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Audi RS e-tron GT Performance: Das 680-kW-Monster im Test

Ein feines Stück Technik mit schnellem Laden, aber etwas wenig Reichweite

audi rs e-tron gt performance: das 680-kw-monster im test

Mit 680 kW Leistung, 1.027 Newtonmeter Drehmoment, ein Sprint in 2,9 Sekunden und 250 km/h Spitze hätte man beim Autoquartett in den 70er-Jahren sicher gewonnen. Aber ich bin aus dem Alter raus und interessiere mich vor allem für die Technik. Und da hat der geliftete Audi e-tron GT einiges zu bieten. Ich habe die Topversion RS im Odenwald ausführlich gefahren und viel von den Ingenieuren gelernt.

Doch beginnen wir wie immer bei den Grundlagen: Der Audi e-tron GT ist das Äquivalent zum Porsche Taycan und bekam wie dieser nun eine technische Aufwertung. Zu den Neuerungen gehören vor allem mehr Reichweite und mehr Power. So sind mit dem Wagen nun 100 km mehr möglich als bisher und die Maximalleistung steigt von 440 auf die genannten 680 kW.

Schnelle Daten  Audi RS e-tron GT Perfomance
Motoren 2 Permanentmagnet-Synchronmotoren
(252 kW vorne, 415 kW hinten)
Systemleistung / Drehmoment 550-680 kW / 1.027 Nm
0-100 km/h / Höchstgeschwindigkeit 2,5-2,9 Sekunden / 250 km/h
WLTP-Verbrauch 18,7-20,8 kWh/100 km
Batterie 97 kWh netto
WLTP-Reichweite 533-592 km
DC-Ladeleistung / DC-Ladedauer bis 320 kW / 18 Minuten (10-80%)
DC-Ladegeschwindigkeit bis 3,8 kWh/min (10-80%)
Länge / Höhe 5,00 m / 1,37 m
Preis 160.500 Euro

Batterie | Laden | Antrieb | Fahreindrücke | Exterieur & Interieur | Fazit

Der e-tron GT ist wie der Taycan eine fünf Meter lange Sportlimousine mit vier Türen. Anders als bei reinen Limousinen wie dem Tesla Model S oder dem Lucid Air hat die Karosserie etwas Coupéhaftes. Wenn ich mir die Kundschaft vorstelle, fällt mir ein Pärchen ein, das einen Wochenendtrip mit Hotelübernachtung vorhat. Vielleicht fahren die beiden durch den herbstlichen Odenwald wie ich.

Batterie

Statt einem 84-kWh-Akku wird in den Audi e-tron GT nun eine 97-kWh-Batterie eingebaut. Beim Topmodell reicht das für bis zu 592 Normkilometer. Der Energiespeicher besteht nach wie vor aus Pouch-Zellen. Prismatische Zellen, wie sie bei MEB-Fahrzeugen ersatzweise verwendet werden können, sind im J1-Baukasten nicht vorgesehen. Jeweils 12 Zellen passen in ein Modul, 33 davon stecken in dem Auto.

Von den 33 Modulen sind 19 im vorderen Bereich quer eingebaut, dann folgt ein Modul längs (zwischen den Fußgaragen) und hinten nochmal 13 Stück, davon drei in einer oberen Ebene

Einen Audi-Ingenieur konfrontierte ich mit der Tatsache, dass das Tesla Model S Plaid und vor allem der Lucid Air mehr Reichweite haben. Er meinte, wenn man die Fußgaragen wegließe, würden vier Module mehr hineinpassen. Mit 37 Modulen kommt man auf 109 kWh und die Reichweite könnte auf 660 km steigen, also etwa das Niveau des Model S Plaid. Aber der Lucid Air schafft mit seinem etwa 116 kWh großen Akku 839 Kilometer. Übrigens: Beim Lucid gibt es ebenfalls Fußgaragen, allerdings nicht in der Version mit der maximalen Reichweite, sondern nur im Pure, der damit immerhin 747 km schafft.

Aber wir wollen die verbesserte Reichweite des Audi nicht kleinreden. Sie wird durch die verbesserte Batteriechemie möglich. Die NMC-Chemie wurde optimiert, doch Genaueres wollte man mir nicht verraten. Auch der Zelllieferant ist offenbar geheim.

Schnellladen und Thermomanagement

Die neue Zellchemie ermöglicht auch das verbesserte Schnellladen. Statt mit 270 kW kann nun mit 320 kW geladen werden. Dazu werden Ladeströme bis zu 400 Ampere zugelassen. Klar: 400 Ampere mal 800 Volt ergeben 320 kW.

