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Mercedes-Chef : „Der Wechsel zum Elektroauto kommt schneller als erwartet“

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Der Schwede Ola Kallänius ist seit 2019 Chef bei Mercedes.

Herr Källenius, wir wollen über Nachhaltigkeit sprechen. Mercedes konzentriert sich unter Ihrer Führung zunehmend auf Luxusautos. Wie nachhaltig ist es, dass Sie immer mehr große schwere Autos anbieten und immer weniger kleinere?

Mercedes-Benz stand immer schon für das Besondere. Zugleich gilt: Moderner Luxus muss nachhaltig sein. Beides passt gut zusammen. Das Langlebige, das qualitativ Hochwertige, das technisch Innovative ist zukunftsfähig. Was wir für unsere Oberklassemodelle an Technik für ökologische Nachhaltigkeit neu entwickeln, wird irgendwann später auch bei anderen Autos zum Einsatz kommen. Und vergessen Sie nicht: Unsere Autos halten länger. Das ist auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Wie nachhaltig ist es, riesige 2,5 Tonnen schwere Autos anzubieten, in denen ein einzelner Passagier und vielleicht noch sein Fahrer sitzen?

Es wird immer Produkte für das gesamte Spektrum geben. So wie es Einfamilienhäuser gibt und Reihenhäuser und Etagenwohnungen.

Und Sie sind für das Einfamilienhaus zuständig?

Wir werden weiter Autos im Einstiegssegment anbieten. Unser Angebot in diesem Bereich wird zwar kleiner, beim Absatz ist jedoch keine Reduktion geplant. Wachsen wollen wir vor allem am oberen Ende in den Segmenten, in denen wir vertreten sind und die mehr Rentabilität versprechen. Das gibt uns die notwendige Finanzkraft, um technische Innovationen auf die Straße zu bringen. Und die brauchen wir für den Klimaschutz im Verkehr.

Die Politik will den Verbrennungsmotor auf Nachhaltigkeit trimmen: Sie dürfen in der EU auch nach 2035 noch Verbrennerautos verkaufen, wenn diese mit grünen E-Fuels fahren. Eine gute Nachricht für Mercedes?

Ich finde Technologieoffenheit gut. Aber Mercedes hat eine Strategie, die klar auf den Elektroantrieb setzt. Diese werden wir wegen der Beschlüsse zu den E-Fuels nicht grundsätzlich ändern. Ab 2025 richten wir alle unsere neuen Fahrzeugarchitekturen allein für den Elektroantrieb aus. Wir haben schon vor vier Jahren gesagt, dass unsere Neuwagenflotte über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bis 2039 bilanziell CO2-neutral werden soll. Das ist unser Ziel.

E-Fuels spielen dabei keine Rolle?

Für Bestandsfahrzeuge schon. Wenn jemand einen Mercedes mit Verbrennungsmotor hat, dann wird er den auch mit E-Fuels fahren können. Wir werden ja bis Anfang des nächsten Jahrzehnts noch beide Antriebsarten, Elektro und den Verbrenner, parallel anbieten. Aber längerfristig sehen wir die Zukunft nicht in E-Fuels, sondern im Elektroantrieb, darauf konzentrieren wir uns.

Warum ist das E-Auto besser?

Sein Wirkungsgrad ist einfach sensationell gut. Von dem Strom, den Sie zum Beispiel mit einem Windrad erzeugen, kommen beim Elektroauto rund 70 Prozent der Energie als Antriebskraft auf der Straße an, beim Verbrennungsmotor ist es bedeutend weniger. Außerdem stoßen E-Autos keine Emissionen aus, während das für Autos, die mit E-Fuels betrieben werden, nicht gilt. Das ist relevant, denn es kann gut sein, dass in Zukunft große Städte wie London oder Paris lokale Emissionsfreiheit vorschreiben werden. Und drittens ist das Elektroauto im Vergleich zum Verbrenner immer noch eine junge Technik. Wir sehen noch ein großes Fortschrittspotential: Der Elektroantrieb wird den Verbrennungsmotor in puncto Leistungsfähigkeit noch in diesem Jahrzehnt überholen.

