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Ein Auto, so elegant wie ein iPhone: Nur Apple hätte das gekonnt. Warum der Konzern trotzdem daran gescheitert ist

ein auto, so elegant wie ein iphone: nur apple hätte das gekonnt. warum der konzern trotzdem daran gescheitert ist

Von dem Vorhaben, ein eigenes Auto mit autonomen Fahrfähigkeiten zu bauen, ist nichts mehr übrig: Das Apple-Auto wird es nicht geben. Bing Guan / Bloomberg

Dass Apple Pläne für ein eigenes Auto schmiedet, war eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse des Silicon Valley. Testautos düsten auf öffentlichen Highways herum; auffällig viele Manager von BMW und Tesla wechselten zu Apple; Details landeten immer wieder in der Presse – etwa, dass man in dem Auto Lenkräder für Videospiele verbauen wollte.

Nach dem Computer, dem Handy, der Uhr wollte Apple nun also auch die Automobilbranche «disrupten». Das war eigentlich nicht überraschend: Aus Autos waren zunehmend Computer auf Rädern geworden. Software spielte inzwischen eine Schlüsselrolle, der Verbrennungsmotor wich zunehmend der Batterie, komplexe Fahrerassistenzsysteme wurden mehr und mehr zur Standardausstattung.

Dass die Autobranche bald mit Big Tech konkurrieren müsste, trieb den Managern von Schanghai über Detroit bis Wolfsburg Schweissperlen auf die Stirn. «Apple hatte einen solchen Nimbus, wirklich innovative, benutzerfreundliche Produkte zu entwickeln, dass man der Meinung war, wenn sie jemals ein Auto auf den Markt brächten, wäre es schwer, damit zu konkurrieren», sagte der frühere General-Motors-Manager Phil Abram gegenüber dem «Wall Street Journal».

Obwohl Apple seit 2014 an dem Auto tüftelte, hat der Konzern die Pläne nie offiziell bestätigt. Und so bestätigt er auch heute nicht, dass er diese nun einstampft. Wie die «New York Times» berichtete, wurden die Mitarbeiter am Dienstag darüber informiert, in einer nicht einmal fünfzehn Minuten dauernden Unterredung.

Der Entscheid ist überraschend, weil das Projekt nach mehreren Strategiewechseln schon recht fortgeschritten war. Zweitausend Mitarbeiter arbeiteten daran, 10 Milliarden Dollar wurden in fast zehn Jahren investiert. Doch die Rückschläge häuften sich. Erst vor wenigen Wochen kam die Meldung, dass das Auto nicht wie geplant 2026, sondern frühestens 2028 auf den Markt kommen würde. In letzter Zeit, so berichtet Bloomberg, hatten der Aufsichtsrat und die Geschäftsleitung heftig und über Monate hinweg diskutiert, in welche Richtung sich das Projekt entwickeln sollte. Nun wurde es begraben.

Was war passiert?

Ein Auto als neues Zugpferd des Konzerns

Kurz nach dem Tod von Apples Mitgründer und langjährigem CEO Steve Jobs hatte sein Nachfolger den Automarkt in den Blick genommen. Tim Cook war auf der Suche nach Wachstumsmärkten und Produkten, die eines Tages das iPhone als Zugpferd ablösen könnten. Die auf 2 Billionen Dollar geschätzte Automobilindustrie wirkte da besonders verführerisch.

Unter den internen Namen Titan und Projekt 172 setzte sich Apple ein ambitioniertes Ziel: Man wollte ein vollautonomes Auto bauen, das praktisch überall fahren könnte, ganz ohne Lenkrad und Pedale. Gesteuert würde es über den Sprachassistenten Siri. Dem damaligen Chefdesigner Jony Ive schwebte das Aussehen eines europäischen Minivans wie des Fiat Multipla 600 vor – ein niedlich anmutendes Auto mit acht Fenstern und einem geschwungenen Dach.

