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Test 718 Spyder RS: Der letzte alte Porsche

Der Porsche 718 Spyder RS auf einen Blick*

  • Puristischer Roadster mit Fokus auf die Landstraße
  • Kompromissloses Leichtbau-Verdeck
  • 500 PS Saugmotor aus dem GT3
  • Emotionale Soundkulisse
  • Startpreis ab 155.575 Euro

*(Porsche 718 GT4 RS und Spyder RS, Kraftstoffverbrauch (WLTP) kombiniert: 13,2-13,0 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 299-294 g/km; CO2-Klasse: G)²

test 718 spyder rs: der letzte alte porsche

Die fast perfekte Straße für das fast perfekte Auto

Sie ist sowas wie der krasse Gegenentwurf zum Porsche 911. Belächelt von den einen, hoch geachtet von den anderen, geht die kompakte Mittelmotor-Baureihe 718 nun ihrem Ende entgegen. Die normalen Modellvarianten von Cayman und Boxster sind bereits nicht mehr bestellbar und bis die ebenso leichtbauenden wie fahraktiv abgestimmten Sport-und-Genuss-Derivate verschwinden, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit. Während der GT4 RS mit dem Messer zwischen den Zähnen auf die Jagt nach der letzten Zehntelsekunde auf der Rundstrecke geht, ist der hier gefahrene Porsche 718 Spyder RS (1.410 DIN-Kilogramm) eher was für Genießer der alten Schule.

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Der Spyder RS setzt zwar grundlegend auf den gleichen 500 PS und 450 Nm starken 4,0-Liter-GT-Sechszylinder-Saugmotor (0-100 km/h in 3,4 s) wie der geschlossene GT4 RS, ist fahrwerksseitig aber etwas sanftmütiger, gar alltagstauglicher abgestimmt. Beides in Kombination qualifiziert ihn unter Umständen als zweisitzigen Gran Tourer, als Bergfex für die ausgedehnte Suche nach der perfekten Alpenstraße. Es mag fahrerisch durchaus anspruchsvollere Überquerungsmöglichkeiten von Nord nach Süd geben, aber zwischen Landeck, Scuol, Sankt Moritz und Como verläuft eine, wie ich finde, fast perfekte Straße für ein fast perfektes Auto. Während der deutsche Urlauber sein Wohnmobil gerne über den Reschenpass quält, geht es einige Kilometer nach Pfunds rechts ab ins Engadin, zu den Ursprüngen des Inns.

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Ein Getriebe mit telepathischen Fähigkeiten

Die Straßen sind selbst während der Ferienzeit beinahe leer, die Sonne strahlt und der Sechszylinder-Boxermotor singt sein altbekanntes Lied. Bei den Eidgenossen neue Geschwindigkeitsrekorde anzupeilen ist zwar nicht zu empfehlen, hin und wieder erlaubt es die Streckenführung allerdings schon, das Aggregat für einen Moment aus dem Drehzahlkeller zu holen. Die besondere Bauweise des 718 Spyder RS trägt ebenfalls dazu bei, dass Fahrer und Beifahrer immerzu davon Kenntnis nehmen, dass hinter ihnen etwas benzinbetriebenes arbeitet. So sitzen die beiden Prozesslufteinlässe direkt auf Gehörgangniveau der Insassen; es knistert, rasselt, faucht und kreischt, als würde man stets von einer Bestie verfolgt werden. Wildgeworden wird diese jedoch erst, wenn man ihr oberhalb der 6.000 Touren noch einmal ordentlich die Sporen gibt.

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Nun bin ich in den letzten Jahren so ziemlich alle neuen GT-Fahrzeuge von Porsche gefahren, es erstaunt mich allerdings immer wieder, wie ein Saugmotor über das gesamte Drehzahlband derart unmittelbar ansprechen kann. Bereits kleinste Bewegungen im Gaspedal werden über die sechs einzeln angesteuerten Drosselklappen in Vortrieb (oder zumindest in Klang) umgesetzt. In rasanten Momenten verfügt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) zudem über beinahe telepathische Fähigkeiten und schaltet meist genau dann, wenn ich selbst gerade versuche zu den Lenkradpaddels zu greifen. Okay, der ein oder andere Sportfahrer könnte die lange Übersetzung bemängeln, aber insgesamt gehört das Getriebe schon zu den besten, die derzeit erhältlich sind.