Die von Audi gezeigte Ladekurve bleibt bis etwa 60% SoC hoch, sinkt danach auf immer noch respektable 200 kW ab

Die Wartezeit an der Säule verkürzte sich auf 18 min für einen Ladehub von 10 auf 80 Prozent. Das entspricht bei 97 kWh Nettokapazität einer Ladegeschwindigkeit von rund 3,8 kWh/min. Bisher wurden 22,5 Minuten für 5-80 Prozent angegeben; da die alte Batterie nur 84 kWh netto hatte, entspricht das 2,8 kWh/min. Die neue Version lädt also um fast ein Drittel schneller.

Bei einem Demo-Ladeversuch bei kühlem Wetter und ohne Batterie-Vorkonditionierung wurden immerhin 294 kW erreicht; das obige Bild zeigt das Display der Ladesäule.

Generell sollen nun auch bei niedrigen Temperaturen hohe Ladeleistungen erreicht werden. Das liegt am optimierten Thermomanagement für die Batterie. Die Ingenieure erwähnen eine verbesserte Kühlplatte und optimierte Pumpen. Da ich weiß, dass der e-tron GT gleich vier Kühl- und Heizkreisläufe hat, womit unzählige verschiedene Modi möglich werden, verzichte ich darauf, mir das näher erklären zu lassen …

Batteriekühlung beim Audi e-tron GT (Plattform J1)

PPE-Batterie mit längs angeordneten Kühlkanälen

Aber die Führung der Kühlkanäle interessiert mich: Nach den von Audi veröffentlichten Schemazeichnungen sah es für mich so aus, als wäre sie bei den PPE-Modellen (Q6 e-tron und A6 e-tron) günstiger: Bei der J1-Batterie werden die Module, die in Fahrtrichtung links von der Mitte liegen, kälter sein, die rechts wärmer – fürs Laden nicht optimal. Bei der PPE-Batterie dagegen werden die Module gleichmäßig gewärmt/gekühlt. Dass die einzelnen Zellen der Zeichnung nach links gewärmt und rechts gekühlt werden dürfte wohl nicht viel schaden.

Wir fragten auch nach dem Schnellladen an der 400-Volt-Säule. Hier setzt Audi bei den PPE-Modellen auf das so genannte Bankladen, während die J1-Modelle einen Aufwärtswandler (Boost Converter) nutzen. Bei der Veranstaltung zum Q6 e-tron hieß es, das Bankladen würde zu weniger Ladeverlusten führen. Die Ingenieure, die für den e-tron GT zuständig waren, sagten mir, die Verluste durch den Boost Converter würden keine große Rolle spielen …

Zum Thema Laden sei noch erwähnt, dass der e-tron GT nach wie vor links und rechts Anschlüsse hat: In der heimischen Garage mit Wallbox links kann man also als Fahrer(in) links genug Platz zum Aussteigen lassen und auf der gleichen Seite bequem den Stecker in den Typ-2-Slot einführen. Für öffentliche Ladestationen am rechten Straßenrand kann man stattdessen den rechten Ladeanschluss nutzen, der auch fürs Schnellladen taugt.

Der e-tron GT zeigt auch die derzeit zu erwartende Ladeleistung an (hier rund 210 kW, links im Bild)

Antrieb

Was den Antrieb angeht, so erhält das Modell einen neuen Heckmotor mit 415 kW, der aus dem PPE-Baukasten stammt und für den Einsatz im e-tron GT nur angepasst wurde. Der vordere Motor steuert 252 kW bei. Insgesamt kommt man so auf 667 kW; die 680 kW Maximalleistung des RS e-tron GT werden nur kurzfristig erreicht.

Mit der Leistung ist es beim Taycan und e-tron GT generell schwierig. Es gibt nämlich vier verschiedene Leistungswerte für jede Variante. Beim Topmodell sind das:

  • Die 30-min-Leistung: Laut Kfz-Schein gerade mal 142 kW
  • Nennleistung (für 2 Minuten): 550 kW
  • Boost-Leistung (für 10 Sekunden, per Knopf links am Lenkrad): 670 kW
  • Maximalleistung (bei aktivierter Launch Control): 680 kW

Auch bei den Sprintwerten muss man aufpassen: Im Datenblatt nennt Audi nur einen Wert, nämlich 2,9 Sekunden. Doch auf Nachfrage erfahre ich, dass es mit Launch Control nur 2,5 Sekunden sind. Damit ist der Wagen sprintstärker als der Porsche Taycan Turbo, der 2,7 Sekunden braucht.

Der e-tron GT ist in allen drei Versionen ein Allradler. Vorne wie hinten werden effiziente Siliciumcarbid-Inverter eingesetzt. Hinten verkraften sie Ladeströme von 600 Ampere, vorne ist das nur bei der Topversion der Fall.

