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Marc Surer entschlüsselt: Ist es das, woran es bei Mercedes krankt?

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George Russell glaubt, dass Monaco ein Wendepunkt für Mercedes war

George Russell findet, dass das Mercedes-Team von den Medien und der Öffentlichkeit besonders streng bewertet wird. Seit Einführung des neuen Reglements war der Rennstall einmal Dritter (2022) und einmal Zweiter (2023) in der Konstrukteurs-WM, und aktuell liegt Mercedes auf Platz 4 der Teamwertung. Besser hat in diesem Zeitraum eigentlich nur Red Bull abgeschnitten.

“Ehrlich gesagt finde ich, dass Mercedes in diesen drei Jahren unter besonders strenger Beobachtung stand, denn andere hatten auch ihre Probleme. Zumindest, wenn wir Red Bull mal außen vor lassen”, ärgert sich der 26-Jährige über die mediale Berichterstattung, die bei Mercedes immer schnell von Krise spricht, während etwa Ferrari und McLaren weit gnädiger bewertet werden.

Das mag daran liegen, dass Mercedes mit den Erfolgen zwischen 2014 und 2021 die Latte selbst enorm hoch gelegt hat und jeder zweite Platz als Misserfolg gewertet wurde, während solche Ergebnisse bei anderen Teams Fortschritt und ein Grund zur Freude waren.

Russell sagt: “Ferrari war 2022 vor uns. 2023 sind sie hinter uns zurückgefallen. Jetzt sind sie wieder vor uns, aber sie kämpfen immer noch nicht um die WM. Und McLaren hatte ein paar fürchterliche Jahre. Jetzt sind sie zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder vorn dabei. Mercedes steht da einfach unter besonders strenger Beobachtung, wegen des relativen Misserfolgs, den wir hatten.”

“Wir haben ja auch während der Jahre der Mercedes-Dominanz gesehen: Ferrari und Red Bull haben da kein Land gesehen. Red Bull hat viele Jahre benötigt, ehe sie es wieder mit Mercedes aufnehmen konnten.”

Hamilton: Podium ist “nicht mehr weit weg”

Immerhin zeigt die Mercedes-Formkurve seit ein paar Wochen in die richtige Richtung. Lewis Hamilton glaubt vor Kanada, dass ein Podium “nicht mehr weit weg” ist und freut sich drauf, dass er am kommenden Wochenende auch jenen Frontflügel bekommt, den Russell schon in Monaco hatte.

Russell ist sogar eine Spur optimistischer als sein Teamkollege. Auf die Frage, ob Mercedes das vierte jener Teams sein könnte, die am Sonntag um den Sieg fahren werden, antwortet er: “Ja, absolut. Wir haben mit unseren Upgrades in Monaco schon gesehen, wie knapp es war. Am Ende hat eine Zehntelsekunde auf die erste Reihe gefehlt. Wenn das Wetter ein bisschen hilft, kann alles passieren.”

War das Monaco-Update ein Wendepunkt?

Monaco, glaubt Russell, sei “ein Wendepunkt” gewesen: “Der Frontflügel hat richtig gut funktioniert. Vergangenes Jahr hatten wir immer Probleme mit dem Heck. Jedes Mal, wenn wir in eine Kurve einlenkten, drohte es auszubrechen. Dieses Jahr ist die Front instabil. Wir sind zu sehr in die andere Richtung gegangen. Aber mit den Upgrades versuchen wir jetzt, das Untersteuern auszukurieren.”

Die Mercedes-Misere begann 2022 mit dem an und für sich innovativen “Zero-Pod”-Konzept. Das Auto generierte in der Theorie jede Menge Downforce, brachte diese aber nicht auf die Strecke. Mercedes hatte den “Ground-Effect” nicht so gut durchschaut wie Adrian Newey, weswegen der Silberpfeil über die Bodenwellen hoppelte wie ein aufgescheuchter Hase (“Porpoising”).

Dann entschloss man sich, das Konzept über den Haufen zu werfen – bis Russell in Brasilien gewann. Man hielt entgegen der ursprünglichen Planung auch für 2023 am “Zero-Pod” fest, verwarf ihn letztendlich doch, tauschte Technikchef Mike Elliott gegen James Allison aus und begann mit der Entwicklung einer neuen Richtung, die sich jetzt langsam zu manifestieren beginnt.

Surer analysiert: Ist das die Wurzel allen Übels?