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Puristischer als der 718 Spyder wäre nur der 981 Bergspyder gewesen

Wie schon beim ersten Fahrtermin von Porsche GT-Chef Andreas Preuninger empfohlen, bleibt das filigrane Bimini-Top des Spyder RS bei meiner Tour überwiegend im Verdeckkasten verstaut. Die Handhabung mag zunächst kompliziert erscheinen, doch nach zwei bis drei Mal auf- und abbauen hat man den Bogen raus. Mehr ungefiltertes Frischluftvergnügen wäre bei Porsche nur mit dem ab 2015 konstruierten 981 Bergspyder möglich gewesen. Die erst 2019 vorgestellte Konzeptstudie scheiterte aber mutmaßlich an den Zulassungsbestimmungen in einigen Märkten. Meine Wenigkeit scheitert dagegen immer wieder daran, die Carbon-Vollschalensitze als wirklich langstreckentauglich zu empfinden.

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Nach sieben Stunden hinter dem Volant verlangt zumindest mein Körperbau eindrücklich nach Entlastung. Weil der 718 Spyder RS primär für die normale Straßennutzung erdacht ist, dürfte es aber auch keine Schande sein bei der Bestellung auf die regulären Sportsitze zu gehen. Optisch ist es natürlich keine Frage, was besser zu diesem Fahrzeug passt. Perfekt ergänzt wird das Kohlefaser-Gestühl optional durch das knapp 14.000 Euro teure Weissach-Paket (inkl. der nötigen Innenmaterial-Anpassung), das mit reichlich Sichtcarbon auch die Außenoptik sinnvoll ergänzt. Normalerweise stehe ich diesen Paketen kritisch gegenüber – wählt man es allerdings nicht, sind viele Anbauteile in billigem Kunststoff ausgeführt. Unpassend für eine solch hochwertige Fahrmaschine.

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Fotofinish am Malojapass

Dass dieser Porsche genau das ist, zeigt sich spätestens auf dem obersten Abschnitt des 44 Kilometer langen Malojapasses. Besonders in den frühen Morgenstunden, wenn man die letzten 13 Spitzkehren ganz für sich hat, lassen sich alle technischen Feinheiten des nur 4,42 Meter langen Spyder RS auf einmal erleben: die feinfühlige Lenkung, das adaptive Fahrwerk, das nicht bis auf den letzten Millimeter tiefergelegt wurde und natürlich der bis 9.000 Touren drehende Sechszylinder-GT-Motor, der mit dem PDK stets in perfekter Harmonie zusammenarbeitet. In solchen Momenten schreit der Sechszylinder auf, als gäbe es kein Morgen – insbesondere vor den Haarnadelkurven, wo man oft bis in die erste Fahrstufe zurückschaltet. Hier zeigt sich der letzte alte Porsche in seinem Element.

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Fazit

Während viele Verbrenner-Sportwagen derzeit in die Verlängerung gehen, ist das Ende der benzinbetriebenen Mittelmotor-Saga bei Porsche absehbar. Das letzte Kapitel wird unter anderem durch den sehnigen 718 Spyder RS abgeschlossen, der nicht nur anhand des 4,0-Liter-GT-Saugmotor, sondern auch durch seine, im Vergleich zum GT4 RS, weniger radikale Gesamtabstimmung zu überzeugen weiß. Dass allerdings muss man sich ab 155.575 Euro leisten können und wollen. Noch alltagstauglicher, nicht weniger faszinierend, aber erheblich günstiger ist dagegen meine Empfehlung: Der Porsche 718 Boxster GTS 4.0 – der auch zuvor als 2,5-Liter-Turbo ein ziemlich feiner Sportwagen war und weiterhin ist. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

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