Audi e-tron GT mit Motoren und Batterie (sowie vier Kühl- und Heizkreisläufen)

Wie gehabt, besitzt der e-tron GT hinten ein Zweiganggetriebe, offenbar zur Erhöhung der Effizienz. Anders als Verbrenner brauchen Elektromotoren allerdings nicht bei hohen Touren mehr Energie, sondern bei niedrigen Drehzahlen.

Neu für mich war, dass der sportliche Audi-Stromer zudem eine elektrisch gesteuerte Lamellenkupplung an der Hinterachse hat. Damit wird ein Torque Vectoring möglich: In der Kurve kann das kurveninnere Rad gebremst werden, was das Eindrehen erleichtert. Warum Audi nicht wie beim SQ8 e-tron zwei Motoren an der Hinterachse einsetzt? Nun, man müsse immer das Gesamtpaket sehen, so die Ingenieure. Beim e-tron GT gibt es dafür eine Hinterradlenkung.

Was die Rekuperation angeht, so hat Audi die Energierückgewinnung sowohl beim Bremsen als auch beim Gaspedal-Loslassen erhöht. Bei der Brems-Rekuperation sind nun bis zu 400 kW möglich. Mein Testauto war auf automatische Rekuperation eingestellt. Dabei wählt der Wagen die Stärke der Schubrekuperation automatisch: Sie wird erhöht, wenn der Vordermann bremst, ein Tempolimit oder ein Stopp-Schild folgt usw. Über die Wippen am Lenkrad kann man die Rekuperationsstärke beeinflussen, aber nur vorübergehend.

Im manuellen Reku-Modus gibt es fünf Stufen

Um zu prüfen, wie stark die Schubrekuperation nun wirklich ist, musste ich auf manuelle Rekuperation umstellen. Den Menüpunkt im Touchscreen-Bediensystem fanden selbst die Audi-Fachleute erst nach einigem Suchen. Doch im manuellen Modus kann man die Rekuperation fünfstufig über die Paddles einstellen, und die Einstellung bleibt erhalten.

Anders als von Audi behauptet, ist jedoch One-Pedal-Driving nicht ansatzweise möglich. Weder kommt der Wagen allein durch Freigeben des Gaspedals zum völligen Stopp – es gibt einen 5-km/h-Kriechgang–, noch reicht die Verzögerung, um im fließenden Verkehr mit einem Pedal auszukommen.

Fahreindrücke

Da ich mich schon im Vorfeld auf den RS e-tron GT Performance eingeschossen hatte, wählte ich die Topversion für meine erste Testfahrt. Beim Losfahren in einer Art Garage stellte ich fest, dass der Bolide schon beim Anrollen Geräusche macht, was gar nicht mal schlecht klang. Beim Fahren jedoch empfand ich den Sound (besonders im Dynamic-Modus) als wenig ansprechend: Er klingt irgendwie nach Glasharfe. Nach meiner Fahrt mit dem Hyundai Ioniq 5 N mit seinem fantastischen Sound bin ich für sowas wohl verdorben.

Die von Audi vorgegebene Strecke von Dreieich südlich von Frankfurt nach Heilbronn führte durch den idyllischen Odenwald mit vielen kleinen Sträßchen, auf denen man es teilweise auch mal krachen lassen konnte. Dann performte der Audi prächtig, wobei mir die Lenkung und die Wankresistenz besonders positiv auffielen. Dazwischen geriet ich dann wieder in dichten Verkehr hinein, was ich zur Erholung nutzte. Dann genoss ich den perfekt funktionierenden Abstandstempomaten mit seinen prädiktiven Fähigkeiten.

Auch ein paar Autobahn-Etappen fuhr ich und kam dabei auf bis zu 240 km/h. Dazu musste ich weder lange warten, noch bekam ich schweißnasse Hände. Der 2,4 Tonnen schwere Fünf-Meter-Wagen liegt einfach perfekt auf der Fahrbahn und bereitet auch bei Unebenheiten in der Kurve keine Probleme.

Der RS e-tron GT Performance eingefedert …

… und ausgefedert

Dabei hilft die serienmäßige Luftfederung, deren Fähigkeiten mir schon beim Fotografieren aufgefallen waren: Sobald man die Tür öffnet, fährt der e-tron GT hoch, damit man besser aus- oder einsteigen kann. Schließt man die Tür wieder, geht es wieder abwärts. Die Leistung des Systems zeigte uns Audi auch mit einem Prototypen, der wie ein Low-Rider-Modell tanzte. Natürlich verbraucht sowas auch Energie, was aber nur beim Pylonenwedeln oder beim ständigen Aus- und Einsteigen relevant wird, so die Ingenieure.

