekauft wurde und ab 2. April in Hedin Automotive umbenannt wird.

Sie suchen jetzt also einen Hongqi-Händler in Ihrer Nähe? Schwierig. Aktuell gibt es einen Pop-up-Store im Frankfurter Skyline Plaza. Ein dauerhafter Standort soll dann aber zeitnah in der Rhein-Neckar-Region entstehen. Ob daraus wirklich was wird? Fraglich!

Ebenfalls interessant: Falls Sie trotz all der Hinweise trotzdem Interesse an dem Fahrzeug haben, aber Sie sich nicht durch einen Kauf dauerhaft binden möchten, kann der E-HS9 auch gemietet werden. Übers Wochenende beispielsweise. Für 199 Euro inklusive 700 Freikilometer. Oder gleich für einen ganzen Monat. Für 999 Euro. Na dann …

Fazit

Sie haben Interesse an einem großen Premium- oder Luxus-SUV mit elektrischem Antrieb und haben ein Budget von rund 80.000 bis 100.000 Euro zur Verfügung? Dann kaufen Sie sich einen Audi Q8 e-tron. Oder ein Mercedes-Benz EQE SUV. Oder einen BMW iX. Und wenn es sieben Sitze und massig Platz sein soll, dann eben einen Kia EV9 mit weniger theoretischem Premium-Anspruch, aber dafür mit einer trotzdem guten Verarbeitung und Technik in der Realität. Kurzum: Bitte lassen Sie einfach die Finger von dem Pseudo-Luxus-Schiff von Hongqi.

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