Fahrzeuge

Freiheit mit dem Oldie-Bus

Seit 2009 ist dieser frühe T4-Malibu im Familienbesitz, treu brachte er seine Gäste ins Wochenende wie in den Urlaub. Ein Erbstück also – das pünktlich zum 30. Geburtstag den zweiten Frühling erlebt.

Es gibt Tage, da passt einfach alles! Das Wetter, das Auto, die Landschaft. Und heute ist so ein Tag. Wir sind mit Jochen verabredet, lässig steuert er den frisch im Oldieolymp angelandeten T4 Carthago Malibu über die kleinen, geschwungenen Straßen des Kraichgaus, wir sehen ihn anrollen. Es ist Sommer, es ist warm, die Sonne hat sich ein paar Schleierwolken übergezogen.

FotografInnen mögen das, ein “hoher Himmel” erlaubt stimmungsvolle Aufnahmen. Und das passt bestens zum weißen Bulli mit seinen türkisfarbenen Seitenstreifen. Die sind ein wenig verblichen, zeugen aber dennoch vom Stil der 1980er und frühen 1990er Jahre, und ich hab schon wieder das Plattencover von “Righeira” vor Augen. Sie wissen schon: Das mit den beiden halbnackten Jungs, die vor der Glotze ihre Cocktails nuckeln. Der Song dazu, Achtung jetzt gibt es einen Ohrwurm: “Vamos a la playa, oh oh ohohoh”.

Neuer Motor für den Bulli

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Moderne Zeiten anno 1992, der Bulli-Motor sitzt nun erstmals unter der Front. Unser Star ist mit 78 Pferdestärken eher bedächtig motorisiert.

Ein bisschen was von “Nuckeln” hat es auch, rollt der Malibu einen etwas heftigeren Anstieg hinauf, für Schub sorgen unaufgeregte 78 PS, dieselig aus 2,4 Litern geschöpft. Nix für die linke Spur, und doch versprüht die Fahrt Aufbruchstimmung. Denn erstmals seit sieben Jahren ist der Camper wieder auf der Piste. Und weil jedem Neuanfang ein Zauber innewohnt, sind auch bedächtige Leistungsdaten kein Thema, obgleich hier schon ein potenteres Triebwerk zum Einsatz kam, das einen nicht unerheblichen Aufpreis forderte, denn in der Basisversion offerierte Carthago generell den kleinen Diesel mit 61 PS.

Also sind 78 schon flott, immerhin reden wir über jene Zeiten, in denen auch Kadett oder Golf nicht zwingend mehr Dampf hatten und der Käfer noch umtriebig über unsere Straßen krabbelte. Also belassen wir es dabei. Der Käfer hatte seinen Motor hinten, der Bulli auch – bis eben der T4 kam.

Der radikale Wandel von 1990, nach Jahrzehnten flutschte der Antrieb plötzlich unter die Front! (Dass VW in Zeiten der Elektrifizierung wieder ans Heckmotorprinzip andockt, lockt dem Oldiefan natürlich ein Schmunzeln ins Gesicht.) Und da, wo weiland der Motor saß, war nun plötzlich Platz. Platz für Gepäck, Platz für neue Ideen. Und auch die Reisemobilbauer von Carthago wussten die Möglichkeiten zu nutzen.

Bulli-Ausbau von Carthago

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Die verschiebbare Bank ist eine feine Sache, je nach Position bietet der Kofferraum 500 oder 3.000 Liter Volumen, versprach Carthago.

Das Unternehmen war Ende der 1970-er Jahre gegründet worden und schon bald fokussiert auf den Ausbau des VW Transporters. Beachtliche Stückzahlen wurden gefertigt, binnen eines Jahrzehnts war das Unternehmen massiv gewachsen: Als 1990 der Malibu auf dem Volkswagen T4 präsentiert wurde, war Carthago der zweitgrößte Hersteller von Campingbussen auf Basis von VW-Kastenwagen in Europa und mal eben der größte unabhängige Hersteller von Campingbussen.

Oldtimer als Familiencamper

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Zwei passend bezogene Drehsitze waren üblich.

