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Piaggio MP3 530hpe – Sag niemals "Dreiradler" zu ihm!

“Dreiradler” unter sich. Der Linke hat etwas mehr Wumms, ist aber nichts für Kinder.

Ist es ein Moped? Ist es ein Auto? Nein, es ist der Piaggio MP3 530hpe. “Heute” wuselte mit dem dreirädrigen Großroller durch Wien.

Mit knackigen 44 Jahren fühle ich mich eigentlich doch etwas zu alt für einen Dreiradler. Irgendwann muss man schließlich erwachsen werden, sich von technischen Hilfsmitteln wie Stützrädern und anderem Schnickschnack lösen und auf eigenen zwei Rädern durch die Lande gurken. Zumal sogar meine Tochter ihren Tretroller mit zwei Vorderrädern lieber heute als morgen gegen einen schlanken Scooter tauschen möchte. So einen, wie ihr cooler Cousin hat. Weil, wenn man in der früh beim Kindergarten vorfährt, will man das natürlich entsprechend mit Style machen. Sonst kann man ja gleich fad zu Fuß anreisen.

Apropos zu Fuß anreisen: Aufgrund günstiger Wohnnähe zu Faber – dem Spezialisten für die Marken Vespa, Piaggio, Moto Guzzi, Derbi und Gilera – in Wien-Liesing stiefelte ich kürzlich zur Übergabe des Testobjekts, einer Piaggio MP3 530hpe. Eine der ersten Infos bei der Übergabe den Gefährts: “Bitte den MP3 nicht Dreiradler nennen!” Das nahm ich mir natürlich zu Herzen. Also vor Ort, wenn mich wer fragt nenne ich den Großroller trotzdem so. Unabhängiger Journalismus und so, da darf man sich nix dreinreden lassen.

Viel geredet hat auch der nette junge Mann bei Schlüsselübergabe – übrigens startet der Dreiradler (ha!) keyless – und Kurzeinschulung. Wie in der Schule hab’ ich nicht richtig aufgepasst. Schließlich fahre sich seit ich 16 bin legal (davor halt illegal) mit Mopeds und später dann mit Motorrädern. Was muss man da schon viel erklären? Draufsetzen, anstarten und loscruisen. So schwer ist das doch nicht.

Das stimmt beim MP3 schon irgendwie auch. Aber wer alle Features des 280 Kilo schweren Gefährts nutzen will, sollte bei der Einschulung schon die Ohren Spitzen. Denn der Großroller hat sehr viel an Zusatzdingern verbaut, die man sonst nur aus dem Auto kennt. Beziehungsweise sogar mehr, denn eine Rückfahrkamera hat nicht einmal mein Auto. Der MP3 aber sehr wohl – sogar in Farbe und bunt. Als erster Roller der Welt, verfügt die “einzigartige, extravagante Limousine im Zweiradbereich” (hier hat sich wer beim Pressetext wirklich Mühe gegeben, das muss man honorieren) über ein ARAS – Advanced Rider Assistance System. Die innovative Fahrerassistenzplattform (ARAS) basiert auf der 4D-Imaging-Radar-Technologie, die einen Totenwinkel- und Spurwechselassistent ermöglicht und dabei auch die Geschwindigkeit sowie Schräglage in die Berechnung miteinbezieht.

Dazu hat der MP3 530hpe einen Retourgang, Tempomat, ABS und ASR (hat mein Auto auch), drei unterschiedliche Fahrmodi (Eco, Comfort, Sport), ein Handschuhfach mit USB-Buchse, einen 7 Zoll großen TFT-Display mit dem Piaggio Konnektivitätssystem samt Navi, Musik, Telefonie und Nachrichten sowie Bluetooth, eine USB-Buchse im Handschuhfach zum Aufladen des Smartphones, und und und. Hab ich halt das Handbuch durchgeackert, war eh nix Gscheites im Patschenkino…

Wie vorher erwähnt, ist der MP3 530hpe (hpe steht für High Performance Engine) kein Zoarterl. Stattliche 280 Kilo ohne Fahrer, breiter Popsch und eben vorne zwei Räder, wo einem anderen Großroller eines reicht. Beim Fahren selber spielen die Kilo aber kaum eine Rolle. Stattlichen 530 ccm und 44 Pferdchen sei Dank. Schon im Comfort-Modus – ich geb’s zu, den Eco-Modus hab ich gespritzt – nimmt die Dreirad-Limousine das Gas ganz gut an und zischt flott los. Stellt man auf Sport, dann wird’s – und das überrascht jetzt wohl niemanden – sportlicher. Das ebenfalls wenig zarte Handbuch warnt vor Gripverlust und einem möglichen kurzen Durchdrehen des Hinterbocks. Das kann ich so bestätigen.

Hat man sich erst einmal an das zweite Vorderrad gewöhnt (bei mir ging das recht flott), dann fährt sich die MP3 nicht viel anders als jedes andere Zweirad mit rund 500 ccm. Mit dem Unterschied, dass sie dank der drei Räder und etwas höheren Gewichts satter auf der Straße liegt. Auch flottere Kurven sind kein Problem und machen auch Spaß. Auch hier hilft, den Kopf ein Stück auszuschalten und den Gedanken, man könnte kippen, beiseite zu schieben. Denn die MP3 hat zwar viele Features, die man nur aus dem Auto kennt, ist aber keines. Und so legt sie sich auf Kommando freudig in die Kurve und ermöglicht durchaus abenteuerliche Schräglagen, die man ihr so gar nicht zugetraut hätte.

Überraschend wendig wuselt die MP3 durch den Stadtverkehr und auch auf der Autobahn wird man dank des robusten Auftretens des Dreiradlers nicht nur wahr-, sondern auch ernst genommen. Und dafür ist das Gefährt wohl auch gedacht: Zuerst eine kurze Autobahn-Etappe, dann ein paar Kilometer über Land und dann ab ins Großstadtgewirr. Dort fällt nicht nur die Parkplatzsuche um einiges einfacher als mit dem Auto, man spart sich auch den mittlerweile in ganz Wien nötigen Parkschein. Apropos Einparken: Der Rückwärtsgang leistet hier gute Dienste – 280 Kilo und etwas mehr Rollwiderstand machen sich durchaus bemerkbar.

Dank einem Tankinhalt von 13,7 Liter gehen sich mehrere Fahrten ins Büro aus, bevor der Zwischenstopp bei der Tankstelle ansteht. Laut Werksangabe braucht der Einzylinder 4 Liter auf 100 Kilometer, die Reichweite beträgt stattliche 342 Kilometer. Der Riemenantrieb schiebt das Gefährt mit 50 Newtonmeter bis maximal 145 km/h an. Die maximale Zuladung liegt bei 180 Kilo. Neupreis des flotten Flitzers mit Zusatzrad: 13.599 Euro.

Ganz daneben können die Entwickler von Piaggio mit ihrer MP3 jedenfalls nicht. Seit Markteinführung 2006 verkaufte sich der Großroller mehr als 230.000 Mal. Und auch ein Bekannter, der früher mit fetten BMW-Hobeln um die Häuser zog, schwört – seit er die 60 überschritten hat – auf seine MP3. Vielleicht bin ich also gar nicht zu alt für einen Dreiradler…

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