- Ein Zug ersetzt 38 Laster und deren Fahrer
- Dresden auf der Wunschliste unter den Top-5-Adressen
- “Ein Abwehrspieler von Bayern kostet mehr”
Gute Nachricht am „Tag der Logistik“: Cargobeamer will in Dresden ein Terminal bauen, das Güterzüge in 20 Minuten be- und entladen kann. Doch es gibt eine Bedingung.
Cargobeamer hat im vergangenen Jahr mit seiner neuartigen Verladetechnik mehr als 40.000 Sattelauflieger durch Europa transportiert. © Cargobeamer
Wer die Cargobeamer AG unweit des Rangierbahnhofs Leipzig-Engelsdorf finden will, braucht Spürsinn. Außer zwei kleinen Schildern unmittelbar vor der Einfahrt zum Testareal weist nichts auf ein Unternehmen hin, das den Güterverkehr revolutionieren könnte. Ein Hidden Champion im wahrsten Wortsinn.
Mit dem patentierten Verschiebesystem lassen sich Güterzüge in nur 20 Minuten be- und entladen. © Cargobeamer
Seit gut 25 Jahren geht Firmengründer Hans-Jürgen Weidemann – heute Technikchef – mit der Idee schwanger. Der Logistik-Dienstleister, der seine Wurzeln in Bautzen hat und seit 2011 in Engelsdorf sitzt, ist seit Jahren um Praxisbelege bemüht. 2023 hat er für Amazon, Schenker, UPS & Co 40.000 Trailer durch Europa transportiert: zwischen Kaldenkirchen bei Venlo an der deutsch-holländischen Grenze und dem italienischen Domodossola bei Mailand und weiter per Schiff nach Bari. Eine zweite Strecke führt von Perpignan in Südfrankreich via Calais ins englische Ashford.
Ein Zug ersetzt 38 Laster und deren Fahrer
Trotz der mageren Hinweise fanden am Dienstag rund 50 Interessierte aus Logistik und Politik zum Testgelände – auf Einladung von Rail.S, einem der größten Bahntechnikcluster Deutschlands. Das nennt sich schließlich nicht nur „Türöffner“, sondern auch „wegweisend“ und wird mit seinem Projekt Set4Future vom Freistaat gefördert. Ziel: Effizienz und Attraktivität des Verkehrsträgers Schiene durch nachhaltige Mobilitätskonzepte, Innovationen und zukunftsweisende Geschäftsmodelle erhöhen. Gut 40 Vorhaben wurden so initiiert.
Die EU hat den Bau des Cargobeamer-Terminals in Calais mit sieben Millionen Euro gefördert. © Cargobeamer
Direkt vor Hafen und Eurotunnel werden seit 2021 täglich bis 900 Sattelauflieger be- und entladen. Das System biete nicht nur dort eine Lösung zur Senkung der Umweltbelastung durch den Schwerverkehr auf der Straße und wirke auch der Personalnot entgegen, heißt es von Cargobeamer. Ein Zug ersetze im Schnitt 38 Fahrer.
Dresden auf der Wunschliste unter den Top-5-Adressen
Nicolas Albrecht, seit 2022 Vorstandschef, spricht selbstbewusst von der „größten Innovation im Intermodalverkehr der letzten 50 Jahre“. Das Unternehmen sei „hervorragend positioniert, um ein nicht unwesentlicher Teil der Verkehrsverlagerung zu sein“. „Derzeit können keine fünf Prozent aller Sattelauflieger per Kran angehoben und auf einen Güterwaggon gesetzt werden“, sagt er. Zudem nutze kaum ein Prozent der Lkw die Schiene – vor allem mangels Slots in den Terminals. Cargobeamer nehme alle Marktteilnehmer mit und sei beim Be- und Entladen auf weniger Fläche bis zu neunmal schneller als per Kran.
Die von der EU geförderte sächsische Schieberei an der nordfranzösischen Hafenstadt ist für Cargobeamer erst der Anfang. Geplant ist ein europaweites Netzwerk binnen zehn Jahren: 18 Verladebahnhöfe, 48 Routen. Firmenchef Albrecht will „in ein, zwei Jahren“ zum ersten deutschen Terminal nach Kaldenkirchen einladen – und in absehbarer Zukunft auch in die sächsische Heimat des Unternehmens.
Cargobeamer will das revolutionäre Umschlagsystem in absehbarer Zeit auch in Dresden etablieren. © Cargobeamer
„Wir planen ein Umschlagterminal im Großraum Dresden“, sagt der Vorstandschef. Die Landeshauptstadt gehöre zu den „Top-5-Adressen“ auf seiner Wunschliste. Dort gebe es auch Bedarf. „Über die A 4 und die A 17 passieren allein etwa 20.000 Lkw die Grenze zu Polen und Tschechien“, sagt Sören Trillenberg, Chef des Ingenieurdienstleisters List GmbH, ein Landesunternehmen mit Sitz in Hainichen.
“Ein Abwehrspieler von Bayern kostet mehr”
Neben der guten Autobahnanbindung und dem Elbhafen sprechen auch die Bedarfe der dortigen Chipfabriken für Dresden. Dazu gibt es mit dem von der Deutschen Bahn vor Jahren ausrangierten Güterbahnhof Friedrichstadt eine geeignete Fläche. Dennoch stellt Albrecht eine Bedingung: die Elektrifizierung der Bahnlinie Dresden–Görlitz. Das gelte auch für mögliche Alternativ-Adressen wie Horka und Niesky in der Oberlausitz.
Und der Chef macht kein Hehl daraus, die Investition von geschätzt 40 Millionen Euro bis zu 80 Prozent gefördert zu bekommen. Schließlich sei der gesellschaftliche Nutzen durch das eingesparte CO2 enorm und Folgeansiedlungen von Logistikfirmen wahrscheinlich, argumentiert er. Und: „Ein Abwehrspieler von Bayern München, der auf der Bank sitzt, kostet mehr.“
Stephan Berger, Leiter der Abteilung Mobilität in Sachsens Wirtschaftsministerium, weiß um die Schwierigkeit. Das Land nehme einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand, um die Vorplanung der Bahnstrecke auf den Weg zu bringen, „eigentlich Aufgabe des Bundes“. Der Freistaat wolle die Investition und sei schon wegen seiner zentralen Lage „prädestiniert als Logistikstandort und Drehscheibe Europas“. Immerhin: Die Absichtserklärung wurde am Dienstag unterschrieben.