Doch Projekt Titan kränkelte seit dem Start an Ziellosigkeit. Die einzige Konstante schienen die Kurswechsel zu sein. Die vier leitenden Manager in acht Jahren hatten alle unterschiedliche Vorstellungen. Sollte das Apple-Auto selbstfahrend sein? Oder doch lieber ein Elektroauto, das direkt mit Tesla konkurrieren würde? Vielleicht auch gar kein Auto, sondern nur eine Software zum autonomen Fahren?

Und sollte Apple es alleine bauen? Oder eine Kooperation mit einem erfahrenen Autohersteller eingehen? Der Name McLaren fiel, auch mit BMW, Nissan und Mercedes-Benz sprach man. Oder sollte Apple besser einen bestehenden Autobauer aufkaufen – Elon Musks Tesla beispielsweise? Eine solche Partnerschaft hätte einen Ausweg aus der drohenden Verstrickung in Herstellungsprozesse und Sicherheitsansprüche geboten. So, wie heute Tesla seine Autos dank Mega-Casting mit einem Bruchteil der Einzelteile herstellt, hätte auch das Apple-Auto gebaut werden können. Doch an der Expertise fehlte es in Cupertino. Auch ist es typisch für Apple, Produkte stets nur mit dem eigenen Logo zu versehen. Das hätten nur unbekannte Autohersteller, etwa aus China, mit sich machen lassen.

Schliesslich dürfte eine Partnerschaft mit einem bestehenden Autobauer auch daran gescheitert sein, dass Apple in der Regel die Datenhoheit seiner Produkte beansprucht. Ein vernetztes Auto ist eine Datenkrake, die bei jedem gefahrenen Kilometer Unmengen an Informationen zur Umgebung und zu den Nutzern sammelt. Diesen Datenschatz wollen Autohersteller jedoch meist exklusiv für sich. Ein unlösbarer Konflikt.

Apples Auto fuhr in Randsteine – und einmal fast in einen Fussgänger

Intern, so berichtet die «New York Times», hatte das Projekt Titan bald einen anderen Spitznamen: «Titanic disaster».

Es gewann nie richtig an Fahrt – buchstäblich. Wirklich gut habe das Fahrzeug nur unter «Laborbedingungen» funktioniert, sprich sorgfältig ausgewählten Strassen in den menschenleeren Weiten Montanas, schrieb «The Information» im Sommer 2022. In Apples Heimat im Silicon Valley irrten die Testfahrzeuge – umgebaute Geländewagen der Marke Lexus – auf den Highways umher, fuhren in Randsteine und verloren sich in den Fahrspuren auf Kreuzungen. Einmal überrollte ein Testfahrzeug fast einen Jogger.

Personalwechsel und gewichtige Abgänge setzten Titan zusätzlich zu. Der Apple-Entwickler Doug Field, der eine Zeitlang beim Elektroauto-Pionier Tesla gearbeitet hatte, kehrte 2018 nach Cupertino zurück, um das Fahrzeugprojekt zu betreuen. Seine erste Handlung war 2019 die Entlassung von 190 Fahrwerkexperten, weil er sich stattdessen mit anderen Fachleuten auf ein Betriebssystem eines Autos konzentrieren wollte. 2021 stiess der Elektroauto-Experte Ulrich Kranz, ehemals bei BMW für das E-Auto i3 mitverantwortlich, zu Apple. Doch Hoffnungen auf frischen Wind im Projekt Titan konnte er nicht erfüllen. Eine andere Schlüsselfigur, der Manager Ian Goodfellow, verliess den Konzern im Frühjahr 2022. Der bekannte Experte für Machine-Learning hatte bei Apple an der Software zum autonomen Fahren getüftelt, heute arbeitet er bei Googles KI-Einheit Deepmind.

