Verbrenner-GT trifft Elektro-GT: schnelle Runde mit zwei Gran Turismo für Fans. Wir sind verliebt in beide und wissen doch: Einer wird gehen müssen.
Am Ende eines schnellen Tages ist es so wie bei den Cowboys, die müde, aber zufrieden in den Sonnenuntergang reiten. Du sortierst die Erkenntnisse, bist dankbar für das Erlebte und freust dich auf ein neues, frisches Pferd. Wir haben unser neues, frisches Pferd gleich dabei, es ist mattgrau und glänzt nicht so schön wie das alte rote. Aber es ist schneller auf Trab und läuft viel harmonischer. So düsen wir also in den Sonnenuntergang und müssen Ihnen die Story doch von vorn erzählen. Verbrenner trifft Elektriker, oder anders: alte und neue Welt auf einem gemeinsamen Roadtrip. Wir haben uns schlicht gefragt, ob GT auch ohne Hubraumgluckern und Auspuffgrummeln geht, also heimlich, still und leise. Dann standen Kia Stinger GT und Kia EV6 GT vor der Tür, und beinah wäre uns über die Lippen gekommen: “Sattel die Hühner, wir reiten nach Texas!” Was der Sache natürlich total unangemessen wäre.
Hier geht es um satte 366 PS aus einem V6-Turbo und derer 585 aus zwei E-Motoren, um herrliche 510 Nm Drehmoment mit dem Benziner und brachiale 740 im Stromer. Herrje, Zahlen; lass uns endlich losfahren.
Stinger war eine Herzenssache
Du trittst also aufs Gas, die Wandlerautomatik sortiert acht Gänge so schnell und harmonisch, als würdest du mit der Fernbedienung durchs TV-Programm flippern. Dann drückt es dich in den Sitz, du tauchst tief in die Kurve ein und denkst dir an deren Ende: Hat der Kerl eben mit dem Popo gewackelt? Denkt er, er wäre ein BMW? Ganz gewiss kann das sein, denn neben Schreyer war auch Albert Biermann beteiligt, der früher die M-Modelle für BMW schneller und straffer machte. Wenn du dann auf der schmalen Landstraße den Sport-Plus-Modus einschaltest und der Allrad beinah die gesamte Kraft an die Hinterachse schickt, solltest du erstens gute Nerven haben und zweitens einiges an Geschick, so kurvengierig, so unersättlich fahraktiv wird der Stachel-Kia.
- Motor: je ein Elektromotor an Vorder- und Hinterachse
- Leistung: 430 kW (585 PS)
- max. Drehmoment : 740 Nm
- Antrieb: Allradantrieb / Reduktionsgetriebe
- L/B/H: 4695/1890/1545 mm
- Leergewicht: 2200 kg
- Kofferraum: 480–1260 l plus 20 l vorn (Frunk)
- Akkukapazität: 77,4 kWh
- Ladezeit: 18 min (10-80 Prozent)
- 0–100 km/h: 3,5 s
- Höchstgeschw.: 260 km/h
- Verbrauch: 20,6 kWh/100 km
- Abgas CO2: 0 g/km
- Preis: ab 69.990 Euro
Ist der V6-Stinger also der Himmel auf Autofahrer-Erden? Ja, gemessen an seinem Preis und in Verbindung mit dieser Leistung. Zumindest war er es eine ganze Zeit lang. Und jetzt denken wir wieder an die beiden Cowboys, die am Ende eines schnellen Tages gemeinsam in den Sonnenuntergang düsen. (7 Pässe in 7 Stunden: So sportlich ist der neue Kia EV6 GT unterwegs)
Später Nachmittag, wir stehen mit dem Stinger vor der Werkstatt von Cousin Olaf, Verbrenner-Verfechter, Saab-Schrauber. “Gib mal Gas”, fordert er. Dann lacht er. Klingt wie Räuber in Zivil, ohne Sporttröte wie Pop und nicht wie Rock. Olaf will trotzdem mal fahren. Dann grinst er: “Der funktioniert klasse, tolles Auto!”
Wie wär’s mit ’ner schnellen Runde im EV6? “Nee”, sagt er, “das Einzige, was bei mir elektrisch sein darf, ist der Toaster.” Nach zwei Minuten ist er überredet, da ist die Sonne fast schon hinter den Baumkronen verschwunden. Wir sitzen gemeinsam im EV6 GT, 585 PS, je ein Motor an der Vorder- und Hinterachse, 710 Nm Drehmoment, also Flitzebogen, Gummigeschoss, Achterbahn.
EV6 überzeugt schon nach 10 Sekunden
Olaf tritt aufs Gas, jagt den Berg hoch, Magengrummeln, Mundwinkel verziehen sich nach hinten parallel mit der Beschleunigung. “IST! DAS! GEIL!” Der Cousin fährt zum ersten Mal E-Auto und kann nach zehn Sekunden sein Glück nicht fassen. “Aber bitte sag das keinem, ich hab einen Ruf zu verlieren.” Nee, Olaf, bleibt unter uns! Grob gesagt ist der EV6 GT eine Art Porsche Taycan zum halben Preis, daran wollen wir die Koreaner hier nicht erinnern, sonst machen sie ihn teurer, Wartezeit ist ja jetzt schon ein Jahr. Der EV6 ist komplett als E-Auto gedacht, die Batterien mit 77,4 kWh sitzen im Fahrzeugboden und sorgen mit 479 Kilogramm Gewicht für einen tiefen Schwerpunkt, was der Fahrstabilität zugutekommt.
Die gleiche enge Kurve, bei der sich der Stinger mit Tempo 70 zur Seite geneigt hat, nimmt der EV6 ohne zu murren zehn Sachen schneller und denkt überhaupt nicht dran, irgendwie zu wanken. Sie haben auf der Hinterachse einen Motor eingebaut, deren Spulen sie mit Öl kühlen und der einen zweistufigen Inverter mit Siliziumkarbid-Halbleitern hat, womöglich aus der Weltraumforschung, jedenfalls fährt dieses Sportgerät, als wär’s vom anderen Stern.
Einer muss gehen
Und so stehen wir am Ende eines schnellen Tages vor zwei GT-Ideen, Olaf guckt auf den EV6 und grinst noch immer, ich streichle dem Verbrenner-Stinger liebevoll über den Lack: War schön mit dir, lass uns Freunde bleiben!