Der Star dieser Geschichte wurde erstmals im Frühjahr 1992 zugelassen, in seine jetzige Familie rollte er als klassischer Gebraucht-Camper, wie sich Jochen Götzmann erinnert. Dessen Bruder Ralph erstand den Wagen Anfang 2009. “Das war schon drollig”, meint Jochen, während er mir die Klappstühle aus der Wanne überm Fahrerhaus reicht. “Ich sollte damals unbedingt einen kompakten Camper-Bulli für Ralph finden und empfahl ihm direkt den T4.

Keinen Monat später hatte er den Malibu, und ich hatte ein sechs Meter langes Alkovenmobil von Hobby, eine richtige Weißware.” Er schmunzelt ob dieser Episode, als Camper sollte man sich selbst nicht so bierernst nehmen. Doch zurück zu Ralph: Der hatte also 2009 seine Liebe zum Camper entdeckt und war in Lüneburg fündig geworden. “Einen guten, bezahlbaren Campingbus zu finden, das war schon damals nicht einfach”, erklärt Jochen. “Als ob das heute einfach wäre!” Er kennt den Markt, kennt das lustige Grölen, das Händler an den Tag legen, fragt man sie nach einem “coolen Camping-Bulli mit frischer HU, neuen Reifen und für unter zweitausend Flocken”.

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Luft ist wichtig! Das wusste man früh bei Carthago, großzügige Fenster erlauben Querlüften.

Doch Ralph war sich schließlich sicher, ein gutes Auto gefunden zu haben. Ein dicker Ordner mit bis zum ersten Tag dokumentierten Werkstattrechnungen und eine nachgewiesene Revision des Dieselmotors machten das Fahrzeug interessant. Und rechtfertigten zumindest den Ritt in den Norden. Der Malibu revanchierte sich für das entgegengebrachte Vertrauen, er machte auf diversen Reisen nach Italien, gerne und immer wieder an den Gardasee, oder einfach bei spontanen Wochenendausflügen eine richtig gute Figur.

“Irgendwann waren aber dann doch zu viele Baustellen am Auto. Der Rost, die Kupplung, man kennt das ja”, blickt Jochen zurück. “Lange Rede, kurzer Sinn, vor sieben Jahren wurde der Carthago nicht mehr genutzt”, im Dezember 2015 erfolgte die Stilllegung, der Malibu war sprichwörtlich aufs Abstellgleis geschoben worden, zur Saison 2016 konnte er nicht mehr antreten. Und doch muss da noch was gewesen sein. So ein leises, penetrantes Kribbeln, denn verkauft wurde er nicht, irgendwann und irgendwie wäre ja doch ein Neustart denkbar.

Stillegung und Restaurierung 2022

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Die Küche, also auch der zweiflammige Gasherd, ist in weißem Emaille gehalten.

Doch das geschah nicht 2017 und nicht 2018, im Winter lag Schnee auf dem Dach, im Sommer die Hitze, der Seitenstreifen verblich, die Mäuse fühlten sich wohl im Küchenschrank. Doch die Qualität des Carthago-Ausbaus stemmte sich dem Verfall entgegen, wartend auf Rettung. Die kam dann Ende letzten Jahres. “Mir tat der Camper immer irgendwie leid”, meint Jochen, während er dem Bulli in die viereckigen Scheinwerfer blickt. “Und im Winter war dann gut”, fasst er den Entschluss, den Wagen zurück auf die Straße zu bringen, in knackige Worte. Rechtzeitig zum 30. Geburtstag sollte der Bus im Frühsommer 2022 wieder auf die Reise gehen dürfen.

Dass er sich eine Menge an Arbeit einhandeln würde, das war ihm klar, zumal noch manch unliebsame Überraschung wartete. “Ich hab es halt irgendwie reingedrückt”, meint er lakonisch. Immerhin hat er die notwendigen Fertigkeiten für solch ein Projekt, das auch geschweißt und beilackiert werden musste. Die Stoßfänger bekamen einen rustikalen Look, während das defekte Fenster hinten rechts behelfsmäßig mit einer Platte geschlossen wurde. “Das originale Isolierfenster ist schon lange nicht mehr lieferbar, schade eigentlich.” Doch letztlich hat sich der Aufwand gelohnt, der Malibu stand nach einigen Monaten wieder stolz auf seinen Reifen.