Auch hat sich in letzter Zeit gezeigt, dass der einst so sexy wirkende Markt für Elektroautos in Wahrheit wie Treibsand funktioniert: Wer sich nicht schnell genug bewegt, geht darin unter. Tesla, bis vor kurzem noch der Branchenprimus mit den höchsten Gewinnmargen, muss nun die Preise senken und hat die chinesische Konkurrenz im Nacken. Auch ist in den USA die anfängliche Begeisterung für emissionsfreie Autos verebbt, die Nachfrage nach Elektroautos sinkt. Fraglich ist zudem, wie gross der Markt für ein Luxus-E-Auto für 100 000 Dollar gewesen wäre, wie es Apple angeblich vorschwebte. Nur so hätten sich die hohen Vorinvestitionen rentiert.

Auch dürften die jüngsten Skandale um selbstfahrende Autos Apples Aufsichtsrat abgeschreckt haben. Die General-Motors-Tochter Cruise hat jüngst in San Francisco ihre Testlizenz verloren, Uber musste nach einem tödlichen Unfall in Arizona 2018 gar den ganzen Geschäftszweig abstossen. Man kann sich ausmalen, was ein vergleichbarer Unfall mit der Reputation der Marke Apple anrichten würde.

Letztlich, so fasst es die «New York Times» zusammen, seien Apples Autopläne auch daran gescheitert, dass es sich als zu schwierig erwiesen habe, Software und Algorithmen für ein selbstfahrendes Auto herzustellen. Für den sicheren Betrieb ohne menschlichen Fahrer sind mindestens drei redundante Systeme mit eigenen Sensorgruppen erforderlich, die permanent die Umgebung prüfen. Bisher waren nur wenige Firmen in der Lage, solch leistungsfähige Systeme zu bauen, darunter Baidu aus China und Mobileye aus Israel.

KI bindet Ressourcen

Apples Führungsriege kam zu dem Schluss, dass das Geld und das Personal besser im Bereich der KI eingesetzt sind. Die Schlüsseltechnologie verschafft zurzeit Newcomern wie Mistral, Galileo und Open AI Marktchancen, sie mischt aber auch die Karten unter den Tech-Konzernen neu: Dank KI hat Microsoft nun Apple als wertvollsten Konzern der Welt überholt, andere Riesen wie Meta und Alphabet preschen mit ambitionierten Ankündigungen über KI voran. Nur Apple hüllt sich in Schweigen. Man werde «später im Jahr» mehr bekanntgeben, so vertröstete Tim Cook bei der letzten Präsentation der Quartalszahlen die Investoren. Die verlieren jedoch allmählich die Geduld.

Doch KI-Forschung ist teuer – wie teuer, hat Metas CEO Mark Zuckerberg jüngst vorgerechnet: Bis Ende des Jahres will seine Firma 350 000 Hochleistungschips des Branchenprimus Nvidia besitzen, die kosten pro Stück 30 000 Dollar. Unterm Strich ergibt das den gleichen Betrag – rund 10 Milliarden Dollar –, den Apples Autopläne verschlungen haben.

So gesehen ist das Nein zu Apples Auto auch ein Ja zur KI. Ein Grossteil der Mitarbeiter wird in die sogenannte Special Projects Group überführt, die sich auch KI-Fragen widmet. So sollen die Erkenntnisse aus Projekt Titan in andere Forschungsfelder von Apple fliessen. Medien berichten von künstlich intelligenten Airpods mit Kameras und Roboterassistenten. Auch Apples jüngster Familienzuwachs, das Headset Vision Pro, dürfte vom Aus des Autos profitieren. Mehr Mitarbeiter können sich nun dem Vorhaben widmen, Nutzer mit spannenden Inhalten in virtuelle Welten zu locken.

Ironischerweise ist Apple heute, auch ohne eigenes Fahrzeug, in Autos so präsent wie nie zuvor. Laut der Marktforschungsfirma Wards Intelligence verfügten im vergangenen Jahr 90 Prozent aller Neuwagen über die Anwendung Carplay, mit der Nutzer ihr iPhone an das Infotainment des Autos anschliessen. So gesehen, fährt Apple auch ohne Projekt Titan in zahlreichen Autos mit.

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