Wie schnell fahren Sie die Investitionen in den Verbrenner zurück?

Wir müssen in den nächsten Jahren den Verbrenner noch für den neuen Abgasstandard EU-7 fit machen. Bis 2026 werden wir die Investitionen in den Verbrennungsmotor aber stark senken – um etwa 80 Prozent.

Mercedes wird jetzt also nicht mehr Geld in die Verbrenner stecken, weil in Europa E-Fuels für das Auto zugelassen werden?

Nein, wir setzen unsere Strategie um.

In China arbeiten Sie zusammen mit Ihrem Großaktionär Geely aber weiter an neuen Verbrennungsmotoren.

Das ist unsere letzte Generation von Verbrennungsmotoren. Sie sind ausschließlich für Hybride vorgesehen, also für Autos, die sowohl elektrisch als auch mit Verbrenner fahren.

Wollen Ihre Kunden in anderen Weltregionen nicht auch langfristig noch einen Mercedes mit Verbrennungsmotor kaufen?

Wir wissen heute nicht, wie die Welt im Jahr 2035 aussieht. Aber ich glaube schon, dass im Luxus-Segment, das die Heimat von Mercedes ist, der Wechsel zum Elektroantrieb schneller kommt als im Gesamtmarkt.

Was halten Sie von den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung zum Klimaschutzgesetz? Kritiker sagen, es werde aufgeweicht, weil es jetzt weniger Druck macht die Emissionen im Verkehr zu senken .

Bei uns nimmt das überhaupt keinen Druck weg. Wir ändern deshalb nicht unsere ambitionierten Klimaschutzziele. Aber ich sehe die Beschlüsse auch gar nicht als Aufweichung. Sie schaffen mehr Flexibilität, das Kapital für den Klimaschutz dort einzusetzen, wo es am schnellsten und effizientesten für weniger CO2-Emissionen sorgt. Es kann gut sein, dass wir in Deutschland mit mehr Flexibilität die Emissionen schneller senken.

Dauert der Umstieg auf den Elektroantrieb länger als noch vor ein paar Jahren gedacht?

Ich glaube, der Wechsel zum Elektroauto kommt schneller als erwartet. Die Kurve geht steiler nach oben als noch vor wenigen Jahren gedacht. Aber natürlich sind drei Dinge nötig: das E-Auto, die Ladeinfrastruktur und die ausreichende Versorgung mit grünem Strom. Diese drei Faktoren bedingen sich gegenseitig.

Mercedes will ab 2030 in allen Märkten, in denen das möglich ist, nur noch E-Autos verkaufen. Wird das in der EU der Fall sein?

Ob das flächendeckend in der ganzen EU klappen wird, weiß ich heute noch nicht. Das wäre schon ein sehr ambitioniertes Ziel. Aber in einzelnen Ländern kann ich mir das gut vorstellen. In Norwegen zum Beispiel werden schon heute fast nur noch E-Autos verkauft.

Und in Deutschland?

Für Deutschland bin ich verhalten optimistisch. Die Dynamik hat gewaltig zugenommen. Oft ist es in Deutschland so, dass es zunächst eine längere Diskussion darüber gibt, was zu tun ist. Aber wenn man einmal einen Entschluss getroffen hat, dann geht die Umsetzung mitunter schneller als manche glauben.

Welche Weichenstellungen der Politik sind noch nötig?

Auf dem Papier wurden gerade auch mit den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung im Koalitionsausschuss viele wichtige Dinge geregelt. Jetzt geht es an die Umsetzung: Die Ladeinfrastruktur muss so schnell wie möglich ausgebaut werden, und wir müssen alles daran setzen, die Erzeugung von grünem Strom voranzutreiben. Um das Produkt, also das E-Auto, kümmern wir uns. Es gibt aber noch einen weiteren Faktor.