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Das obere Bett misst 190 auf 125 Zentimeter.

Mit der originalen Folierung, und dass die ein wenig ausgeblichen ist, das stört ja nun wirklich niemanden, zumal sich die Campingtalente auch heute noch im Reisealltag zu bewähren wissen. Stolz lädt Jochen zum Rundgang durch sein Werk, dem man die Jahre ansieht, das aber dennoch mit überraschend gutem Zustand brilliert: Natürlich sind auch im T4-Malibu die Vordersitze drehbar gestaltet, dahinter schließt sich fahrerseitig die Küche an. Der klassische Grundriss eben, wie von Westfalia im T2 schon anno 1976 realisiert und bis heute im aktuellen California gefeiert. Kocher und Spüle sind jedoch nicht aus Edelstahl gefertigt, sondern weiß emailliert, was dem Wagen einen nostalgischen Charme gibt. Als besonderes Highlight muss man indes die verschiebbare Schlafsitzbank sehen. Den California auf T4 gibt es hier im Gebrauchtcheck.

Der multifunktionale Campervan der 1980er

freiheit mit dem oldie-bus Andreas Becker

Sitzbank verschieben oder gar ausbauen? Geht im Malibu.

Carthago bewarb diese so vollmundig wie grammatikalisch, ja nun, sagen wir mal “kreativ”, weshalb wir das nun folgende Zitat aus einem Prospekt von 1991 ein wenig in Richtung Lesbarkeit frisiert haben: “Wollen Sie wohnen? Sitzbank fährt zurück, Sie fühlen sich frei (Kofferraum hinten 500 Liter). Wollen Sie fahren? Sitzbank geht nach vorne. Sie fahren mit, wie im Pkw (Laderaum hinten 3.000 Liter). Wollen Sie schlafen? Sitzbank umgebaut zum bequemen Doppelbett. Sie schlafen erholsam. Wollen sie transportieren? Sitzbank einfach herausnehmen. Das Pferd kann rein.” (Schon mal nen Carthago als Pferdetransporter gesehen? Falls ja, Bilder bitte an die Redaktion, danke.)

Die Bank fährt auf Schienen, die seitlich und in der Trittstufe der Schiebetür untergebracht sind, noch immer beeindruckt die Massivität des Ausbaus, der im Heck wirklich für jede Menge Stauraum sorgt. Das mag aus heutiger Sicht wenig spektakulär wirken. Vor 30 Jahren sah das anders aus. Wobei Carthago hier auch einen nicht nur formschönen, sondern auch noch pfiffigen Gasschrank aus “Polyäthylen” verbaute, der in der Lage ist, gleich zwei Propanflaschen aufzunehmen, genug für langes Wintercamping und Wärme aus der gasbetriebenen Truma-Standheizung. Dass man ein wenig fummelig zunächst die untere Flasche entnehmen muss, um an die obere zu gelangen? Geschenkt!

Die Wiedererweckung des Malibu konnte Jochen freilich nur am Anfang geheim halten, irgendwann bekam Bruder Ralph Wind von der Sache. Das zu diskutieren hat jedoch nur philosophischen Wert, die Brüder waren sich rasch einig, inzwischen ist der Klassiker gänzlich bei Jochen gelandet. Und so erlebt das treue Familienerbstück nun unter den Händen des Retters den zweiten Frühling. Passt so!

Carthago Malibu auf VW T4

  • Neupreis: 55.829,32 DM
  • Erstzulassung: 30.03.1992
  • Motor/ Vmax: 5-Zylinder-Diesel, 2,4 Liter, 78 PS/ 139 km/h
  • Maße (Länge, Breite, Höhe): 4.655 mm/1.840 mm/ 1.980 mm
  • Leergewicht/ Zuladung: 1.955 kg/ 535 kg
  • Zul. Gesamtgewicht/ Zul. Gesamtzuggewicht: 2,49 t / 4,5 t
  • Anhängelast: 1.910 kg
  • Tankinhalt: 80 L

Fazit

Wer einen solchen Bulli-Oldtimer wie den Carthago Malibu in der Garage stehen hat, sollte gut darauf aufpassen. Jochen Götzmann hat den T4 der Familie wieder restauriert und jetzt läuft der Bus wieder wie am Schnürchen.

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