Das Motorsportjahr 1992 sollte für Audi nicht zur Gaudi werden: Nachdem BMW einen mutmaßlichen Regelverstoß bei den Motoren der Ingolstädter angezeigt hatte, zog sich die Marke vorzeitig aus der DTM zurück.
Pulverfass DTM: Schon 1991 hatte es gegärt im DTM-Feld, nicht erst bei der Schluss-Abrechnung, als Frank Biela und Hans-Joachim Stuck mit ihren Audi V8 den ersten und dritten Platz im Championat erreicht hatten.
Der Grund: Die im Vergleich zu den BMW M3 und Mercedes 190 E riesigen Limousinen mit Allradantrieb waren teilweise derart stramm nach vorne marschiert, dass im Fahrerlager langsam der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten die Runde machte.
Anfang Mai, beim dritten DTM-Rennen auf dem schnellen Flugplatz-Kurs von Wunstorf, war’s dann soweit. BMW-Rennleiter Marc Surer, der gerade diesen Job von Karsten Engel übernommen hatte, legte Protest gegen die Audi-Motoren ein, begründet durch einen speziellen Verdacht auf eine möglicherweise nicht reglementkonforme Kurbelwelle.
Surer meinte: «Wenn wir eine solche Modifikation durchgehen lassen, bekommen wir irgendwann nur noch reinrassige Rennmotoren – das entspricht aber keinesfalls dem Geist der Serie.»
Es ging um das so genannte Twisten, also ein Verdrehen der Kurbelwelle. In der Serie, so hatte Audi betont, würde die Welle einmal getwistet, für den Einsatz im Rennauto aber zweimal. Das sei so völlig in Ordnung, meinte der damalige Audi-Sportchef Dieter Basche. Doch nicht nur die BMW-Leute waren diesbezüglich anderer Meinung.
Also wurde in Wunstorf nach dem Training Frank Bielas Audi beschlagnahmt, der Motor des Autos verplombt und der Renn-Tourenwagen in einer abgeschlossenen Halle verwahrt.
Beim Rennen ging Biela trotzdem mit dem neueren Motor an den Start, musste aber wegen eines Reifen-Defekts im ersten Lauf ausscheiden, wurde in Lauf 2 noch Sechster.
Das Renn-Wochenende im kühlen Norddeutschland geriet zu einem Mercedes-Triumph, aber auch sonst hatte BMW-Motorsportchef Karl-Heinz Kalbfell wenig Grund zur Freude: Er war mit seinem Sohn Max unterwegs und wollte ihm an einem Souvenir-Stand eine standesgemäße BMW-Mütze kaufen – der Sprößling aber bestand lautstark auf einer Kopfbedeckung mit dem Ferrari-Pferd!
Also war dicke Luft bei der Pressekonferenz vor dem Norisring-Rennen, das Audi gerne als Heimrennen beansprucht.
Konzernsprecher Lutz Schilling und Pressemann Dieter Scharnagl äußerten sich verärgert und schmallippig zugleich über die Entscheidung ihrer Firmenleitung: «Wir sind ausgegrenzt worden, wir müssen jetzt zwangsläufig aufhören, denn andere Motoren haben wir nicht.»
Zwar hatte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug das Gerichtsurteil für in Ordnung befunden, Marc Surer den Ausstieg gar als unsportliche Geste gedeutet. Selbst der Versuch, Audi weiter mit den verdächtigen Motoren fahren zu lassen, dann unter der Bedingung von Zusatzgewichten, misslang.
Denn Audi befürchtete für den Fall möglicher Siege, dass diese dann ausschließlich auf die Verwendung illegaler Motoren zurückzuführen seien. Auf solche Aussagen wollte das Unternehmen verzichten, nicht aber auf eine Schadensersatzforderung an die ITR, die Tourenwagen-Vereinigung der DTM.
Doch auch diese verlief im Sand, und so mussten die Audi-Fans nicht nur am Norisring, sondern auch bei den noch verbleibenden fünf Rennen auf ihre Autos verzichten, Mercedes wurde mit Klaus Ludwig Meister.
Bis zum Saisonende blieben die Meinungen zum Audi-Urteil und zum Ausstieg zwiegespalten, aber nur so lange, bis im Spätherbst die nächste Schock-Nachricht die Szene erschütterte: Auch BMW verlässt die DTM!
Das allerdings ist wieder eine ganz andere Geschichte.