Mercedes wirkte zeitweise ratlos. Kaum war ein Problem gelöst, tauchte das nächste auf. Das “Porpoising” ist schon lang nicht mehr die größte Baustelle, wie Formel-1-Experte Marc Surer bereits beim Saisonauftakt in Bahrain beobachten konnte: “Es ist schon so, dass die Autos ein bisschen gehüpft sind. Aber was mir mehr aufgefallen ist: Ich habe das Gefühl, die Balance des Autos verändert sich.”

Ein Problem, das der Schweizer, früher selbst Grand-Prix-Pilot, kennt: “In langsamen Kurven hast du mechanischen Grip. Da liegt das Auto gut. Aber dann kommt die Aerodynamik dazu. Und die verändert das Fahrverhalten. Wenn der Schwerpunkt des Autos und der aerodynamische Anpressdruck nicht an der gleichen Stelle sind, verändert sich das Fahrverhalten.”

“Wenn jetzt zum Beispiel der Anpressdruck aerodynamisch ein bisschen hinter dem Schwerpunkt des Autos ist, dann fängt das Auto an, in schnellen Kurven zu untersteuern. Ich glaube, da harkt es irgendwie”, analysiert Surer in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.

Gut sehen konnte man dieses Phänomen seiner Beobachtung nach beim Grand Prix von Saudi-Arabien: “In Dschidda haben sie brutal gespürt, dass sie in schnellen Kurven einen Nachteil haben mit der aerodynamischen Einstellung, die sie gebraucht haben, um auf den Geraden schnell zu sein. Das heißt, der Unterboden hat offensichtlich den Anpressdruck am falschen Ort geliefert.”

Mercedes grenzt die Probleme immer weiter ein

Doch nach und nach gelingt es Mercedes besser, diese Phänomene zu verstehen und Lösungen dafür zu entwickeln. Während die Ingenieure 2022 und 2023 teilweise noch völlig im Dunkeln tappten und ganze Bereiche in Frage stellen mussten, ist Allisons Team inzwischen dazu übergegangen, nur noch feinzutunen. Die grundsätzliche Basis des W15 scheint gesund zu sein.

“Die Wellenbewegungen sind über die Jahre kleiner geworden”, nickt Russell. “2022, als das Auto neu war, haben wir eine große Änderung vorgenommen. Dann realisierten wir, dass die Änderung in die falsche Richtung ging, und brachten eine große Änderung in die andere Richtung. Inzwischen sind die Änderungen kleiner geworden. Und uns ist klar geworden, dass man auch mit kleinen Änderungen große Schritte machen kann.”

Von einem “Durchbruch” möchte Russell allerdings “noch nicht sprechen, denn wir haben nicht den gleichen plötzlichen Schritt gemacht wie McLaren 2023 oder Aston Martin von 2022 auf 2023. Aber es ist denke ich ziemlich klar, dass noch viel Potenzial in unserem Paket steckt.”

“Wann wir das auch in Ergebnisse übersetzen können, weiß ich nicht. In Rundenzeit haben wir es schon übersetzt. Das war in Monaco ziemlich offensichtlich. Dort ist uns ein Schritt in die richtige Richtung gelungen. Aber da vorn wird die Luft dünn. Wenn du mal mit einem Upgrade was findest, kann’s gleich mal um drei, vier, fünf Plätze nach vorn gehen”, hofft Russell.

Hamilton: Rekordsieger in Montreal

Hamilton hofft indes auf den Kanada-Effekt. Auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal hat er 2007 auf McLaren nach einer Serie von fünf Podestplätzen in den ersten fünf Formel-1-Rennen seiner Karriere seinen ersten Grand Prix gewonnen. Inzwischen ist er mit sieben Triumphen Rekordsieger in Kanada, gemeinsam mit Michael Schumacher.

Montreal sei, sagt er, “wie eine Kartbahn, Stop & Go, aber mit langen Geraden. Eine Strecke, die gut für Spätbremser und Fahrer mit einem aggressiven Fahrstil ist.” Auf Nachfrage, ob das auf ihn zutreffe, entgegnet der siebenmalige Weltmeister: “Ich denke, ich hatte viele Jahre lang einen aggressiven Fahrstil, ja.”

Am W15 sei der größte Fortschritt, dass das Auto tiefer abgestimmt werden kann, aber trotzdem ruhiger liegt. Und “die Stabilität am Kurveneingang. Das Auto ist viel berechenbarer als in den vergangenen Jahren. Da kannst du dann die Kurven mehr attackieren. Was uns noch fehlt, ist die Balance. Da haben andere einen größeren Schritt gemacht”, analysiert Hamilton.

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