Nämlich welchen?

Die Rohstoffe. Wir brauchen eine europäische, aber auch eine deutsche Rohstoffstrategie. Lithium, das wir in gewaltigen Mengen für Batterien benötigen, ist das neue Erdöl. Der Aufbau der Kapazitäten im Lithium-Bergbau und in der Verarbeitung ist ein gigantisches industrielles Vorhaben. Diese Rohstoffe werden nicht alle in Europa gefördert werden. Dafür brauchen wir Handelsabkommen mit Kanada, Südamerika und Australien. Da ist staatliche Unterstützung nötig.

Lassen Sie uns auch über wirtschaftliche Nachhaltigkeit sprechen. In China mussten Sie den Preis für Ihr Elektroflaggschiff EQS senken. Warum verkauft sich das Auto so schlecht?

Die Verkaufszahlen des EQS sind gut. Wir haben vergangenes Jahr rund 20.000 Fahrzeuge verkauft, damit sind wir absolut zufrieden. Und diese Verkäufe gingen fast gar nicht zu Lasten der Verkaufszahlen der S-Klasse mit Verbrennungsmotor, die sich rund 90.000 Mal verkauft hat. Wir haben neue Kunden für Mercedes gewonnen, was super ist.

Und warum mussten Sie dann den Preis senken?

Wir sind in China mit einem Preis für den EQS gestartet, der höher war als in anderen Märkten. Da waren wir etwas zu optimistisch. Jetzt haben wir den Preis entsprechend angepasst.

Trotz Rekordgewinn ist der Börsenwert von Mercedes bescheiden. Trauen Ihnen die Investoren nicht zu, dass Sie in der Elektromobilität nachhaltig dieselbe Position erreichen können wie in der alten Verbrennerwelt?

Viele Industrieunternehmen werden derzeit ähnlich bewertet wie wir. Mercedes bekommt von der Börse nun mal keinen Start-up-Bonus, auch wenn wir eigentlich ein Start-up sind, nur eben eines, das 137 Jahre alt ist. Der Kapitalmarkt schaut sich an: Schafft Mercedes die Transformation zum Elektroauto und erhält dabei seine Profitabilität und Finanzkraft aufrecht?

Offensichtlich gibt es da Skepsis.

Der Kapitalmarkt wartet ab, bis wir den Beweis angetreten haben, dass wir das hinbekommen. Das ist bei vielen etablierten Industrieunternehmen so. Wir brauchen also einen langen Atem und müssen unsere Strategie Schritt für Schritt umsetzen. Wir sind im Jahrzehnt der Transformation. Mercedes muss sich beweisen.

Porsche ist auch etabliert und trotzdem ein Börsenstar.

Wenn man als Luxushersteller höhere Gewinnmargen erzielen kann, dann erreicht man an der Börse höhere Bewertungen. Das hat das andere Automobilunternehmen aus Stuttgart gezeigt. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch, gut gemacht! Mercedes und Porsche sind natürlich nicht direkt vergleichbar, weil wir größer sind. Aber wir werden uns mit unseren Produkten im Markt eher nach oben orientieren als nach unten.

Mercedes hat seit den Zeiten von Edzard Reuter und Jürgen Schrempp immer wieder große strategische Versprechungen nicht eingelöst. Zweifelt die Börse auch deshalb?

Mercedes ging es schon immer dann gut, wenn wir gute Autos gebaut haben. Darauf setzen wir mit unserer Strategie. Technologisch, was zum Beispiel Null-Emissionen angeht. Aber Mercedes muss mit seinen Produkten auch vor allem dort sein, wo man uns im Markt erwartet: am oberen Ende der relevanten Segmente.

Und gibt es nun den Ballast durch die Fehlschläge der Vergangenheit?

Das müssen Sie die Investoren fragen, nicht mich.

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