Apropos: Auf meiner Testfahrt verbrauchte ich rund 27 kWh, also deutlich mehr als die 19-21 kWh nach WLTP-Norm. Um den Verbrauch habe ich mich allerdings beim Fahren nicht geschert, sonst hätte ich die 240 km/h auf der Autobahn schön bleiben lassen …

Exterieur und Interieur

Mein RS e-tron GT Performance hatte eine olivgrüne Lackierung, die mich an das VW ID.3 Facelift erinnert. Ehrlich gesagt, mir wäre fast jede Farbe lieber gewesen als dieses Bedfordgrün Metallic, das mich ans Militär erinnert, zumal bei meinem Testwagen auch noch Carbonelemente in Tarnoptik hinzukamen: L-förmige Teile am Frontspoiler, die Außenspiegel-Kappen und die Zierleisten an den Schwellern. Zusammen bilden diese das Optikpaket Carbon Camouflage matt.

Für mich sieht das Auto damit auch im sauberen Zustand immer so aus, als wäre man über unbefestigte Wege gefahren. Aber hey, man kann das Topmodell auch in einem schicken Dunkelblau haben oder in eigentlich jeder Farbe: Die “Individuallackierungen” von Audi Exclusive machen es möglich.

Geflecktes Carbon am Frontspoiler …

… und am Außenspiegel

Auch beim Interieurdesign hat man bei Audi jedwede Auswahl. Bei meinem Testwagen setzt sich allerdings auch hier die Fleckoptik fort, an den Einstiegsleisten und am Armaturenbrett. Außerdem gibt es ein recht großzügiges Instrumentendisplay und ein Head-up-Display.

Dass der Touchscreen nicht allzu groß ausfällt, habe ich beim Fahren schnell vergessen, denn ein sportliches Auto braucht kein Infotainment: Für die Information reicht die Navigationskarte, die man sich auch im Instrumentendisplay anzeigen lassen kann, und fürs Entertainment sorgt das Fahren.

Für enge Innenstädte ist der e-tron GT allerdings nicht gebaut. Das merke ich schon, als ich beim Losfahren den Fünf-Meter-Wagen in einen engen Aufzug zirkeln soll: Die Ultraschall-Warner piepen wie verrückt, aber dank Intuition schaffe ich es trotzdem irgendwie. Auch die Rundumsicht ist wegen der coupéartigen Karosserieform nicht optimal.

Doch im Fond sitzt man überraschend gut: Knie- und Kopffreiheit sind gut, zumindest bei mir als 1,76 Meter großem Testpassagier. Technik-Freaks werden vielleicht auch das elektrochrome Glasdach für 3.100 Euro bestellen, das sich per Knopfdruck zwischen ganz transparent und durchgehend trüb (opak) verstellen lässt. Eine Alternative ist das leichte Carbondach für 3.750 Euro.

Der e-tron GT ist so etwas wie ein Crossover zwischen Coupé und Limousine – die Rundumsicht ist nicht optimal

Auch ein Familienauto ist der e-tron GT nicht. Der Kofferraum bietet nur eine kleine Öffnung und fasst nicht mehr als 350 Liter. Dazu kommt noch ein 85 Liter großer Frunk. Für den Wochenendkauf reicht das, aber ein Urlaub mit vierköpfiger Familie? Kontraindiziert. Genauso wie Trekkingrad-Einladen. Für das Radl verweist Audi lieber auf den optionalen Dachträger.

Kofferraumtechnisch ist der e-tron GT eine Stufenhecklimousine, wenn auch eine sportliche

Fazit

Der Audi RS e-tron GT Performance ist ein feines Stück Technik. Da steckt mehr drin, als man bei einem 24-Stunden-Termin mental aufnehmen kann – vom ausgefeilten Thermomanagement über die Luftfederung und Hinterachslenkung bis hin zu den fantastischen Fahrassistenten. In dieser Hinsicht ist der Audi dem Tesla Model S oder Lucid Air überlegen.

Bei den Fahrleistungen können die Konkurrenten mithalten. Doch sie sind weniger sportlich, was schon optisch erkennbar ist, aber auch an Bremsen und Fahrwerk. Auf Langstrecken ist die Adaptive Air Suspension ein guter Partner. Hier zählen aber vor allem Reichweite und Schnellladen. Beim Aktionsradius liegt der Lucid uneinholbar vorn, beim Laden aber der Audi. Im SoC-Bereich vom 10 bis 80 Prozent lädt er bis zu 3,8 Kilowattstunden pro Minute, da kommt wohl nur der Rimac Nevera mit. Hyundai schafft maximal 3,1 kWh/min, der Audi Q6 e-tron 3,2 kWh/min.

Der Audi fährt sich fantastisch, auf kurvigen Landstraßen, genauso wie mit Tempo 240 auf der Autobahn. Aber die beeindruckenden 680 kW setzten sich bei mir nicht in entsprechenden Fahrspaß um. In der Hinsicht ist für mich nach wie vor der Hyundai Ioniq 5 N die Messlatte.

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